Der Gewinner des großen Frankfurter Dirigentenwettbewerbs Sir Georg Solti – Violinist und Dirigent José Luis Gómez Rios – im Wochenblatt-Interview
Das Wochenblatt berichtete es bereits: 576 junge Dirigenten aus 75 Ländern hatten sich zum diesjährigen Sir Georg Solti-Wettbewerb, einem der wichtigsten für Nachwuchsdirigenten überhaupt, beworben. 21 von ihnen waren nach Frankfurt zu den Vorrunden mit dem hr-Sinfonieorchester eingeladen worden, aus denen drei Finalisten hervorgingen. Es siegte am 12. September der 32jährige in Venezuela geborene Spanier José Luis Gómez Ríos. Seit 12 Jahren ist er Geiger im Sinfonieorchester von Teneriffa und Assistent von dessen Chefdirigent Lü Jia. Das Wochenblatt traf José Luis Gómez in seinem Stammlokal TACOA in El Sauzal zum Interview.
Wochenblatt: Glückwunsch zum großen Erfolg, José Luis! Dass Sie und ihre Musiker-Kollegen im TACOA ab und an gern deutsch gebrautes Bier genießen, wissen wir ja. Mögen Sie neuerdings auch „Äppelwoi“?
José Luis: (lacht) An den freien Abenden während des Wettbewerbs waren wir in den Wirtschaften in der Bockenheimer Straße unterwegs. Neben „Äppelwoi“ schmeckte uns da besonders die Frankfurter „Grie Soß“.
Wochenblatt: Grüne Sauce. Grün ist auch die Farbe der Hoffnung. Konnten Sie tatsächlich hoffen, unter 576 Mitbewerbern den ersten Preis zu gewinnen?
José Luis: Ach wissen Sie, ich hatte im letzten Jahr schon das Finale des Dirigentenwettbewerbs International Competition for Young Conductors erreicht. Das wurde im TV live auf ARTE übertragen. Ich habe mir mit meinem Freund Lü Jia später das Video angesehen. Er war sicher, ich würde mich noch verbessern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es einen anderen Dirigenten gibt, der mir die technischen Seiten des Musizierens als Orchesterleiter, die letzten Feinheiten des Dirigierens so perfekt hätte vermitteln können. Er hat begnadetes Talent, nicht nur fantastisch zu dirigieren; er kann es auch anderen vermitteln, Talent dazu einmal vorausgesetzt.
Wochenblatt: Damit sind wir vom Ende her dort angelangt, wo wir eigentlich beginnen wollten: Wie entdeckten Sie Ihr Talent, Ihre Berufung zum Musiker?
José Luis: Mein Vater ist Musiker. Als Spanier war er als Flötist in das seinerzeit renommierte Sinfonieorchester von Maracaibo City nach Venezuela gekommen. Dort war für ein gutes Orchester Geld aus der Öl-Industrie vorhanden. Das Orchester gastierte überall auf der Welt. Mein Vater ist auch ein toller Musiklehrer. Mit 11 Jahren war ich schon Konzertmeister eines Jugendorchesters. Schon damals versuchte ich zu dirigieren. Mein Vater komponiert auch, und ich konnte zu Hause in seinen Partituren blättern. Irgendwie entwickelte sich alles wie selbstverständlich. Ich studierte Musik und Violine am Konservatorium in Maracaibo und ging anschließend nach New York an die Manhattan School of Music.
Wochenblatt: Blutjung kamen Sie von dort für 12 Jahre in das Sinfonieorchester von Teneriffa und brachten es hier als Geiger bis an die ersten Pulte.
José Luis: Ich habe hier sehr wichtige Erfahrungen gesammelt, viele berühmte Geiger und Dirigenten im Orchester genau kennen gelernt und studiert. Dazu kam im Verlauf der Jahre auch ein großes Musikrepertoire. Meine Zeit auf Teneriffa hat mir enorm geholfen, hat mich weiter gebracht. Ich habe aber auch in anderen Orchestern gastiert und in zahlreichen Kammerensembles überall in Europa gearbeitet und dirigiert, auch mit Mitgliedern der Berliner Philharmoniker. Ich wusste aber immer: Ich wollte nie ein zweiter Jascha Heifetz werden, der Geiger-Gott meiner Jugend. Ich wollte immer gern dirigieren.
Wochenblatt: Dürfen wir dem entnehmen, dass nach dem Riesenerfolg des Wettbewerb-Gewinns Ihre Zeit auf Teneriffa sich nun dem Ende nähert?
José Luis: Das ist wohl so. Mein guter Freund Paolo Morena, unser Konzertmeister, hat mir schon länger gesagt, ich würde schließlich doch Dirigent werden. Von Inselpräsident Ricardo Melchior und dem Kulturbeauftragten des Cabildo de Tenerife habe ich Glückwunschschreiben bekommen. Das erfreut mich nach meinen Jahren auf Teneriffa sehr.
Wochenblatt: Wann soll es denn zuerst wohin gehen?
José Luis: Ich habe Einladungen aus u.a. Spanien, Italien und Deutschland bekommen für Oper und Konzert. Es haben sich Agenturen bei mir gemeldet, die mich vertreten möchten. Ich mach das alles in Ruhe und lasse mir Zeit für nächstes Jahr.
Wochenblatt: Was ist Ihnen lieber als Dirigent, – Oper oder Konzert oder beides?
José Luis: Ich sehe einmal die sinfonische Seite des Dirigierens. Neben dem Konzert-Repertoire ist das Orchester etwa bei Musikdramen von Richard Wagner oder Opern von Richard Strauss als gleichberechtigter, sinfonischer Partner zu sehen. Anders ist es bei Opern, in denen Virtuosität und Stimmakrobatik der Sängerinnen und Sänger im Vordergrund stehen. Dort hat das Orchester eine mehr dienende Funktion. Man wird sehen, wie es sich ergibt. Mich reizt Musiktheater in Vollendung. Das soll ein lohnendes Ziel sein.
Wochenblatt: Das ist doch eine schöne Aussage betreffend Ihre Ziele für die Zukunft. Lassen Sie uns bitte noch über das Sinfonieorchester von Teneriffa sprechen, ihre Wirkungsstätte der letzten 12 Jahre. Wir hören, es gibt seit Jahren kein Vorspielen mehr zur Einstellung neuer Musikerinnen oder Musiker für frei werdende Stellen. Die Gehälter der Orchestermitglieder wurden ohne Rücksprachen gekürzt. Großformatige Programme wie Mahler- oder Bruckner-Sinfonien wurden plötzlich ersetzt durch Programme, in denen man weniger Musiker benötigt.
José Luis: Was soll ich dazu sagen? Die Wirtschaftskrise erreicht alle Bereiche unseres Lebens, auch die Kultur. Ob man manches vielleicht auch trotz angespannter Finanzlage besser gestalten könnte, ist eine andere Frage, die ich aber nicht beantworten kann. Ich durfte in vielen Jahren miterleben, wie unser Sinfonieorchester erst unter Victor Pablo Pérez und dann unter Lü Jia als Chefdirigenten sich gut entwickelt hat. Ich wünsche mir nichts mehr, als dass es auch in Zukunft so bleiben möge. Ich habe meinen Musikerfreunden und Teneriffa viel zu verdanken.
Die Fragen für das Wochenblatt stellte Hans Rueda.
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