Melchior stellte in Brüssel das Ergebnis der Transrapid-Machbarkeitsstudie vor
Am 12. April trafen sich Inselpräsident Ricardo Melchior und der Leiter des Inseltransportressorts Carlos Alonso in Brüssel mit hochrangigen Vertretern des Europäischen Parlaments, um ihr Projekt einer Transrapid-Strecke auf Teneriffa offiziell vorzustellen.
Das Interesse an diesem innovativen Schritt war groß, und der Berliner Europaabgeordnete Joachim Zeller gab unter dem Titel „Totgesagte leben länger – Teneriffa will den Transrapid“ eine Presseerklärung heraus, die sowohl die Notwendigkeit des Projekts angesichts der schwierigen Verkehrssituation der Insel als auch seine Chancen hervorhebt. Melchior teilte mit, dass die Aufnahme des „Transrapid Tenerife“ in das Weißbuch der EU-Kommission angestrebt wird, um eine Förderung durch die EU zu erwirken.
„Bei Teneriffa denken wir an Sonne, Strand und Sangria. Aber Teneriffa ist mehr. Die kleine Insel vor der afrikanischen Küste ist Vorreiter in Sachen Innovation und setzt seit Jahren auf erneuerbare Energien und eine nachhaltige Entwicklung“, sagte Joachim Zeller, der zusammen mit dem Inselpräsidenten zu der Präsentation der Machbarkeitsstudie nach Brüssel geladen hatte.
Ergebnis der Studie, die Präsident Melchior bei den deutschen Ingenieuren in Auftrag gegeben hatte: Der Transrapid ist für Teneriffa die beste Verkehrslösung.
„Bisher läuft der gesamte Verkehr über das Privatfahrzeug. Aus 5000 sind in den letzten Jahren 500.000 Autos auf der Insel geworden“, sagte er. „Zur Lösung der Verkehrsaufgabe gibt es zu einem modernen und umweltfreundlichen Bahnsystem Transrapid keine Alternative“, so Melchior weiter. Mit überschaubaren Baurisiken und Projektkosten würde die Magnetschnellbahn die Gesamtfahrtzeit vom Norden zum Süden der Insel auf unter eine Stunde verkürzen. Allein die Expressverbindung zwischen den beiden Flughäfen betrüge nur noch 21 Minuten.
„Es handelt sich bei der Magnetschnellbahn um eine zukunftsweisende Technik, von der sich einige bereits zu früh verabschiedet haben“, so Joachim Zeller. Und Präsident Ricardo Melchior resümierte abschließend: „Der Transrapid wird das Verkehrsmittel des 21. Jahrhunderts.“
Argumente und Gegenargumente
von Hans Rueda
Inzwischen hat sich in der spanischen wie deutschen Presse eine heiße Diskussion über den Sinn des Projektes entwickelt, die sich nicht immer durch Sachkenntnis auszeichnet. Das Wochenblatt berichtete regelmäßig über die Kontroverse. Besonders aus Kreisen einiger spanischer „Ecologistas“ wurden Argumente laut, die von deutschen Kritikern der vor zehn Jahren geplanten Strecke Hamburg-Berlin übernommen wurden. Es geht im Einzelnen um folgende Punkte:
„Der Transrapid ist zu schnell für die kleine Insel“
Tatsächlich kann der Transrapid 550 km/h erreichen, was aber auf Teneriffa uninteressant ist, da er hier maximal mit 270 km/h fahren wird. Das ist zwar schneller als der geplante Zug, aber der Zeitgewinn entsteht nicht nur durch das höhere Tempo, sondern durch die bessere Beschleunigung, wodurch die Reisegeschwindigkeit schneller erreicht wird. Für Teneriffa ist jedoch viel wichtiger, dass der Transrapid im Gegensatz zum Zug den Steigungen und den Kurvenradien der Autobahn folgen kann, wodurch fast keine Tunnel benötigt werden. Für die Bahn wären 40 km Tunnel nötig – ein enormes Zeit- und Kostenrisiko beim Bau.
„Der Transrapid ist zu teuer“
Tatsächlich kostet der Transrapid ca. 3 Milliarden Euro (Nord- und Südstrecke). Für die Bahn rechnen die offiziellen Studien mit über 4 Milliarden, nach Meinung von Experten ist das aber zu niedrig veranschlagt. Allein durch die Kostenrisiken durch die Tunnel und die vielen Prozesse für Geländeenteignungen könnte die 6 Milliarden-Grenze durchaus überschritten werden.
„Das Geld könnte man sinnvoller verwenden“
Etwa für Bildung oder im Gesundheitssystem. Doch die Gelder für Bahnprojekte kommen aus zweckgebundenen Töpfen: Die Regierung in Madrid hat über zwei Milliarden aus dem Budget der spanischen Eisenbahnen (RENFE) fest zugesagt, gestaffelt über 30 Jahre, und zwar für „spurgebundenen öffentlichen Verkehr“, was sowohl auf die Bahn wie auch den Transrapid zutrifft. Dieser Anteil steht den Bürgern Teneriffas gemäß ihrem Anteil an der spanischen Gesamtbevölkerung zu und dient als Finanzierungsbasis. Die restliche Finanzierung könnte aus EU-Mitteln sowie aus deutschen Fördertöpfen kommen, Stichwort „Exportförderung deutscher Technologie“. Solche Mittel lassen sich nicht umwidmen. Die vermeintliche Alternative „Transrapid oder Schulen und Krankenhäuser“ existiert also gar nicht.
„Deutschland wollte den Transrapid nicht“
Das lässt offen, wer mit „Deutschland“ gemeint ist. Tatsächlich hat jede neue Technologie viele Feinde, nämlich vor allem diejenigen, die ihre Einnahmen dadurch gefährdet sehen. Da ist einmal die gesamte Luftfahrtbranche, denn Studien haben gezeigt, dass der Transrapid bei Strecken bis 1.000 km dem Flugzeug überlegen ist, nicht nur in der Schnelligkeit (da langes Einchecken und Wartezeiten entfallen), sondern vor allem im Energieverbrauch. Wäre Hamburg-Berlin zur Jahrtausendwende wie geplant gebaut worden, hätte es bald keinen innerdeutschen Flugverkehr mehr gegeben, da andere Verbindungen bald nachgezogen wären. Aber selbst die Hersteller Siemens und ThyssenKrupp haben ihr eigenes Produkt boykottiert und fast einschlafen lassen, weil mangels Verschleiß von Radkränzen, Achsen und Schienen usw. die lukrativen Ersatzteile wegfallen, mit denen sie über Jahrzehnte das große Geschäft machen (beide Firmen sind am ICE beteiligt). Je schneller der Zug, desto höher der Verschleiß, weshalb Schnellzüge wie der ICE oder der französische TGV derzeit überall lieber verkauft werden. Der „Spiegel“ berichtet in seiner Ausgabe 16/2011 „über den Zorn des Bundesverkehrsministers Peter Ramsauer ‘über so viel Lethargie der deutschen Hersteller’ und beauftragte jüngst seinen Staatssekretär Rainer Bomba, bei den Herstellern ein bisschen mehr Begeisterung für das [Transrapid] Projekt Teneriffa einzufordern“. Staatsekretär Bomba machte im kleinen Kreis seinem Unmut über die zögerlichen Hersteller Luft: „Kunde droht mit Auftrag“.
„Der Transrapid verbraucht zu viel Energie“
Auch dieses Argument ist durch Studien und die Erfahrungen in Lathen/Emsland und Shanghai widerlegt. Unter 300 km/h verbraucht der Transrapid bis zu 10% mehr Energie, darüber weniger als ein Schnellzug (Quelle Wikipedia). Der leichte Mehrverbrauch im Falle des TT wird aber durch wegfallende Verschleißteile wie Räder und Schienen mehr als wettgemacht. Unter dem Strich liegen die Betriebskosten deutlich unter denen der Eisenbahn. Außerdem lässt sich auf Teneriffa noch viel mehr Energie aus Sonne und Wind gewinnen. Eine interessante Option, die auch erwogen wird, wäre zum Beispiel, den gesamten Fahrweg auf der Oberseite mit Solarpaneelen zu belegen.
„Der Transrapid ist unökologisch“
In Wahrheit wäre der TT ökologischer als jede Bahn – und als der derzeitige benzingetriebene Auto-/Busverkehr sowieso. Im CO2-Ausstoß unterbietet der Transrapid sämtliche Werte pro Personenkilometer von Bahn, Bus, Auto oder Flugzeug. Auch der lautlose Antrieb sorgt allenfalls für Windgeräusche. Die Magnetfelder im Zug sind extrem klein, da sie sich nur zwischen den Antriebswicklungen konzentrieren. Das japanische Konzept des Magnetschwebezuges hingegen hat damit Probleme, da es auf supraleitende Magnete setzt, die ihre Magnetfelder weit streuen.
Doch das Wichtigste ist der geringe Flächenverbrauch: Während die Bahn eine mindestens 40 m breite Schneise in die Landschaft schlägt (inkl. Sicherheitszonen und Versorgungswege), kann der Transrapid auf Säulen gesetzt werden, die über oder neben der Autobahn verlaufen. Seine leichte Bauweise, die keine schweren Lokomotiven erfordert, senkt den Beton- und Stahlverbrauch auf ein Drittel verglichen mit der Eisenbahn. Die intelligente automatische Steuerung ermöglicht zudem, den größten Teil der Strecke einspurig zu konzipieren. Durch die Aufständerung werden außerdem Unter- und Überführungen kreuzender Straßen und Wege überflüssig – und davon gibt es auf Teneriffa bekanntlich sehr viele. Ökologisch ist der Transrapid gerade bei einer so schwierigen Topographie wie der kanarischen unschlagbar.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Bauzeit: Durch Vorfertigung der Träger und Fertigmontage ist die Gesamtstrecke in nur vier Jahren zu realisieren. Der Bau einer Eisenbahn bräuchte mindestens das Doppelte, wobei die unwägbaren Risiken durch Tunnelprobleme noch nicht berücksichtigt sind.
Was bringt die Zukunft?
Die technischen Daten sprechen eindeutig für einen Transrapid, und die Kostenanalysen qualifizieren ihn ebenfalls deutlich vor der Eisenbahn. Außerdem darf das Projekt, im Gegensatz zur Bahn, mit speziellen Fördergeldern aus der EU und der BRD rechnen, was der Inselregierung die Entscheidung erleichtern wird. Zusätzlich ist der positive Effekt auf die Inselwirtschaft in Betracht zu ziehen sowie seine Funktion als „Touristenmagnet“.
Ein anderer Effekt, den Präsident Ricardo Melchior hervorhob, betrifft die Mobilität: Bei vorgesehenen bis zu 14 Haltepunkten des TT, bedient je nach Verkehrsaufkommen, mit Parkplätzen, angeschlossenen Straßenbahn-Bus-Taxi-Verbindungen für die Passagiere zur Weiterfahrt, könnten insbesondere Tausende von derzeit Arbeitslosen aus dem Raum La Laguna/Santa Cruz eine Arbeit im touristischen Süden annehmen, ohne ihre preiswerte Wohnung und ihre Familie verlassen zu müssen. Das entlastet die Sozialkassen und sorgt für weitere Steuereinnahmen. Wenn man das Projekt „TT Transrapid Tenerife“ beurteilen will, dann müssen auch solche Überlegungen mit einbezogen werden.
Teneriffa hat, besonders weil ein konkurrierendes Eisenbahnnetz hier noch nicht vorhanden ist, die einmalige Chance, weltweit Verkehrsgeschichte zu schreiben. Ob sie genutzt wird, bleibt abzuwarten.
Hans Rueda
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