Straßenverkäufer, die ihr Warenangebot auf ausgebreiteten Decken feilbieten, erobern die spanischen Großstädte und Küstengebiete
Barcelona – Der irreguläre Straßenverkauf gehört in allen großen Städten und Tourismusgebieten Spaniens zum Stadtbild und nimmt zu. Immigranten aus afrikanischen Ländern, manchmal auch aus Asien oder Südamerika, bieten ihre Waren auf einer am Boden ausgebreiteten Decke (spanisch: manta) an. Oft handelt es sich dabei um Markenimitate von Handtaschen, Uhren, Videospielen oder Kleidungsstücken, aber auch Spielzeug, Souvenirs und gekühlte Getränkedosen gehören zum Warenspektrum. Führt die Polizei Kontrollen durch, kann das Sortiment samt Decke schnell zusammengerafft und einige Straßen weiter erneut feilgeboten werden. Deshalb ist es für die Polizei schwierig, effektiv dagegen vorzugehen. Der lokale Einzelhandel fühlt sich durch die Duldung des Straßenverkaufs, der ohne Genehmigung und Besteuerung agiert, aus guten Gründen ungerecht behandelt. Doch andererseits bietet sich den Immigranten meist keine andere Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Die Stadtverwaltung von Barcelona, unter der Führung von Bürgermeisterin Ada Colau, ist bemüht, beiden Seiten gerecht zu werden. Sie will den Straßenverkauf eindämmen, indem sie Alternativen in Form von Beschäftigungsprogrammen für die „Manteros“ schafft. Doch diese Maßnahmen greifen nicht schnell genug, sodass es doch nötig wurde, eine Sondereinsatzgruppe des katalanischen Polizeikorps Mossos d’Esquadra zu bilden, die regelmäßig gegen einen großen „wilden Bazar“ am Jachthafen im Stadtteil Barceloneta vorgeht.
Darüber hinaus wollte Bürgermeisterin Ada Colau diesen wilden Bazar durch die Errichtung eines Skate-Parks für die Jugendlichen der Stadt auf sanfte Weise verdrängen und stieß damit in der Stadt eine polemisch geführte Diskussion an. Die Oppositionsparteien sparten nicht mit Kritik über Colaus angeblich zu nachgiebiges Vorgehen gegen den unreguliert blühenden Handel auf Barcelonas Straßen. Der Fraktionsführer der PP im Stadtparlament sagte spöttisch voraus, dass Colau die Metropole Schritt für Schritt in einen Skate-Park verwandeln werde, da die Straßenhändler nun einfach zu anderen belebten Plätzen der Stadt weiterziehen würden. Er glaubt, das Problem könne nur durch ständigen polizeilichen Druck auf die „Top Manta“-Verkäufer gelöst werden. Die Vertreterin einer anderen Fraktion, der CUP-Capgirem, formulierte dagegen Kritik von der anderen Seite des Spektrums her: Man wolle die Straßenverkäufer aus dem Blickfeld der Touristen verdrängen, ohne dabei auch das Wohl und Wehe der betroffenen Personen im Auge zu behalten. Sie warf die Frage auf, was wohl geschehen werde, wenn es die „repressiven Maßnahmen“ diesen Menschen unmöglich machen, über die Runden zu kommen. Die Stadtverwaltung hält dagegen, dass ein Skate-Park und die verstärkte Polizeipräsenz das Problem zwar nicht lösen könne, es jedoch von dem touristischen Zentrum in La Barceloneta weg auf andere Stadtteile verteilen und dadurch ein wenig entschärfen könne.
Auch andere spanische Städte sind mit dem Problem überfordert. In Madrid sind es vor allem Immigranten aus Schwarzafrika, die in den touristischen Bezirken der Stadt ihre Waren anbieten, obwohl darauf Bußgelder zwischen 150 und 6.000 Euro stehen, die jedoch praktisch nicht kassiert werden können. In Valencia, wo vor allem Händler aus dem Senegal tätig sind, ist es der Polizei gelungen, das Phänomen ein wenig zurückzudrängen, doch ganz beseitigen lässt es sich auch hier nicht. In Alicante nahm der unregulierte Straßenverkauf derart überhand, dass das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum EUIPO Protest einlegte. Daraufhin wurde entschiedener gegen den Verkauf von Markenimitaten vorgegangen, doch auch hier gelang es nicht, das Top Manta-Phänomen gänzlich zum Verschwinden zu bringen. Die Stadt San Sebastián an der Biskaya geht wesentlich strenger gegen die Manteros vor und konfisziert deren Waren umgehend, weshalb sie hier nur vereinzelt im Sommer oder in der Osterwoche zu sehen sind. Dagegen hat sich Sevilla für den entgegengesetzten Weg entschieden. Dort sind ganzjährig rund 1.400 Straßenverkäufer auf fünfzehn reglementierten Flohmärkten legal tätig. In Benidorm, Málaga und Cádiz werden an den Strandpromenaden vor allem Getränke und Obst verkauft. In Cádiz verkaufen außerdem viele Fischer irregulär ihren Fang. Bürgermeister José María González, genannt Kichi, zeigt Verständnis für diese Fischer und Händler, die aus der Not heraus auf der Straße verkaufen.
Im europäischen Ausland dagegen – in Großstädten wie Berlin, London und Lissabon – ist das Phänomen praktisch unbekannt. Nur in Paris und Rom gehört der „Top Manta“-Verkauf ebenfalls zum Straßenbild, obwohl man sich in der französischen Hauptstadt bemüht, mit harten Strafen von bis zu sechs Monaten Gefängnis und 3.750 Euro Bußgeld einen Riegel vorzuschieben.
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