Verabredung mit der Vergangenheit in Chirche


Foto: ayuntamiento de guia de isora

In dem kleinen Ort bei Guía de Isora wird einmal im Jahr die Zeit zurückgedreht

Teneriffa – In Reiseführern und Urlaubstipps ist immer wieder die Rede vom „ursprünglichen Teneriffa“. Manche weisen auf kleine Dörfer hin, andere auf Fischerorte an der Küste, wo der Feriengast noch einen Eindruck vom Inselleben vor Einzug der Moderne bekommt. Doch diese Orte werden rar. Der Wandel hat sich großflächig vollzogen – vom Baustil über den Ausbau der Infrastrukturen, der Modernisierung der Landwirtschaftsmethoden bis hin zur Bereicherung der Gastronomie und der Kultur, und selbst in kleinen Ortschaften ist oft nicht mehr viel übrig von dem, was früher das dörfliche Leben prägte.

Die Entwicklung der Inseln in den letzten sechzig bis siebzig Jahren ist erstaunlich. Wer sie miterlebt hat, weiß, wie groß der Unterschied der heutigen Gesellschaft und ihrer Lebensgewohnheiten zum früheren meist bäuerlichen Alltag ist. Einzig unverändert geblieben sind viele Dorffeste und religiös geprägtes Brauchtum.

Im 200-Seelen-Ort Chirche bei Guía de Isora wird jeden Sommer an das Dorfleben in den 40er- und 50er-Jahren erinnert. Am Sonntag, dem 8. Juli lassen die Dorfbewohner die „Tradiciones“ aufleben. Wer gerne einmal in der Nostalgie schwelgen möchte, ist an diesem Wochenende in Chirche richtig. Das Landleben von einst erlebt in diesem pittoresken Ort jeden Sommer eine kurzzeitige Renaissance. Der ganze Ort verwandelt sich in eine riesige Bühne, wo die Bewohner als Laienschauspieler das bäuerliche Leben inszenieren. Ab zehn Uhr morgens erlebt jeder Winkel von Chirche eine Rückkehr in die Mitte des 20. Jahrhunderts. Geschichtsträchtige Häuser und Innenhöfe werden für Besucher geöffnet, die gebeten werden, den Shuttleservice vom Zentrum von Guía de Isora zu nutzen, da die Parkmöglichkeiten in Chirche äußerst begrenzt sind. Der Shuttle fährt zwischen 9.45 und 16.30 Uhr alle 30 Minuten von der Haltestelle gegenüber dem Kommissariat der Guardia Civil ab.

Besucher erleben an diesem Sonntag in Chirche, wie Ziegen gemolken werden, Brot in traditionellen Backöfen gebacken wird, wie die Fischverkäuferinnen handeln und wie die Wäsche im öffentlichen Waschtrog gewaschen wird. Die Guardia Civil patrouilliert in alten Uniformen durch den Ort, es wird Getreide gedroschen und Kaffee geröstet, die Handarbeit der Näherinnen und Stickerinnen gezeigt und die Herstellung des in der Inselgastronomie typischen Getreidemehls Gofio. Wer eine Erinnerung an die Vergangenheit mit nach Hause nehmen möchte, kann in verschiedenen Läden und Häusern Produkte wie Liköre, Honig, inseltypische gefüllte Pasteten – truchas –, Obst, Stoffbeutel und handgefertigte Körbe erwerben.

Um 14.00 Uhr zieht eine Prozession durch den Ort; danach beginnt der fröhlichste Teil des Programms mit dem Dorftanz.

Ein „echtes“ kanarisches Dorf

Chirche liegt nur wenige Minuten von Guía de Isora entfernt in etwa 800 Metern Höhe. Archäologische Spuren lassen den Ursprung der Ortschaft in der Zeit der Ureinwohner, der Guanchen, vermuten. Die jüngere Geschichte dieses Ortes als Dorf geht aber auf die zweiteHälfte des 17. Jahrhunderts zurück. In den Anfängen lebten die Bewohner vorwiegend von der Viehzucht und Trockenkulturen. Sie nutzten so die natürlichen Ressourcen, die ihnen das Land von den Höhenlagen bis zur Küste bot. Die Häuser wurden im 18. und 19. Jahrhundert erbaut. Heute ist ein Teil davon in Unterkünfte für Landtourismus verwandelt worden. Der Ort ist ein schönes Beispiel für den traditionellen kanarischen Baustil und wurde wegen der gut erhaltenen Häuser und seines völkerkundlichen Wertes 2008 zum Kulturgut (Bien de Interés Cultural) erklärt.

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