Vertrauen – nichts anderes!


Gedanken für mich ­– Augenblicke für Gott

Kennen Sie den Regensburger Dom? An dessen Westfassade kann man mit guten Augen ein interessantes Relief bewundern: in einem Schiff (das vergleichsweise viel zu klein geraten ist) sitzt der heilige Petrus, kenntlich an seinen beiden gekreuzten Schlüsseln. „Das Schifflein von St. Peter“ soll natürlich ein Symbol für die Kirche sein, der Petrus sozusagen als Steuermann vorsteht.

Vermutlich hatten die Künstler dieses Reliefs jene Evangelienstelle im Visier, die uns allen vertraut ist. Petrus und die übrigen Jünger befinden sich in einem Boot, weit weg vom Ufer, und ein Sturm macht ihnen das Vorwärtskommen unsagbar schwer.

Das Bild hat auch heute Gültigkeit. Wir können heutzutage durchaus auch von einem „schweren Seegang“ für die Kirche sprechen: religiöse Traditionen haben immer mehr an Bedeutung verloren; Beichte und Gottesdienstbesuch sind merklich zurückgegangen; der Einfluss seitens der Kirchenleitungen ist spürbar geschwunden; kirchliche Moralvorschriften werden eher belächelt, und die innere Distanz zur Institution wird mit immer mehr Kirchenaustritten besiegelt. Kein Wunder, dass manche in der Apostel- und Petrusnachfolge fast schon panisch reagieren. Bisher hat das Schiff „Institution“ so sicher getragen; man konnte sich fest darauf verlassen, mit diesem „Instrument“ ans andere, ans sichere Ufer zu kommen. Aber jetzt scheinen sich immer weniger in diesem Gefährt heimisch und geborgen zu fühlen – könnte es vielleicht sein, dass so mancher Passagier Lecks und morsche Spanten entdeckt hat? Oder könnte es sein, dass auch „Landratten“ schwerwiegende Navigationsfehler bei der Besatzung ausfindig gemacht haben?

Weitere Schreckensmeldungen erreichen die Kommandobrücke: die Laien diskutieren darüber, ob das uralte, für Offiziere gültige Seemannsgesetz, unbeweibt in See zu stechen, nicht aufgehoben werden soll! Mehr noch: Frauen machen sogar Anstalten, die Kommandobrücke zu erklimmen! Das geht ja gar nicht! Das Erschreckendste für Kapitän und Offiziere ist aber: immer mehr Insassen springen aus dem Boot, glauben gar, dass sie irgendein fremdes Floß – oder gar das Wasser direkt trägt! Also gibt es nur eines: die Bordgesetze müssen verschärft werden.

Erstens muss die Irrmeinung, die sich inzwischen eingeschlichen hat, bekämpft werden, man käme auch auf andere Weise zum rettenden Ufer als nur mit dem eigenen Schiff. Zweitens werden – auch gegen den Willen der Passagiere – Offiziere eingesetzt, die in aller Strenge auf geraden Kurs achten, und drittens wird ein Handbuch verteilt, das genau regelt, wie Taue geknüpft, Segel gerefft und der Kompass bedient werden; aber auch, wie man in den Kojen zu liegen hat und wie das Essen eingenommen wird. Manche plädieren auch dafür, die alte Seemanns-Sprache wieder einzuführen, denn nur sie schafft Einheit und Zugehörigkeitsgefühl.

Und wie war das damals, in der Erzählung des Evangeliums? Petrus reagiert völlig anders, als die Kapitäne der heutigen Zeit. Er hat ja erkannt, dass es Jesus ist, der da dem Schiff nahe ist – und so springt er begeistert auf und über Bord. Und siehe da: das Wasser, Symbol für das unermessliche Leben, trägt ihn! Im Vertrauen auf Jesus, der ihm selbst Vertrauen vorlebt, wagt er das Unmögliche. Und dasselbe Wasser, das ja schon das Schiff trägt, trägt nun auch den Petrus! Als er dann aber nicht mehr auf Jesus schaut, sondern auf den hohen Seegang, überfallen ihn Zweifel und Ängste. Beides – also das Gegenteil von Vertrauen – zieht ihm sozusagen den Boden unter den Füßen weg, er beginnt zu schwimmen – und zu sinken.

Gleichgültig, ob diese Geschichte eine nachösterliche Betrachtung oder ein Realsymbol ist, sie ist auf alle Fälle ungeheuer lehrreich für uns, die wir „im gleichen Boot sitzen“.

Vertrauen in Gott allein trägt – Zweifel und Angst müssen zum „Untergang“ führen! Unbedingtes, blindes Gottvertrauen – nicht das Für-Wahr-Halten von Glaubenssätzen – ist Kennzeichen eines echten Jesusjüngers! Was mich aber am meisten an dieser Schriftstelle verblüfft: Petrus rudert nicht prustend und um sich schlagend zum Schiff „Kirche“ zurück, sondern er greift nach der Hand Jesu, der ihm auch sofort wieder Rettung und Halt gibt. Könnte es nicht sein, dass gar manche Menschen, die „über Bord gegangen sind“, „ins Wasser gestoßen“ wurden oder selbst gesprungen sind, ihren Halt in der Liebe Gottes gefunden haben – auch ohne das Schiff?

Und noch eine bedenkenswerte Bemerkung liefert unser Text: „Und als sie ins Boot gestiegen waren, legte sich der Wind“. Allein mit Jesus im Boot, mit seinem Geist und mit seiner Lehre kann Ruhe einkehren; selbst wenn er zu schlafen scheint, wie in einer anderen Geschichte an-klingt, gibt er Sicherheit und Halt.

Diese Evangelienstelle sollte man allen „kleingläubigen Schiffsoffizieren“ zur täglichen Pflichtlektüre machen. Vielleicht würde dann wieder mehr Gelassenheit auf der Kommandobrücke einkehren, weniger Dirigismus und Zentralismus, dafür aber mehr Gott- und Menschenvertrauen!

Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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