Vom Jeans-Paradies zur verarmten Gemeinde

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Der Abstieg von Millares

Valencia – Die 364 Einwohner von Millares, einer kleinen Gemeinde bei Valencia, denken gerne an die Zeit zurück, in der ihre kleine Ortschaft im Weltgeschehen stand. In Millares wurden die Lois-Jeans erfunden und bis 1992 auch hergestellt. Von der 8.000 Quadratmeter großen Fabrik ist heute nur noch eine baufällige Industriehalle übrig.
Damals war die Klimatisierung der Fabrik Tag und Nacht im ganzen Ort zu hören. Die Angestellten arbeiteten rund um die Uhr, viele Geschäfte des Ortes waren bis in die Morgenstunden geöffnet.
Millares liegt versteckt im Außenbezirk von Valencia, weitab von jeglicher Verkehrsverbindung. Als die Lois-Fabrik in den Sechzigerjahren dort mit der Herstellung ihrer weltweit bekannten Jeans begann, bedeutete das nicht weniger als eine „Revolution“ in Zeiten des Franco-Regimes.
Die Gründer von Lois und später auch anderer bekannter Marken wie Caroche, Caster oder Cimarron, waren die Brüder Manuel und Joaquín Merino. Sie hatten zuvor in dem kleinen Familienbetrieb ihrer Eltern geholfen, einem kleinen Laden, in dem die Bewohner von Millares sowohl Lebensmittel als auch Bekleidung und Werkzeuge kaufen konnten.
In den Fünfzigerjahren hatten die Geschwister drei alte Webstühle erstanden. Mit den selbst gewebten Stoffen fertigten sie Kleidungsstücke an, die sie in der ganzen Region ambulant verkauften. Zwei Jahrzehnte später waren sie im Besitz von acht Fabriken und exportierten ihre Erzeugnisse in die ganze Welt.
Sogar die Mitglieder der Popgruppe ABBA standen, mit Lois Jeans bekleidet, vor dem Stockholmer Rathaus Modell.
Ohne kaufmännische Ausbildung, aber dafür mit einem ausgeprägten Geschäftssinn gesegnet, begriffen Manuel und Joaquín schnell die Vorteile der damaligen Konjunktur. Die Bewohner von Millares hatten jahrzehntelang in der Landwirtschaft gearbeitet. Als die Brüder Merino diese Landarbeiter in ihre Fabriken holten, war es üblich, dass diese die ersten zwei Monate ohne Entgelt arbeiteten. Die Einsparung der vielen Gehälter und die Einfuhrsperre für ausländische Produkte in Zeiten des Franco-Regimes führten dazu, dass Lois viele Jahre lang Jeanshosen und -jacken zu erschwinglichen Preisen auf den Markt bringen konnte. Nach der Demokratisierung trat Spanien in den europäischen Markt ein. Die Zollbestimmungen lockerten sich, und eine Vielfalt von Produkten drängte ebenfalls auf den europäischen Markt.
Anfang der Neunziger kauft die Travex-Gruppe die Lois-Fabrik. Arbeiter aus Millares wurden in ein neues Produktionszentrum nach Marokko verlegt. Dort mussten sie örtliches Personal schulen und einarbeiten. Als die neue Fabrik dann funktionsfähig war, wurden die spanischen Arbeitnehmer entlassen.
200 Arbeiter waren damals bei Lois tätig, zwanzig Prozent der gesamten Dorfbevölkerung. Lois hatte für die Bewohner von Millares und der kleinen umliegenden Ortschaften sichere Arbeitsplätze und Wohlstand bedeutet.
Mit der Schließung der Fabrik sahen sich viele Einwohner gezwungen, das Dorf zu verlassen.
Seinerzeit gingen 150 Kinder in die Dorfschule, heute sind es nur noch sechs. Selbst die Tatsache, dass das Rathaus jede Familie pro Kind mit monatlich einhundert Euro unterstützt, änderte nichts an dieser Situation. Lediglich 348 Einwohner sind in die Meldeliste der Gemeinde eingetragen, und nur die Hälfte davon verbringt die Wintermonate in Millares.

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