Wandern und Entdecken

© Michael von Levetzow

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Rundwege mit Museum

Auf den Kanaren ist vieles „Patrimonio“, auch auf Teneriffa. Der Teide-Nationalpark und die Altstadt La Lagunas sind sogar Patrimonio Mundial – Welterbe, einzigartig auf unserem Planeten. Patrimonio ist das gemeinsame Erbe, im engeren Sinne das der Tinerfeños oder aller Canarios, aber eigentlich ist Patrimonio immer zugleich auch ein Erbe aller, wertvoll genug, um entdeckt, gewürdigt und erhalten zu werden, sei es nun Kulturerbe oder Naturerbe. Auf Teneriffa wandernd tauchen wir oft, wahrscheinlich beinahe regelmäßig, in das Patrimonio ein, wobei natürliches und kulturelles Erbe fast immer einander bedingen; denn im Laufe der mehr als zweitausendjährigen Anwesenheit von Menschen auf der Insel sind fast alle Zonen durch menschliche Aktivitäten verändert worden. Fast überall wandern wir nicht in unberührter Natur, sondern in Kulturlandschaften, auch wenn diese allmählich durch Aufgabe der Bewirtschaftung wieder verwildern und naturnäher werden. Wer aufmerksam wandert, stößt immer wieder auf Spuren einstiger Gestaltung und Nutzung – und ist augenblicklich mittendrin im Patrimonio.
Das Ecomuseo von El Tanque finden wir an der Straße von San José de los Llanos zum Puerto de Erjos (TF-373). Los Llanos – die Ebenen – deuten schon an, dass wir es dort je nach unserer Routenwahl mit einem eher bequemen Wandergebiet zu tun haben. Das Gebiet lädt zum entspannten Wandern ein, ist dabei aber keineswegs eintönig, ganz im Gegenteil.
Wer nicht direkt mit dem Auto bis zum Ecomuseo fahren möchte, kann es auch durch eine kleine Wanderung entlang des PR- 51 von San José de los Llanos oder von Erjos aus erreichen. Wo heute das Museum zum kostenlosen Besuch einlädt und seinen Besuchern individuelle Führungen mithilfe einer Smartphone-App ermöglicht, befanden sich bis vor wenigen Jahrzehnten ein paar einfache traditionelle Bauernhäuser. Als deren Bewohner Arbeit im aufstrebenden Tourismus bekamen, wurde alles aufgegeben und verfiel. Auf den alten Grundrissen wurden neue Gebäude im alten Stil errichtet und bieten einen guten Eindruck vom kargen Komfort des früheren Landlebens. Wie dieses aussah, erfährt man sehr anschaulich auf dem Weg durch die Ausstellungsräume.
Die Gegend um das Museum heißt traditionell „Los Partidos de Franquis“. Als Partidos bezeichnete man seit dem 17. Jahrhundert kleine bäuerliche Betriebe in den bergigen Hochlagen von Teneriffas Westen. Die speziellen namensgebenden Partidos gehörten einst der italienischstämmigen Familie der Franci – Franchi – Franquis, deren Vorfahren an der Eroberung der Insel wichtige Anteile hatten und dafür mit großen Ländereien, darunter großen Teilen der Llanos, belohnt worden sind. Sie haben ihr Land nie selbst bearbeitet, sondern kleinbäuerlichen Pächtern zur Erschließung und Bewirtschaftung überlassen. In der Umgebung sind die Flanken vieler uralter und stark verwitterter Vulkankegel von den Spuren ihres Wirkens gezeichnet. Obwohl die Bevölkerung der kleinen Siedlung nie groß und obwohl der Boden fruchtbar und gut mit Wasser versorgt war, waren sie gezwungen, große Flächen zu bewirtschaften. Sie hatten das Land in der üblichen Halbpacht überlassen bekommen und mussten die Hälfte aller Erträge an die Grundherren abgeben. Wer etwas mehr behalten wollte, musste neue Terrassenfelder anlegen. Die terrassierten Vulkankegel sind nicht Ausdruck bäuerlichen Wohlstandes, sondern einer jahrhundertelangen Armut.

© Michael von Levetzow
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Als die Bauern aufgaben und in den Tourismus abwanderten, brachen die bisherigen Einnahmen der Grundbesitzer weg, was sie in den 70er- und 80er-Jahren durch Verkauf der fruchtbaren Böden, vor allem im Süden der Insel, kompensierten. Zurück blieben leer geräumte Tagebaugruben, auf deren lehmigem Grund sich Regenwasser sammeln konnte. Nicht nur die Charcas de Erjos, heute ein bedeutendes Naturschutzgebiet ganz in der Nähe, entstanden so.
Nach dem Museumsbesuch bieten sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite unterschiedlich lange Rundwege an, um die Spuren der bäuerlichen Kultur zu suchen. Der kürzeste von ihnen führt um die gegenüberliegende Montaña Tomaseche, ist aber mit Abstand der interessanteste. Folgen wir nur ein kurzes Stück dem markierten Wanderweg und achten auf den Beginn des ersten, etwas grasigen Weges nach rechts. Er führt direkt auf eine mächtige Kiefer zu, eine der ältesten der Gegend. Im Stamm dieses als Pino de Nica bekannten Baumes erkennt man eine dunkle, an einen gotischen Bogen erinnernde Höhlung. Wir stehen vor einem Pino de Brea, einer Pechkiefer, deren Harz einst zu Pech verarbeitet wurde. Dieser und einige wenige andere Bäume der Umgebung sind deutlich älter als die Mehrzahl der Kiefern hier, die es nicht einmal auf 100 Jahre bringen. Sie wurden erst nach dem Spanischen Bürgerkrieg aufgeforstet, während Pinos de Brea durch die Jahrhunderte nicht gefällt wurden, da ihr Holz nicht als Bauholz taugte.

© Michael von Levetzow
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Dem unmarkierten Weg folgend betreten wir einen aufgelassenen Tagebau, an dessen tiefsten Stellen sich nach ergiebigen Regenfällen Tümpel bilden. Wir sollten entlang dieser Route jede Abzweigung nach rechts nehmen, sonst landen wir in Sackgassen. Bei den Tümpeln sind wir schon etwas zu weit gegangen. Wir wandern zwischen hoch aufgeschossenen Büschen des Sprossenden Zwergginsters (Chamaecytisus proliferus), den man hier „Escobón“ nennt. Der endemische Strauch wird und wurde wegen seiner eiweißreichen, nahrhaften Zweige gern als Ziegenfutter verwendet. Trotz des Ackerbaus bildeten Ziegen und Schafe das Rückgrat bäuerlicher Existenz. Man erntete die jungen Zweige und ließ die immer dicker werdenden Stämme stehen, damit sie wieder ausschlugen. Heutzutage erkennen wir an der Größe der Büsche, dass hier niemand mehr erntet, weil es keine Viehhaltung mehr gibt. Die Menge der Büsche zeigt zugleich anschaulich die Größe der damaligen Herden. Auch das ist Patrimonio.
Michael von Levetzow
Tenerife on Top

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