Wandern und Entdecken: Zwischen Jahrtausenden wandern


Der Teide-Nationalpark ist UNESCO-Weltnaturerbe, der älteste Nationalpark auf den Kanarischen Inseln, der meistbesuchte Nationalpark Europas, einmalig wegen seiner Landschaften, einzigartig wegen seiner Pflanzenwelt, ein äußerst sensibles Gebiet, gefährdet. Seit er 1954 gegründet wurde, verzeichnet der Teide-Nationalpark jährlich neue Besucherrekorde. Inzwischen staunen täglich mehr als 10.000 Menschen über die ungewöhnliche Welt hoch über den Wolken. Überwiegend kommen sie in Bussen, vertreten sich an ein oder zwei Hotspots des Massentourismus die Beine und machen ihre Fotos. Es gäbe eigentlich unendlich viel zu zeigen und zu erklären, bleibt aber den meisten Besuchern vorenthalten. Wesentlich kleiner ist die Fraktion der Wanderer, die den Park geführt oder auf eigene Faust erkunden. Das bietet Gelegenheit, manches näher zu betrachten, falls man nah genug herankommen kann. Denn im gesamten Nationalpark gilt ein striktes Wegegebot. Querfeldein zu laufen ist nicht erlaubt und kann schädigen. So urtümlich und kraftvoll diese Landschaft aussieht, so empfindlich ist sie. Und gäbe es nicht die Arbeitstrupps der Parkverwaltung, die täglich die von Besuchern hervorgerufenen Schäden reparierten und daneben auch den zurückgelassenen Müll einsammelten, der Park sähe längst nicht mehr so fotogen aus, wie wir ihn immer wieder erleben. 

Seine weltweit einmalige Landschaft war nur ein wichtiger Grund, den Teide-Nationalpark zum Weltnaturerbe mit der höchstmöglichen Schutzkategorie zu erklären. Die Gegend ist auch von besonderem wissenschaftlichem Wert. Vor allem die geologischen Verhältnisse suchen ihresgleichen. An diesem Ort ist alles zu erkennen, was zur vollständigen Entwicklung einer Vulkaninsel gehört, die sich mitten im Ozean aus der Tiefsee erhebt. Und das gibt es auf unserer Erde nur hier. Der Pico del Teide ist nämlich nicht nur der höchste Punkt Teneriffas und ganz Spaniens, sondern auch aus vulkanologischer Sicht das letzte Entwicklungsstadium, das solch ein aktiver Inselvulkan erreichen kann. Im Gegensatz zu allen anderen, mehr oder weniger lange erloschenen kanarischen Vulkanen ist der Teide noch aktiv und stößt in seinem Gipfelbereich heiße Gase aus, die darauf hinweisen, dass sich tief unter ihm flüssiges Magma befindet, aus dem Schwefelgase und vor allem Wasserdampf entweichen.

Gemessen an der ganzen Insel und vor allem seiner näheren Umgebung ist der Teide ziemlich jung. Seine Anfänge liegen erst 175.000 Jahre zurück. Teneriffa selbst ist dagegen schon zwölf Millionen Jahre alt und in dieser Zeit immer höher gewachsen und parallel dazu durch kleinere, mittlere und größere, sowie aber auch gigantische Erosionsvorgänge ständig wieder abgetragen worden. Das letzte dieser Mega-Ereignisse leitete vor 175.000 Jahren die Entstehung der Landschaft, so wie wir sie heute erleben, ein. Davor wölbte sich über dem gesamten aktuellen Parkgebiet die Kuppel eines älteren Vulkans, der viel breiter und im Verhältnis flacher als der heutige Teide war. Seine Höhe kann man nur schätzen; wenigs­tens so hoch wie der Teide dürfte er sicherlich gewesen sein. Manche Geologen vermuten deutlich mehr. Dieser oftmals als Prä-Caldera-Vulkan bezeichnete Riese brach damals unter seinem eigenen Gewicht zusammen und stürzte in der Gegend von Icod de los Vinos ins Meer. Der dabei entstandene Schuttfächer auf dem Meeresgrund vor der Nordküste Teneriffas ist bis zu 20 km breit und 105 km lang. Die Reste des Prä-Caldera-Vulkans bilden heute die bis zu 500 m hohen Steilwände, die die Cañadas del Teide umschließen. Ihr Gestein ist etwa 200.000 Jahre alt. Die Geröllhalden an ihrem Fuß sind das Ergebnis wesentlich kleinerer, aber stetiger Erosionsvorgänge und zeigen zugleich an, dass durch sie die ursprüngliche Abbruchkante während der letzten 175.000 Jahre in der Regel weiter nach hinten verlagert worden ist.

Wahrscheinlich begann die Entstehung des Teide im Zentrum dieses überdimensionalen Amphitheaters bereits unmittelbar im Anschluss an den großen Bergrutsch. Wie viele Ausbrüche er seitdem hatte, weiß niemand. Sicher aber ist, dass ein Teil der Lava aus seinem Krater nach Norden zum Meer floss und die entstandene Lücke nach und nach wieder auffüllte, sodass man bei Icod de los Vinos kaum noch erkennen kann, dass hier einst eine tiefe, bis zu acht Kilometer breite Rinne von den Höhen der Cañadas bis zur Küste reichte. Aber noch heute ist dieser Hang zwischen der Playa de San Marcos und der Spitze des Teide sehr steil. Ganz anders ist es auf der gegenüberliegenden Seite zwischen dem Fuß des Teide und den Steilwänden des Cañadas-Zirkus. Zwar prägen auch hier zahlreiche zerklüftete Lavaströme das Bild. Sie sind nahezu unpassierbar, schwerstes Gelände für Wanderer und auch gefährlich. Aber aus der Distanz oder aus der Höhe betrachtet, wirkt diese Zone nahezu waagerecht. Das liegt daran, dass die Lava des Teide auf dieser Seite nur bis an die Steilwände fließen konnte. Die Wände selbst wirkten wie große Staumauern, vor denen sich Lava-Seen bildeten, die nach dem Erkalten zu den heutigen Ebenen wurden. Daher finden wir auch die meisten Wanderwege des Nationalparks am Fuß der Abbruchkanten. So war das schon immer, seit Menschen die Insel besiedelt haben. Schon die Guanchen hatten dort ihre Wege.

Michael von Levetzow 

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