Weihnachten – Packungsbeilage beachten!


Gedanken für mich – Augenblicke für Gott

Wir alle kennen den nervigen Spruch aus der Arzneimittelwerbung: „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie bitte die Packungsbeilage oder fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker!“ Wer sich dann aber wirklich auf die Pa­ck­ungsbeilage einlässt, der bekommt oft einen riesigen Schrecken.

Die Liste der Risiken und Nebenwirkungen ist mitunter ellenlang, weshalb man das Medikament am liebs­ten ganz schnell in der Mülltonne entsorgen möchte. Was um alles in der Welt hat sich mein Arzt da eigentlich gedacht?

Nun hat Weihnachten aber auch eine Packungsbeilage. Dieses Fest trägt nämlich auch Risiken in sich und kann tief greifende Nebenwirkungen haben, obwohl wir es mit Bezeichnungen wie „Fest der Liebe“ oder „Fest des Friedens“ ganz gern zu entschärfen versuchen. Die Packungsbeilage ist auch hier immens lang; sie umfasst immerhin 27 Schriften des Neuen Testamentes. Und die Konsequenzen daraus, die sind mehr als gefährlich. Da darf man sich durchaus fragen: Ja, was hat sich Gott da eigentlich gedacht?

Bei Jesu Geburt erinnere ich mich an den Satz: „Bei euch soll es nicht so sein wie bei all den anderen Machthabern dieser Welt.“ Und was bitte schön ist bei uns wirklich anders? Natürlich zeigen wir als Kirche ganz gern auf all jene, die in unseren Augen für die Ungerechtigkeiten dieser Welt Verantwortung tragen: Politiker, Wirtschaftsgrößen, Börsenspekulanten usw.

Aber was ist mit uns selbst? Wenn wir für eine Generation der Menschheit 25 Jahre zugrunde legen, dann war für jede der 80 nachchristlichen Generationen die Nachfolge Jesu immer ein Risiko. Die gefährlichen Nebenwirkungen seines Wortes erfordern nämlich eine Kirche, die nicht nur mit dem Finger auf andere zeigt, sondern die sich wirklich als Alternative präsentiert. Erwartet wird eine Gemeinde, die anders lebt; ja, die sich notfalls sogar ins Abseits stellen lässt und die Christen sucht, die zum Sand im Getriebe einer allzu selbstgerechten Gesellschaft werden. Doch wer will heutzutage schon der „Andere“ sein? Da schwimmen wir – auch als Christen – nach Weihnachten doch ganz schnell wieder auf der Welle des Üblichen und Gewöhnlichen mit. Oder nicht?

„Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein. Alles andere ist vom Bösen.“ Wenn ich das Kind in der Krippe andächtig betrachte, dann muss ich mir auch dieses Wort, welches er später als junger Mann gesprochen hat, vor Augen halten. Wie oft ertappen wir Persönlichkeiten – seien es Sportler, Politiker, Schauspieler usw. – denen ein Fehlverhalten nachgewiesen wird, wie sie alles abstreiten und zunächst einmal auf andere zeigen. Und mir kommt dann in den Sinn: Ja, wir alle haben es von Kindesbeinen an geübt, eigene Fehler zu verdrängen, zu vertuschen, zu leugnen. Die Würdenträger unserer Kirche verhalten sich da kein Haar anders. Wie oft ist ihnen das Risiko der Wahrheit zu groß; weshalb sie sich lieber auf den „holden Knaben“ in der Krippe einlassen und ganz schnell vergessen, dass dieses Kind längst erwachsen ist und zu den großen Worten auch die entsprechenden Konsequenzen einfordert.

Jesus sagt auch: „Richtet nicht, dann werdet auch ihr nicht gerichtet.“ Wieder so ein gefährliches Wort mit Nebenwirkungen. Wie sehr leben wir aus vorgefertigten Meinungen heraus; wie schnell bestimmen Vorurteile unser Denken und Reden oder wie leicht geht uns ein Urteil oder eine Verurteilung über die Lippen. Wer die Packungsbeilage liest, stellt fest, dass er sich jedes Mal selbst dabei schadet: Wir engen uns ein, wir blockieren uns, grenzen aus oder stoßen ab. Die Konsequenzen daraus: Wir zimmern uns unser eigenes Gericht, statt uns der Güte und dem Erbarmen Gottes zu überlassen.

Und ein letztes Beispiel. Jesus sagt: „Was ihr einem der Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan.“ Sicherlich: Nirgendwo sonst wird so viel gespendet, wie in den deutschsprachigen Ländern. Das ist ein Lob wert und soll hier gar nicht „madig“ gemacht werden. Aber ist es nicht oft so, dass wir uns durch eine Spende dem Kind in der Krippe gegenüber großzügig erweisen wollen, um uns nachher leichter der dauerhaften Konsequenz seiner Botschaft zu entziehen? Frei nach der Überlegung: Wir kaufen das Medikament, aber wir nehmen es nicht ein!

Ich will Ihnen Weihnachten nun keinesfalls vermiesen. Gott bewahre. Aber wegen all dieser Risiken und Nebenwirkungen (und die Liste ist ja noch viel, viel länger) besteht in meinen Augen oft die Gefahr, dass wir das „Heilmittel“ Frohe Botschaft und damit seinen Sinn und seine Wirkung ganz vergessen. Gott kam in unsere Welt, um uns Menschen heil und gesund zu machen. Deswegen wird das Kind in der Krippe, der Sohn Gottes, auch „Heiland“ genannt. Heil ist aber mehr als „nur“ gesund. Wir sagen und denken zwar ständig „Hauptsache gesund“. Aber für Jesus Christus ist die Hauptsache nicht die Gesundheit, sondern das Heil. Das meint den gan­zen Menschen. Auch der kranke Mensch, der behinderte und geschundene Mensch kann im Sinne Jesu heil sein – weil ausgerichtet auf ihn, das ewige und endgültige Ziel. Erst dort wird sich das Medikament dann ausgewirkt haben, wird es ein „Leben in Fülle“ für uns alle geben.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein Weihnachtsfest, bei dem uns die Packungsbeilage nicht davon abhalten soll, ganz dem zu vertrauen, der da für uns geboren wurde. Feiern wird das Kind in der Krippe, aber feiern wir vor allem die Botschaft, die es uns als Erwachsener geschenkt hat und vertrauen wir uns und unser Leben dem Heiland der Welt an, dann wird auch 2010 ein segensreiches Jahr für uns werden.

Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

Diesen und frühere Artikel können Sie nachlesen unter: www.katholische-gemeinde-teneriffa.de oder www.wochenblatt.es

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