Die Experten prophezeien negative Folgen für den Immobilienmarkt, den Tourismus-Sektor und die Freizügigkeit
Die Briten haben sich am 23. Juni für den Austritt aus der EU entschieden. Der Austritt des zweitgrößten Wirtschaftsmarktes aus der Europäischen Union wird nicht nur das Land selbst, sondern auch die Gemeinschaft an sich vor große Herausforderungen stellen.
In Spanien wird sich der Brexit vor allem durch die Entwertung des Pfundes und die damit einhergehende Minderung der Kaufkraft der Briten im Bereich des Immobilienmarktes, des Tourismus und der Freizügigkeit negativ auswirken. Auch die britischen Residenten in Spanien und die in Großbritannien tätigen spanischen Unternehmen fürchten die Auswirkungen.
Weniger Kaufkraft
Das Ergebnis der Volksabstimmung über einen Austritt aus der EU wird für Turbulenzen auf den Märkten sorgen. Aufgrund der Unsicherheit werden die Investoren vor dem Kauf britischer Werte zurückschrecken, was wiederum das Britische Pfund schwächen und für Inflation sorgen wird. Die Briten werden an Kaufkraft verlieren. Zu diesem Schluss kommen fast alle Experten, unter anderem die des Internationalen Währungsfonds (IWF).
Die Minderung der britischen Kaufkraft wird unter anderem den Immobilienmarkt treffen. Im vergangenen Jahr hatten die Briten mit 21% den größten Anteil unter den ausländischen Käufern von spanischen Immobilien. Der Immobilienberater José Luis Ruiz Bartolomé bestätigte gegenüber der Zeitung El País: „Wir haben das bereits stark bei Beginn der Wirtschaftskrise gespürt. Irgendwann verlor das Pfund an Wert, und infolgedessen reduzierte sich die Nachfrage nach Immobilien an der Küste erheblich.“
Auf den Tourismus-Sektor wird sich die Minderung der Kaufkraft ebenfalls spürbar auswirken. Schließlich führen die Briten beispielsweise das Ranking der ausländischen Passagiere an, die auf spanischen Flughäfen landen. Im vergangenen Jahr handelte es sich bei jedem vierten Fluggast, der spanischen Boden betrat, um einen Briten. 2015 beliefen sich die Ausgaben der Briten in Spanien auf 14,507 Milliarden Euro. Eine Minderung der Kaufkraft dieser Urlaubergruppe wird sich sowohl in den Urlauberzahlen als auch auf die Einnahmen im Tourismus-Sektor niederschlagen.
Rentner, Studenten und Unternehmen betroffen
Zwar gehen die Experten davon aus, dass Großbritannien mit der Europäischen Union ein Handelsabkommen schließen wird, um den freien Verkehr von Kapital und Waren zu ermöglichen, doch wird aller Voraussicht nach die Freizügigkeit beschnitten werden. Zwar scheint die Einführung einer Visumpflicht für Reisen zwischen der EU und Großbritannien, die von einigen Kommentatoren bereits debattiert wurde, als unwahrscheinlich, anders sieht es hingegen im Falle von längeren Aufenthalten und bei Aufnahme einer entgeltlichen Tätigkeit aus. Die Einführung einer Aufenthaltsgenehmigungs- und Arbeitserlaubnispflicht gilt allerdings schon als wahrscheinlicher. Was wiederum die rund 200.000 Spanier betrifft, die in Großbritannien leben. Bei einem Teil handelt es sich jedoch um Studenten, die kleineren Jobs nachgehen.
Die mehr als 300.000 britischen Residenten in Spanien, größtenteils Rentner, sehen insbesondere ihren Zugang zur öffentlichen Gesundheitsversorgung Spaniens gefährdet (das Wochenblatt berichtete). Experten des Immobiliensektors prophezeien darüber hinaus einen bedeutenden Rückgang der britischen Nachfrage an spanischen Immobilien, insbesondere im Bereich der bislang äußerst gefragten Küstengebiete.
Die spanischen Konzerne, die in den vergangenen Jahren nach Großbritannien expandierten, spürten die Folgen des Brexit bereits am Folgetag des Referendums. Die Kurse von Banco Santander, Ferrovial, Telefónica, Sabadell, IAG und Iberdrola – den am stärksten in Großbritannien tätigen Unternehmen – brachen teilweise um bis zu 20% ein. Die Abwertung des Pfundes wird zur Folge haben, dass sowohl das Kapital als auch bei Rückführung der Gewinne nach Spanien diese an Wert verlieren. Die Konzerne zeigten sich bemüht, die Gemüter zu besänftigen. Es hieß, zwar werde das Pfund an Wert verlieren, gleichzeitig aber auch die Verbindlichkeiten. Der „Runde Tisch der Industrie“ (Mesa Redonda Industrial, MRI), in dem 50 Vorstandsmitglieder der größten spanischen Unternehmen vertreten sind, bedauerte das Ergebnis des Volksentscheides. Nun gehe es darum, entsprechende Handelsabkommen auszuhandeln und neue Allianzen zu schließen. Die spanischen Unternehmen halten in Großbritannien Investitionen in Höhe von 60 Milliarden Euro und werden in dieser Hinsicht nur von Frankreich mit 127 Milliarden Euro und Deutschland mit 94 Milliarden Euro übertroffen.
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