Sie halten das Kunstprojekt in physikalischer, kultureller, anthropologischer und wirtschaftlicher Hinsicht für nicht umsetzbar
Spätestens als die kanarische Regierung im Januar dieses Jahres bekannt gab, dass der kanarische Regierungspräsident und der Cabildo-Präsident Fuerteventuras mit Vertretern der Familie Chillida die Rahmenvereinbarung für die Umsetzung des Tindaya-Projektes getroffen haben, ist klar, dass die Regierung an den Plänen festhält und dieser Kelch wohl nicht an Fuerteventura vorübergehen wird.
Wohlwollend betrachtet und unterstützt wird das Vorhaben fast ausschließlich von Inselpolitikern, die – wie sich Wissenschaftler und Experten wundern – hartnäckig daran festhalten und die Aushöhlung des Berges unbedingt umsetzen wollen. Dabei spricht viel mehr dagegen als dafür.
Nun haben sich Dozenten verschiedener spanischer Universitäten, einige davon von Teneriffa, und Wissenschaftler zusammengeschlossen, um gegen das Projekt vorzugehen. Sie haben ein Manifest verfasst, das parallel an beiden kanarischen Universitäten öffentlich gemacht und anschließend an die kanarische Regierung und das Cabildo von Fuerteventura geschickt wurde, in dem sie ihre Gegenargumente vorbringen und begründen. Anerkannte Persönlichkeiten wie Wolfredo Wildpret de la Torre, emeritierter Direktor des Departamento de Biología Vegetal an der Universität La Laguna und José Gómez-Soliño, ehemaliger Rektor der Universität Las Palmas de Gran Canaria, engagieren sich gegen das Tindaya-Projekt. Sie und ihre Kollegen sind der Ansicht, dass es in physikalischer, kultureller, anthropologischer und wirtschaftlicher Hinsicht nicht umsetzbar ist und bezeichnen die Sturheit, mit der die Regierung die Durchführung verfolgt unter anderem als „brutale Attacke“ auf den ökologischen und kulturellen Wert dieses Berges und seiner Umgebung. Fast 200 Unterschriften bekräftigen die Ablehnung des Projektes. Kunsthistoriker, Maler, Bildhauer, Archäologen, Biologen, Ingenieure, Geografen, Studenten, sie alle sind gegen das sogenannte „Proyecto monumental de Tindaya“ und fragen sich, warum ein Monument zerstört werden soll, um ein anderes zu bauen.
Constantino Criado, Dozent für Geographie an der Universität La Laguna, bezeichnet das Projekt schlichtweg als „Attentat auf ein Naturdenkmal und glatten Unsinn“. Als Experte und angesichts der Beschaffenheit des Gesteins zweifelt er an der technischen Durchführbarkeit des Chillida-Projektes. Um im Inneren des Vulkankegels den geplanten quadratischen Leerraum zu schaffen, müssen seinen Berechnungen zufolge mindestens 25 Kubikmeter Gestein aus dem Inneren des Berges entfernt werden. Nicht nur, dass diese Dimensionen von 50x50x50 Metern Hohlraum geradezu kolossal seien und das ganze Vorhaben gegen physikalische Grundlagen verstoße, auch seien die Vibrationen der Baumaschinen zu bedenken, wenn mit der Aushöhlung begonnen wird.
José Díaz Cuyás, Dozent für Bildende Kunst an der Uni La Laguna, erklärte, dass das heutige Projekt auch aus künstlerischer Sicht kontrovers sei, da es nicht mehr den Originalplänen des verstorbenen Künstlers entspreche. Dieser habe von einem großzügigen, lichtdurchfluteten und zugänglichen Hohlraum im Inneren des Berges geträumt, die aktuellen Entwürfe aber sehen einen von Säulen gestützten würfelförmigen Raum im Parthenon-Stil vor.
Francisco Castro, vom Umweltverband Ben Magec, von dem die Initiative für das Manifest der Wissenschaftler ausging, bezeichnete die für Tindaya nötige Investition von etwa 76 Millionen Euro als „Geldverschwendung“.
Der heilige Berg
Der 400 Meter hohe Tindaya wurde von den Ureinwohnern Fuerteventuras einst als magischer Ort verehrt und wird von der Bevölkerung bis heute als „montaña sagrada“ (heiliger Berg) angesehen. Der Vulkankegel gehört zum Naturpark Dunas de Corralejo im Norden.
Den Traum, einen Hohlraum im Inneren des Berges zu schaffen, bezeichnete der Schöpfer der Idee einst selbst als „utopisch“. Ein „Museum im Berg“ war ein lang gehegter Traum des 2002 verstorbenen Künstlers. Auf Fuerteventura stieß er auf den seiner Meinung nach idealen Ort für die Verwirklichung seiner Vision: Tindaya.
Das „Tindaya-Projekt“ war nach seiner eigenen Aussage der große Lebenstraum Eduardo Chillidas. Gleichzeitig handelt es sich auch um das umstrittenste künstlerische Projekt der Kanarischen Inseln.
Kritiker bezeichnen das Projekt gern als „schizophrene Idee“ und Umweltschützer kämpfen seit Jahren dagegen. Die auf den Inseln regierende nationalistische Partei Coalición Canaria hingegen bemüht sich – unbeeindruckt von dem heftigen Widerstand – um die Machbarkeit des visionären Projektes. Man verspricht sich davon eine neue Touristenattraktion für die Insel. Das Millionenprojekt soll ein kultureller Anziehungspunkt werden.
Eduardo Chillida (* 1924 in San Sebastián; † 2002 San Sebastián) war ein baskischer Bildhauer und Zeichner. Er wird zu den bedeutendsten Bildhauern des 20. Jahrhunderts gezählt. Bekannt wurde er vor allem durch große Skulpturen mit raumgreifenden Strukturen (unser Archivbild zeigt den Künstler 1996 vor seinem Werk „Peine del Viento“ in San Sebastián).
Chillida studierte in Madrid Architektur, besuchte später die private Kunstakademie Círculo de Bellas Artes. 1948 zog er nach Paris, wo er sich ein Atelier einrichtete. Hier formte Chillida erste figürliche Plastiken aus Gips und Ton. 1951 kehrte Chillida nach San Sebastián zurück.
Ab 1956 schuf er abstrakte Eisenplastiken monumentalen Ausmaßes und Gewichts. Sein zentrales Thema war der Raum und seine Metamorphosen. Er wurde mit zahlreichen internationalen Kunstpreisen ausgezeichnet.
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