Worte und Taten


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„Lichtblicke“ der deutschen Seelsorger auf Teneriffa – diesmal von Pfarrer Roland Herrig, Evangelische Gemeinde Teneriffa Süd

Ich mache was mit Worten. So könnte ich meinen Beruf beschreiben. Manche machen was mit Medien. Andere machen was mit Menschen. Ich mache was mit Worten.

Das verbindet mich mit Journalisten, Dichtern und Liedermachern, aber auch mit Juristen und Politikern: Wir machen was mit Worten: Wir schreiben Artikel, Gedichte und Schriftsätze. Wir halten Predigten und Reden. Wir führen Gespräche und sprechen Gebete. Und immer sind es nur Worte.

Normalerweise sind wir skeptisch gegenüber bloßen Worten: „Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehen“, sagt der Theaterdirektor im Vorspiel zu Goethes Faust. Und dieser Meinung sind wir oft genug auch: Es werden so viele Worte gemacht, und wir sehen so wenige Taten. Gerade auch im Politischen, das sich offenbar in Talkshows, Absichtserklärungen und Wahlkampfreden erschöpft, die konkrete Tat aber meistens vermissen lässt.

Der Witz bei Goethes Theatervorspiel ist, dass die folgenden Taten auch nicht viel mehr als Worte sind: eben die Aufführung dessen, was der Dichter gedichtet hat.

Vielleicht unterschätzen wir ja, was Worte vermögen. Die Worte von Politikern zum Beispiel: „Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich.“ Gestammelte Wor-

te haben Weltgeschichte geschrieben. Die Worte eines Richters zum Beispiel: „Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil…“ Die Worte vor dem Standesbeamten oder dem Pfarrer: „Ja, ich will.“ Und irgendwann davor schon die Worte: „Ich liebe dich!“ Worte erschaffen eine Wirklichkeit. Aus Worten werden Tatsachen. Sie lassen sich nicht rückgängig machen.

Die Kehrseite kennen wir auch: Mit einem falschen Satz oder auch nur einem falschem Wort hat sich mancher schon um Kopf und Kragen geredet. Da hat ein älterer Politiker einer jüngeren Journalistin zu vorgerückter Stunde was Anzügliches über Dirndl gesagt, und schon war er so gut wie erledigt. Durch einen unbedachten Satz sind schon langjährige Beziehungen kaputtgegangen. Unlängst war jemand nicht einverstanden mit Worten, die ich gesagt bzw. geschrieben hatte, und nun kommt er nicht mehr in unseren Gottesdienst und spricht nicht mehr mit mir.

Wir sollten die Macht von Worten nicht unterschätzen. Worte entscheiden über Krieg und Frieden, über Leben und Tod, über Liebe und Hass.

Wir machen was mit Worten. Wir alle; nicht nur Pfarrer, Dichter oder Politiker. Sobald du deinen Mund auftust oder Buchstaben tippst, machst du etwas mit Worten: Du verletzt oder du heilst. Du schürst Hass oder du schaffst Verständnis. Du machst schlau oder du machst dumm. Du bewirkst Fluch oder Segen.

„Im Anfang war das Wort“, sagt die Bibel, und sie meint Gottes Wort. Gott macht was mit Worten. Er spricht, und erschafft mit seinem Wort ein Universum. Er spricht, und gibt mit seinem Wort unserem Leben Sinn und Hoffnung. Er spricht, und macht mit seinen Worten alles gut.

Roland Herrig

Evangelische Kirche

Gemeinde Teneriffa Süd

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