Zitterpartie um Ferienprogramm für Flüchtlingskinder


© ACAPS

Das Projekt „Ferien in Frieden“ steckt in ernsten finanziellen Schwierigkeiten

Seit Anfang 1987 bekommen jeden Sommer mehrere Hundert Kinder aus den Flüchtlingslagern der Westsahara ein besonderes Geschenk: Sie dürfen der schlimmen Hitze und den harten Lebensbedinungen in den Wüstengebieten während der Sommermonate entfliehen.

In ganz Spanien nehmen Gastfamilien zwischen Juli und September saharauische Ferienkinder bei sich auf und bieten ihnen „Ferien in Frieden“, eine gesunde und vielseitige Ernährung, ermöglichen Arzt- und Zahnarztbesuche und verwöhnen die Kinder mit Dingen, die für unsereins selbstverständlich, für diese Wüstenkinder jedoch purer Luxus sind, wie neue Schuhe, Kleidung, Schulmaterial und Spielzeug.

Auf den Kanarischen Inseln wird das Projekt „Vacaciones en Paz“ seit Beginn der 90er Jahre umgesetzt.  Dank dieses solidarischen Projektes können jedes Jahr Dutzende Kinder im Alter zwischen sieben und zwölf Jahren dem unerträglichen Sommer in den saharauischen Flüchtlingslagern in Algerien entfliehen. Sie dürfen zumindest für kurze Zeit die Armut in ihrer notgedrungenen Exil-Heimat vergessen. Nun droht dem Projekt durch Finanzierungsprobleme das Aus.

Bereits im vergangenen Jahr hatte der kanarische Verband der Freunde des saharauischen Volkes ( „Asociación Canaria de Amistad con el Pueblo Saharaui“, kurz Acaps) enorme Schwierigkeiten, das Projekt am Leben zu halten (das Wochenblatt berichtete). Schließlich schlossen sich die Gastfamilien zusammen und übernahmen die zusätzlichen Kosten, die durch die gestrichene Finanzierungshilfe vonseiten der kanarischen Regierung entstanden. So wurde der Traum von „Ferien in Frieden“ auf den Kanarischen Inseln im Sommer 2012 schließlich für 160 Kinder doch noch wahr.

Ein Jahr ist nun vergangen, und die Lage hat sich nicht im Geringsten gebessert. Im Gegenteil. Acaps schuldet der algerischen Airline Air Algérie mittlerweile über 150.000 Euro und Acaps-Vizepräsident Alberto Negrín hält es für fragwürdig, dass die Fluggesellschaft die Flüge in diesem Jahr durchführen wird, wenn nicht ein Teil dieser Schulden beglichen wird.  Hinzu kommen die Kosten des diesjährigen Ferienprojektes – etwa 140.000 Euro. „Das Projekt wird von den Gastfamilien am Leben gehalten, denn von öffentlicher Seite gibt es keinerlei Unterstützung mehr“, bedauerte Negrín im Gespräch mit einer Inselzeitung. Dennoch bleibe man zuversichtlich und hoffe, dass das Projekt – zumindest dieses Jahr noch –  verwirklicht werden kann. Dies hängt von den Verhandlungen mit der Airline ab, denn das größte Problem sind die enorm hohen Reisekosten.

Horrende Reisekosten

Die Kinder müssen auf Anordnung der algerischen Behörden mit der Airline Air Algérie reisen. Der Flug auf die Kanaren, der auf der direkten Route über marokkanisches Staatsgebiet sehr kurz wäre, führt jedoch von Tindouf über Algier (Zwischenlandung) und die Meerenge von Gibraltar. Marokko untersagt die Nutzung seines Flugraumes. Bei der Betrachtung der Strecke Tindouf-Algier-Gibraltar-Kanarische Inseln auf der Karte wird der große Umweg deutlich, der dadurch gemacht werden muss. Im vergangenen Jahr lag der Ticketpreis pro Kind bei 950 Euro.

Acaps hofft, diesen Sommer zumindest 145 saharauische Kinder in der ersten Juliwoche nach Teneriffa bringen zu können. Zwanzig Kinder werden bei Gastfamilien auf La Palma untergebracht.

Endloser Konflikt

Seit 37 Jahren gilt die Westsahara als integraler Bestandteil des Königreichs Marokko. Nach der Beendigung der spanischen Kolonialzeit 1975 annektierten Marokko und Mauretanien das Gebiet. Die bereits zu spanischen Kolonialzeiten entstandene Befreiungsfront der Saharauis, „Frente Polisario“, kämpft seither für einen unabhängigen Staat.

Der bewaffnete Konflikt zwischen der „Frente Polisario“ und Marokko, der Tausende Saharauis zur Flucht nach Algerien zwang, wurde erst 1991 mit einem Waffenstillstandsabkommen beendet. Die von den Vereinten Nationen geforderte Durchführung eines Referendums über den endgültigen völkerrechtlichen Status des Gebietes Westsahara kam allerdings nie zustande, und der Konflikt ist weiter ungelöst.

Gegenwärtig leben immer noch über 180.000 Saharauis in den vier Flüchtlingslagern nahe der Stadt Tindouf in der algerischen Sahara. Sie sind beinahe vollständig von Hilfslieferungen abhängig. Die Kinder, die in diesen Flüchtlingscamps aufwachsen, haben keine guten Zukunftsperspektiven. Ihnen mangelt es an gesunder Ernährung, medizinischer Versorgung, Bildungsmöglichkeiten und vielem mehr. Während ihrer zweimonatigen Sommerferien bei kanarischen Gastfamilien lernen einige dieser Kinder ein „normales“ Leben kennen, werden ärztlichen Untersuchungen unterzogen und gegebenenfalls behandelt.

Auf den Kanarischen Inseln fühlen sich viele Menschen durch die Geschichte und die geografische Nähe des Archipels zur afrikanischen Küste bzw. zur Westsahara besonders mit dem saharauischen Volk verbunden.

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