Zu wenig Plätze für minderjährige Flüchtlinge


Dieses Immigrantenboot beförderte 30 Personen, von denen 18 angaben, minderjährig zu sein. Fischer entdeckten das Boot am 10.10. und schleppten es nach La Santa ab. Foto: EFE

Insbesondere auf Lanzarote mangelt es an Unterbringungsmöglichkeiten

Kanarische Inseln – Die schwere Flüchtlingskrise kurz nach der Jahrtausendwende – 2006 erreichten fast 32.000 illegale Einwanderer die kanarischen Küsten – hatte die Region damals an die Grenzen gebracht. Der spanische Staat zog Konsequenzen, richtete ein Früherkennungssystem (SIVE) ein, um Flüchtlingsboote rechtzeitig auszumachen und hat bei diversen afrikanischen Staaten eine Verschär­fung der Küstenkontrollen erreicht. In den letzten Jahren verliefen die Flüchtlingsrouten hauptsächlich über das Mittelmeer. Aufgrund des hohen polizeilichen und militärischen Einsatzes ist es für die Schleuser-Mafia jedoch immer schwieriger geworden. Nun weichen die Flüchtlingsboote wieder zunehmend auf andere Routen aus, darunter die Route auf die Kanaren.

In den ersten neun Monaten erreichten 659 Flüchtlinge die kanarischen Küsten, 522 bzw. 381% mehr als im Vorjahreszeitraum. Nach Bekanntgabe dieser Daten Anfang Oktober, nahm die Zahl der sogenannten Pateras, die insbesondere Lanzarote und Fuerteventura erreichten, erneut zu. Innerhalb von acht Tagen waren es neun mit 182 Menschen an Bord. Die Flüchtlingsboote kamen insbesondere von der marokkanischen Küste, die Immigranten hatten der Mafia bis zu 1.500 Euro für die Überfahrt gezahlt. Dabei erhielten sie tagelang weder Trinkwasser noch Nahrung, wie sie später berichteten.

Viele behaupteten, minderjährig zu sein, was die Behörden vor eine große Herausforderung stellte. Für erwachsene Flüchtlinge sind genügend Plätze in den Zentren vorhanden, doch Unterbringungsmöglichkeiten für Minderjährige, die beschützt werden müssen und eine bessere Behandlung und Versorgung erhalten, gibt es nur sehr wenige.

Besonders kritisch war die Lage Mitte Oktober auf Lanzarote. Dort gibt es nur 20 Plätze für minderjährige Flüchtlinge, es waren jedoch mittlerweile 160 Flüchtlinge vor Ort, die angaben, unter 18 Jahre alt zu sein – auf allen Kanarischen Inseln 330. Bis die Ergebnisse der medizinischen Altersfestsetzung vorliegen, müssen diese jungen Menschen untergebracht und verpflegt werden, im Zweifelsfall über ihre Minderjährigkeit gilt trotzdem die Sonderregelung für Minderjährige. Die von La Caixa zur Verfügung gestellten Zelte und auf verschiedene Zentren verteilte Plätze reichen jedoch nicht aus.

So erklärte das Cabildo von Lanzarote kurzerhand den humanitären Notstand, um den Nutzungsvertrag mit dem Unternehmen, das die Herberge von La Santa (Tinajo) betreibt, aussetzen zu können. Die Herberge mit 120 Plätzen entsprach den Erfordernissen zur Unterbringung der Jugendlichen. Das Unternehmen wird für die Verpflegung und Zimmerreinigung weiterhin zuständig sein, das Cabildo für Unterbringungsersatz für die bereits erfolgten Reservierungen sorgen.

Noch vor Verlegung der jungen Flüchtlinge mehrte sich der Unmut unter der Bevölkerung von La Santa. Die Einwohner des kleinen Dorfes sorgten sich um die Sicherheit und eine mangelnde Kontrolle dieser Jugendlichen. Die Regionalregierung und die Cabildos ermahnten zur Ruhe und warnten vor Vorverurteilung. Es sei an der Zeit, Verantwortung und Flexibilität zu zeigen, ermahnten die Behörden die Bevölkerung.

Die Regionalregierung beschloss, das Programm zur Unterbringung von Kindern, deren Eltern die Fürsorgepflicht entzogen worden war, auch für minderjährige Flüchtlinge anzuwenden. Gleichzeitig stellten die anderen Cabildos ihre Plätze für Minderjährige zur Verfügung, Teneriffa beispielsweise 30.

Nachdem die Zeitung El País berichtet hatte, dass in ganz Spanien rund 11.000 minderjährige Flüchtlinge versorgt werden müssen, davon die Hälfte in Andalusien, schloss sich die Kanarenregierung der Forderung dieser Region sowie der ebenfalls betroffenen autonomen Städte Ceuta und Melilla nach einer Aufteilung auf alle Regionen an. Der Staat solle den Anteil der von jeder Region unterzubringenden Jugendlichen festlegen, plädierte die Kanarenregierung.

Auf einem Treffen der Vertreter aller Cabildos wurde weiterhin gefordert, dass der Staat die Altersüberprüfungen beschleunigen solle, um Missbrauch zu verhindern. Des Weiteren verlangten die Cabildos allgemein mehr Unterstützung vom Staat.

Kurz vor Redaktionsschluss erreichte wieder eine Patera mit zehn Personen Fuerteventura.

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