Zwangsräumungen und Leerstand


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Die Politik versagt bei der Schaffung von sozialem Wohnraum

Das in der spanischen Verfassung im Artikel 47 verbürgte Recht auf eine angemessene Wohnung ist in den vergangenen Jahren für zahlreiche spanische Familien zur hohlen Phrase verkommen.

Die PAHs (Plattformen für Hypothekgeschädigte) der Kanarischen Inseln haben erneut gewarnt, das Drama der Zwangsräumungen zerstöre weiterhin vielen Familien das Zuhause und boykottiere die Kindheit der Allerkleinsten. Darum haben diese Bürgerplattformen die Kanarenregierung nachdrücklich dazu aufgefordert, ein Programm von Sofortmaßnahmen für die Betroffenen zu starten. Diese Möglichkeit sei schließlich auch gesetzlich vorgesehen. Um den Forderungen offiziellen Charakter zu verleihen, reichten die Bürgerinitiativen bei verschiedenen Dienststellen des Kanarischen Wohnungsinstituts, der Föderation der kanarischen Gemeinden (Fecam) und jener der Inselregierungen (Fecai) entsprechende Schriftstücke ein. 

In diesen Dokumenten wird auch davor gewarnt, dass bis zu 52 neue Zwangsräumungen anstehen, einige davon akut in den nächsten Tagen. Das regionale Ministerium für Sozialpolitik hat die Anfrage aufgegriffen und verlautbart, man prüfe jeden Einzelfall, um reagieren zu können und zu vermeiden, dass die Betroffenen obdachlos würden. In den meisten dieser Fälle handelt es sich um Zwangsräumungen aus Mietverhältnissen, die mittlerweile drastisch zugenommen haben. Vormals lag das Hauptaugenmerk auf zahlungsunfähigen Hypothekennehmern, doch das Verhältnis beginnt sich zu verschieben. Die PAHs weisen darauf hin, dass diese Art von Räumungen nicht weniger dramatisch sind. Ihre Zunahme sei ein Beweis dafür, dass die Krise keineswegs im Schwinden begriffen sei. Durch den Mangel an Vorsorge und Intervention nehme die Zahl der Hausbesetzungen zu. 

Inma Évora, die Sprecherin der PAH auf Teneriffa, ist besorgt und verärgert über die Amtsführung von Patricia Hernández, die dem kanarischen Ministerium für Wohnung, Arbeit und Soziales vorsteht. Sie versteht nicht, wie die Ministerin behaupten könne, es gebe keine Zwangsräumungen von Erstwohnsitzen, wo doch die Situation in Wirklichkeit schlimmer sei als je zuvor. Und dies nur, weil die gesetzlich festgeschriebene Regelung für Sonderfälle nicht genutzt werde. Diese sehe vor, dass im Falle extremer Bedürftigkeit Wohnraum aus dem öffentlichen sozialen Wohnungsbau zugewiesen werden kann. Auf diese Weise hätte, laut Évora, Tausenden Familien viel Leid erspart werden können. 

Zwangsräumung der Zwangsgeräumten

Laut Angaben des Generalrates der Judikative wurden im ersten Halbjahr des laufenden Jahres 1.196 Zwangsräumungen wegen „geplatzter“ Hypotheken durchgeführt. Weitere 1.601 wurden eingeleitet. Dabei ist ein leichter Rückgang gegenüber 2014 um 4,2% bzw. 28,2% zu verzeichnen. Außerdem gab es 1.154 Räumungen wegen Mietschulden. 

Auch um die Zwangsräumungen der schon einmal Betroffenen kümmert sich die PAH, denn immer mehr Menschen sehen sich gezwungen, leerstehende Häuser und Wohnungen zu besetzen, um mit ihren Familien nicht obdachlos zu werden. Aus diesen zum Teil seit Jahren leer stehenden Gebäuden, manche ohne Strom und Wasser, werden die Zufluchtsuchenden ebenfalls nach einiger Zeit wieder vertrieben. Wie eine Familie in Ofra, die mit Wissen der Sozialdienste in dieser desolaten Situation leben muss. Anträge auf Zuweisung einer Sozialwohnung für diese Familie aus dem Immobilienbestand der Banif-Bank, die diesbezüglich ein Abkommen mit der Stadtverwaltung von Santa Cruz de Tenerife hat, wurden nicht einmal beantwortet. Inma Évora wendet sich entschieden gegen die Praxis, Menschen, die durch Zwangsräumung obdachlos geworden sind und deshalb Wohnraum besetzen, zu kriminalisieren, ohne dass die Institutionen in der Lage wären, ihnen eine andere Lösung anzubieten. 

Hernández will öffentlichen Wohnraum „feminisieren“

In einer Rede im Regionalparlament nahm die kanarische Wohnungs-, Arbeits- und Sozialministerin Patricia Hernández zur Wohnungspolitik ihres Ressorts Stellung. Sie betonte, dass es seit ihrem Amtsantritt im vergangenen Juli keine Zwangsräumung aufgrund einer Hypothekenvollstreckung gegeben habe. Was den gemieteten Wohnraum angeht, räumte sie ein, dass ihr Ministerium keine ausreichenden Informationen hat, um denjenigen zu helfen, die ihre Miete nicht mehr bezahlen können. In diesen Fällen sei die Problemlage wesentlich komplexer. Die Ministerin kündigte an, eine Übereinkunft mit der Justizverwaltung anzustreben, damit das Wohnungsressort Informationen über alle Fälle drohender Zwangsräumung erhalten und Unterstützung leisten könne. Mit einem Seitenhieb auf die PAH, deren Repräsentanten auf der Besuchertribüne anwesend waren, erklärte Hernández, von den „Anti-Zwangsräumungsplattformen“ würde ihr Ressort über einige Fälle ebenfalls keine Informationen bekommen. 

Außerdem konstatierte Patricia Hernández zur Lage auf dem Wohnungsmarkt, die Mehrzahl der Wohnungen sei in den Händen von Männern, und dies werde sich ändern. Diese geschlechtsspezifische Ungleichheit spiegle sich auch bei der Zuweisung von Sozialwohnungen wider. Hier sollen die Prioritäten künftig anders gesetzt werden, damit die Frauen selbstbestimmter leben könnten. Dabei will sie bei einem der gefährdetsten Personenkreise, den Frauen, die häuslicher Gewalt ausgeliefert waren oder sind, beginnen, und diesen Priorität bei der Wohnungsvergabe einräumen. Auch kinderreiche Familien und solche, die bereits zwangsgeräumt wurden, sollen bevorzugt Sozialwohnungen erhalten. 

50 Sozialwohnungen von der Bad Bank

Die spanische Bad Bank SAREB, Gesellschaft zur Verwaltung von Aktiva aus der Bankenneustrukturierung, schließt gerade mit der Kanarenregierung ein Abkommen, in dem sie sich verpflichtet, fünfzig Wohnungen aus ihrem Leerstand für bedürftige Familien zum Preis einer sogenannten „Sozialmiete“ zu Verfügung zu stellen, deren Höhe an das Einkommen des Mieters angepasst wird. Die SAREB hat im Rahmen des vor zwei Jahren begonnenen Plans für die Bereitstellung von Sozialwohnungen schon mit mehreren Autonomen Regionen Verträge unterschrieben und spanienweit rund 2.000 Wohnungen übergeben. 

Diese Zusammenarbeit soll als Modell für künftige Übereinkünfte mit weiteren Banken dienen, damit das Kontingent an Sozialwohnungen erweitert und dem durch die Krise gestiegenen Bedarf angepasst werden kann.

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