12-Stunden-Tage für 500 Euro Monatslohn


Ausbeutung durch falsche Teilzeitjobs

Der Juli war ein Rekordmonat. 7,9 Millionen ausländische Touristen besuchten Spanien, mehr als je zuvor zur gleichen Jahreszeit. Die Sozialversicherung registrierte einen Anstieg der angemeldeten Mitarbeiter im Hotel- und Gaststättengewerbe um 0,4%. Insgesamt reduzierte sich die Arbeitslosigkeit im Juli um 64.866 Personen, was 1,36% entspricht.

Madrid – Es ist schon der fünfte Monat hintereinander, in dem die offiziellen Arbeitslosenzahlen sinken.

Ein Grund zur Freude? Oder gar zum Aufatmen? Die Gewerkschaften sind da anderer Meinung. Sie halten den Rückgang der arbeitslos gemeldeten Erwerbsfähigen einerseits für saisonbedingt, andererseits auch für in der Entmutigung begründet. Viele Arbeitslose  haben die Hoffnung, dass ihnen das Arbeitsamt zu einer Stelle verhelfen kann, nach zahllosen Rückschlägen aufgegeben und melden sich nicht mehr weiter bei der Behörde.

Zudem sei der Rückgang nur vor dem Hintergrund der Zunahme prekärer Beschäftigung möglich geworden.

Gewerkschafter und auch Arbeitsinspektoren wissen von zahlreichen Beschäftigungsverhältnissen zu berichten, die krass ausbeuterisch angelegt sind und meist im Gewand von Minijobs und Teilzeitarbeit daher kommen. So ist dieser Sommer für die Arbeitnehmervertretungen auch ein Rekordsommer, was die Fälle angeht, bei denen Arbeitnehmer gezwungen sind, das Doppelte oder gar das Dreifache der angemeldeten und ihnen bezahlten Stunden zu leisten.

Eine Kellnerin aus Galizien muss für 500 Euro monatlich regelmäßig 12-Stunden-Schichten schieben und kommt auf ein Mehrfaches der vertraglich vereinbarten 20-Stunden-Woche. Ohne die Hilfe ihrer Eltern könnte die zweifache Mutter nicht über die Runden kommen.

Ein Koch in einem kleinen Familienhotel arbeitet 110 Stunden pro Woche für 1.600 Euro und hat dabei noch Glück, denn zehn Kollegen, die nach ihm angestellt wurden, arbeiten genauso viel wie er, haben jedoch Teilzeitverträge und verdienen nur die Hälfte.

Auf Mallorca sind in einem einzigen Familienhotel 33 Praktikanten festgestellt worden, ein Drittel der Belegschaft. Im vergangenen Jahr prangerte die Gewerkschaft UGT den Fall eines Fünfsternehotels im Norden der Insel an, wo vierzehn falsche Praktikanten aus Rumänien für 350 Euro im Monat arbeiteten. Die Gewerkschaft untersucht noch 50 weitere solcher Fälle allein auf den Balearen, wo reguläre sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze unter dem Vorwand der Ausbildung durch Billigkräfte ersetzt werden.

Teilzeitverträge haben seit Beginn der Krise Hochkonjunktur, auf jeweils zwei neue Vollzeitarbeitsstellen kommt eine Teilzeitanstellung. Viele davon beinhalten versteckt deutlich längere Arbeitszeiten. Auch die Scheinselbstständigkeit und das Subunternehmertum erleben neue Höhepunkte. Arbeitnehmer werden entlassen und arbeiten als Selbstständige auf demselben Platz weiter wie vorher, nur mit deutlich geringerem Gehalt und der Pflicht, ihre Sozialversicherung selbst zu zahlen.

Die Daumenschraube, die die betreffenden Arbeitgeber ihren Mitarbeitern anlegen, ist das Schreckgespenst der Arbeitslosigkeit, die spanienweit bei 4,7 Millionen liegt. Wer aufmuckt fliegt raus, lautet die Devise. Und so wagt es auch kaum einer, gegen seine eigene Ausbeutung aufzubegehren und Verletzungen des Arbeitsvertrages direkt mit dem Arbeitgeber zu besprechen. Auch an die Gewerkschaften oder die Arbeitsinspektion wenden sich nur die wenigsten, weil kaum einer sich erlauben kann, einen Rausschmiss zu riskieren.

Die Arbeitsinspektion reagiert als Behörde oft eher schwerfällig auf Anzeigen der Arbeitnehmer, und sie spart, wie ein Insider berichtet, die großen Hotelkomplexe, wo der meiste Missbrauch von Teilzeitregelungen stattfindet, oft aus und jagt lieber Kleinunternehmer. Doch immerhin haben die 981 Inspektoren und 897 Unterinspektoren im ersten Semester dieses Jahres 62.106 Untersuchungen in der Dienstleistungsbranche durchgeführt, wodurch 17.223 nicht angemeldete Arbeitsverhältnisse in reguläre Anstellungen umgewandelt wurden.

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