Malpaís – schlechtes Land nannten die spanischen Eroberer Landschaften, in denen sie nichts anbauen konnten. Für sie war es wertlos. Sie waren nicht auf die Inseln gekommen, um deren landschaftliche Schönheit zu bewundern und darin zu leben. Darin unterscheiden sie sich von vielen heutigen Zeitgenossen. Sie kamen, um reich zu werden. Auf Inseln ohne Bodenschätze ging das am besten durch Landwirtschaft. Sie nahmen sich die Landstücke mit guter Erde und ausreichendem Wasserreichtum – und wurden reich. Ihr Zucker war begehrt, ihr guter Wein ebenso. Ihre Glückssträhne hielt nicht an. In anderen Regionen des spanischen Weltreichs konnten Konkurrenten billiger produzieren. Von Zucker und Wein oder ihren Nachfolgeprodukten konnte die Inselbevölkerung nicht ernährt werden. So fing man in einigen Gegenden an, die Malpaíses umzubauen. Meistens handelte es sich um felsige Lavarippen im fruchtbaren Land, wo man ursprünglich die Häuser hinbaute, um ja kein potenzielles Ackerland zu vergeuden. Ungewöhnlich steile Dorfstraßen auf den alten Lavarücken zeugen noch davon. Um dort Getreide oder Früchte anbauen zu können, mussten Terrassen angelegt werden, auf denen man die Felsen mit Lockermaterial und etwas Erde überdecken konnte. Besonders im Norden der höheren Inseln ging man so vor. Im Süden war es meistens bis zum beginnenden 20. Jahrhundert zu wasserarm, um dort weitere Äcker anzulegen. Als man Wasser in großen Mengen dorthin leiten konnte, baute man Tomaten, Blumen und zunehmend auch Bananen an. Mancherorts im Süden wurde die Landwirtschaft mangels Rentabilität wieder aufgegeben. Dann wurde das Land wieder sich selbst überlassen; leider oft auch die nicht mehr benötigten Gewächshäuser und Gebäude, heute nur noch hässliche Relikte des Versuchs, reich zu werden.
Das Malpaís de Rasca an Teneriffas Südspitze besteht aus weiten Ebenen, vier auffälligen, steilen Vulkankegeln und einigen niedrigen Hügelchen. Das von zahlreichen Wegen durchzogene Gebiet, seit Guanchenzeiten Winterweide für Schaf- und Ziegenherden, wurde seit Beginn des vergangenen Jahrhunderts kultiviert. Dank der Ebenen, von denen man allerdings Mengen von Feldsteinen entfernen musste, und der neuen Wasserleitungen war das relativ einfach. Hier mussten keine Terrassen gebaut werden. Die aufgelesenen Steine wurden zu Mauern oder Wällen aufgeschichtet und boten den Kulturen Schutz vor dem trockenen Wind. Teilweise orientieren sich die Wege an ihrem Verlauf und an den Lücken zwischen ihnen. Solange wir in der Ebene wandern, entdecken wir hier nur einen Wechsel zwischen Buschland und mehr oder weniger pflanzenfreien kleinen Flächen, steinarm und mit trockenem Boden. Das waren die ehemaligen Äcker. Manchmal breiten dort kleine Mittagsblumen (Barillo) ihre rötlichen Stengel dicht an den Boden gepresst aus und erinnern an eine Zeit kurz vor der großen Kultivierung, als man aus ihnen Soda für die Seifenherstellung in den europäischen Zentren gewann. Die Erfindung der künstlichen Sodaherstellung machte diesen Wirtschaftszweig zunichte. Die Sodapflanzen stammen zwar nicht von den Inseln, können hier aber so wie die Cardones und Tabaibas trotz der geringen Niederschläge überleben. An der Südspitze herrscht Wüstenklima.
Mitte des letzten Jahrhunderts lohnte sich hier die Landwirtschaft nicht mehr und wurde aufgegeben. Das Land lag brach. In den 1970ern begann der Bau der Siedlung Palm-Mar und das Malpaís wurde zu Bauerwartungsland. Wahrscheinlich wäre es längst urbanisiert, hätte man nicht im letzten Moment seine geologische und ökologische Besonderheit erkannt. Heute erstreckt sich ein Naturschutzgebiet zwischen Palm-Mar und dem Faro de Rasca. Es umfasst die vier großen Vulkankegel und einen Landstreifen westlich von Ihnen. Das restliche Malpaís ist weniger geschützt. Von der Montaña Grande, den mit etwa 323 000 Jahren ältesten der Vulkane des Gebiets, erkennen wir leicht den Zusammenhang. Die ehemaligen Äcker zeichnen sich mitsamt den Mauern gut vom noch einigermaßen naturnahen Gelände ab. Hier wurde mit der Kultivierung ein extremer Lebensraum zerstört, der sich nur sehr langsam erholt. Die Wiederherstellung der Landschaft wäre angezeigt. Aber: In der Vorstellung vieler hat ein Malpaís keinen Wert. Es wurde vorgeschlagen, das leer stehende Gebäude des alten Leuchtturms in ein Umweltzentrum für die Wiederherstellung der Rasca umzuwidmen. Es heißt, die Landbesitzer seien dagegen.
Geschädigt wurde das Gebiet schon viel früher. Hier findet man zwar viele typische Pflanzen, darunter auch ziemlich giftige, aber keine Tabaiba amarga. Wissenschaftler vermuten, dass sie durch die Hirten zugunsten der für sie wesentlich interessanteren Tabaiba dulce ausgerottet wurde. Zerstörung für den Gewinn gibt es hier schon sehr lange.
Dabei könnte man diese Landschaft sehr attraktiv erschließen, nicht nur der zahlreichen Pflanzen wegen, die man als Normaleuropäer kaum kennt. Die Ursprünge reichen bis zu 1,5 Millionen Jahre zurück, als im Bereich der Cañadas sehr explosive Vulkane tätig waren. Ihre hellen Bimsablagerungen prägen große Abschnitte entlang der Südautobahn und sind auch hier unter den jüngeren dunklen Basaltströmen der nahen Vulkane zu entdecken. Bevor diese entstanden, schickte die Montaña Guaza, etwas nördlich von Palm-Mar gelegen, ihre hellen Trachyt- und Phonolithströme hierher. Die Vulkane des Malpaís hatten jeweils nur eine Ausbruchsphase, deren Dauer nicht bekannt ist. Bis auf den nördlichsten Vulkan, die Montaña Aguzada, haben ihre Krater die typische Hufeisenform. Ab und zu quoll aus ihnen Lava, dazwischen gab es Abschnitte leichter Explosionen, die Lavafetzen in die Luft schleuderten. Aus diesen Schlacken bauten sich die Kegel auf. Wären die Explosionen stärker gewesen, hätten sich die Schlacken breiter verteilt. Die Kegel wären weniger steil und weniger hoch. Allerdings sind sie in Jahrtausenden durch stetige Erosion kleiner geworden. Das Kraterinnere der Montaña Grande ist schon fast bis zur umgebenden Ebene abgetragen. Der Krater der Montaña Aguzada ist dagegen ringförmig, elliptisch mit einer Ausdehnung von knapp 1000 m. Hier gab es durch den Kontakt mit Wasser nicht nur eine Explosion. Die letzte und heftigste verteilte eine feine Bimsschicht über die Umgebung. Sie liegt über den Cañadas-Ablagerungen und enthält keine Bimsbrocken. Dies und noch viel mehr könnte man hier darstellen – statt der verwüsteten Wüste.
Michael von Levetzow
Tenerife on Top
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