Eine Stellungnahme von Manfred Jantzon
Bezugnehmend auf den vom Cabildo von Fuerteventura herausgegebenen Bericht (siehe Wochenblatt Ausgabe 172) über die archäologischen Forschungsarbeiten auf der Insel Lobos möchte ich wie folgt Stellung nehmen:
Um ehrlich zu sein, bin ich gegen reißerische Berichte mit voreiliger Beurteilung von Fundstätten, wie es bei der Meldung über Los Lobos mit seiner Römer-Ansiedlung und Produktionsstätte von Purpurfarbe der Fall ist. Wieder einmal wird versucht, den Tourismus nach Fuerteventura und die vorgelagerte kleine Insel zu locken.
Was hat man bisher gefunden? Lediglich einige Gegenstände aus der Zeit der Römer, daher ist es unbestreitbar, dass diese einige Kanareninseln ansteuerten und aufsuchten. Den Grund erfahren wir aus der Geschichtsschreibung, denn der Archipel war es, wohin sie gegen Rom mit seiner Machtpolitik aufsässige Berber zwangsdeportierten und aussetzten.
Nachdem Archäologen Mauerreste und in deren Nähe Keramikstücke ausgegraben haben, wird hier eine römische Ansiedlung vermutet. Dass es sich möglicherweise auch um Mauern von Häusern der Ureinwohner handeln könnte, die bereits zuvor auf Lobos lebten, wird nicht in Betracht gezogen. Schließlich finden sich solche gerade auf dem 3 km entfernten Fuerteventura und sogar kleine Dörfer, da hier als Wohnunterkunft geeignete Naturhöhlen kaum anzutreffen sind. Auf diese Menschengruppe deutet auch ein in der Nähe der Ausgrabungsstätte gefundener „Conchero“ (Muschelhaufen) sowie Ziegenknochen hin, denen man auf allen Inseln des Archipels begegnet.
Wie schon im ersten Bericht vom 12.05.2012, wird nochmals auf den Fund von etlichen Gehäusen der Molluske Thais haemastoma hingewiesen. Wie es heißt, gewannen die Römer in der hier bestehenden Produktionsstätte aus den Drüsen der Molluske den begehrten Purpurfarbstoff.
Zu bedenken aber ist, dass für nur ein Gramm des Färbemittels zumindest 8.000 Schnecken notwendig waren. Es stellt sich die Frage, ob eine so große Anzahl von Thais überhaupt rund um die kleine Insel zu finden war, was äußerst fraglich und unwahrscheinlich ist. Bei der geringen Menge von nur einem Gramm kann man sicherlich nicht von einer „Produktion“ sprechen, dafür waren mindestens 100 Gramm notwendig, mit anderen Worten, man benötigte dafür mindestens die enorme Menge von 800.000 Thais. Welch gewaltige Halden von Gehäusen bei einer wirklichen Produktion entstehen, zeigen uns die 25 m breiten, mehrere Meter hohen und Hunderte von Metern langen Abfallhaufen von Produktionsstätten der Phönizier bei Sidon an der Ostküste des Mittelmeeres. Hinzu kommt, dass aus dem Drüsensekret der Thais eine nahezu violette Farbe entstand und kein Purpurrot, sodass eine Vermischung mit dem Sekret anderer Purpurschnecken wie der Murex oder dem Brandhorn notwendig war.
Eher ist anzunehmen, dass rund ums Eiland eingesammeltes Meeresgetier eine äußerst willkommene Abwechslung in der sonst bei der Überfahrt recht eintönigen Speisekarte war.
Warten wir die im kommenden Jahr vorgesehenen weiteren Ausgrabungen und deren Ergebnisse ab, zumal man erst am Anfang der Forschungsarbeiten steht.
Manfred Jantzon
[„Guanche Alemán“ wird Manfred Jantzon anerkennend von seinen vielen Freunden und Bekannten genannt. Nicht umsonst, denn seit fast 20 Jahren erforscht er intensiv auf allen Inseln des Archipels das Leben der Ureinwohner und hat mehrere Bücher über dieses Thema geschrieben. d. Red.]
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