Selbstversuch Spanien
Der beliebte Reisejournalist Andreas Drouve berichtet aus seiner Wahlheimat. Spanische Momentaufnahmen, satirisch verdichtete Essays, skurrile Geschichten und Reportagen. Er schreckt vor keinem Tabu zurück und ist niemandem verpflichtet, keinem Stierzuchtbetrieb, keiner Partei, keiner Fluglinie, nicht einmal dem guten Geschmack. Was als Online-Kolumne begann (www.selbstversuch-spanien. de), erscheint im April 2012 als reich bebilderter Farbband: „Selbstversuch Spanien. Was mir in 52 Wochen alles vor die Hörner geriet“. Seien Sie dabei, wenn Spaniens Wirklichkeit die Klischees übertrifft!
Wie mir eine Weinkellerei in der Rioja zum Ort der unvergesslichen Begegnung mit zwei Gendarmen wurde.
Es war eine surreale Konstellation, die mich heute Mittag in Aldeanueva de Ebro erwartete, einem Weinort in der Rioja. Auf der Suche nach Tropfen direkt vom Erzeuger wurde ich bei den Bodegas Pastor Díaz fündig, wo ein Schild an der Straße auf Direktverkauf wies. Kurz nach eins lenkte ich meinen Wagen auf den Hof der Kellerei, wo mir spanisch vorkam, dass dort ein Streifenwagen der Gendarmerie, Guardia Civil, stand.
»Wem die wohl auf der Spur sind?«, floss durch mein Unterbewusstsein, dem im Innern des Raums – einer Mischung aus Shop und Probierstube – zu Bewusstsein kam, dass es sich hier um eine gewissenhafte Spurensuche der besonderen Art handelte. Eine Betriebsprüfung. Gewissermaßen.
Zwei Guardias Civiles standen in ihren mattgrünen Uniformen an der Theke, ihnen gegenüber ein Kellereibediensteter.
»Ein bisschen mehr?«, fragte er die Offiziellen just in dem Moment, als ich eintrat. Beide nickten, die benutzten Gläser wurden erneut mit einem Sattroten gefüllt. Dann wandte sich der freundliche Angestellte mir zu, führte mich durch die Glastür ins Lager, sprudelte begeistert, aber unaufdringlich die Eigenschaften des Sortiments hervor und lud mich ein, im Vorraum alles durchzuprobieren.
»Bis halb zwei hast du Zeit.«
»Kommen die öfter?«, fragte ich, bevor wir wieder die Glastür passierten.
»Die beiden Guardias?«, fragte er zurück. »Ja, klar. Gerade machen sie Pause.«
Mein Horizont, der bis dahin aus Dunstkreisen von Ordnungshütern allenfalls Raucher- und Kaffeepausen kannte, war schlagartig um einen Begriff erweitert. Weinpause. Genauer: polizeiliche Weinpause.
Mein Begleiter schenkte mir einen frischen, aromatischen Weißen – Rebsorte Viura – ein, ich stellte mich zu den Gendarmen an die Theke. Der Inhalt ihrer Gläser war während unserer Abwesenheit verdunstet, nun kauten sie Hasel-nüsse, die in einem Schälchen bereit standen. Beide schienen um die Dreißig zu sein, der eine mit gegeltem Haar, der andere schicksalsgemäß ungegelt, Glatzenträger. Das Team wirkte eingespielt. Jederzeit aufnahmebereit für Fest- und Flüssignahrung. Bereit, dem Gesetz Genüge zu tun und die Bösen zu stellen.
»Wollt ihr nicht drangehen?«, fragte der Verwalter, als aus dem rauschenden Funkgerät eine Stimme drang.
»Hat Zeit«, brummelte der Gegelte.
Im Gegensatz zu anderen Polizisten, mit denen mich das Leben außerhalb von Weinkellereien zusammengespült hatte, zeigte sich der Ungegelte gesprächig. Der Alkohol mochte seine Zunge gelöst haben. Nach Fragen zu meinem Woher und Wohin pries er die Qualität der Tropfen aus der Bodega.
»Preis und Qualität sind sensationell, letzten Monat habe ich zehn Kisten Crianza bestellt«, sagte er, strich sich über das, aus dem einmal sein Haupthaar gewuchert hatte und ließ mich im Unklaren, ob die Depots bereits aufge-braucht waren. Und dann, in direkter Ansprache an mich: »Wenn du gleich den Crianza probierst hast, musst du unbedingt noch den Reserva testen! Wie der zu einem Filetsteak passt, so einem richtig blutigen!«
Der Polizist, dein Freund und Helfer in jeder Lebenslage!
Endlich mal jemand, der einen nicht oberlehrerhaft vor dem Suff oder dem Tod im Straßenverkehr bewahren will!
Und Tipps parat hat für Rote, gereift im Eichenfass, einen soliden Crianza und den höherwertigen Reserva!
Ich wette das komplette Dutzend Kisten Wein darauf, dass ich mir bei den Bodegas Pastor Díaz wie im Rausch zulegte, dass Ihnen daheim nie Vergleichbares widerfahren ist.
Und den Spaniern? Eben habe ich meine spanische Schwiegermutter María Elena angerufen und gefragt, ob sie Erfahrung mit Uniformierten habe, die während des Dienstes Weinpause machen und einen Autofahrer mit alkoholi-schen Probiertipps unterfüttern. Sie konnte meine Geschichte kaum glauben, doch mit dem Hinweis auf die Polizei hatte ich ein ganz anderes Fass angestochen.
»Zwei Strafzettel haben wir in den letzten Wochen bekommen«, ereiferte sie sich. »Einmal zweihundert Euro wegen Nichtblinkens beim Überholen, einmal hundert Euro wegen minimaler Geschwindigkeitsüberschreitung auf der Autobahn.«
»Und?«, fragte ich. »War das korrekt?«
»Ja, war wohl korrekt«, gab sie kleinlaut zu, »zumindest gab es jeweils Rabatt. Du weißt ja: Wer innerhalb von zwei oder drei Wochen zahlt, zahlt nur die Hälfte«, erklärte sie wie selbstverständlich die Praxis bei der Bezahlung von Protokollen. Was in Spanien wiederum zu den Normalfällen zählt. Normaler zumindest als die Präsenz von Polizisten in einer Weinkellerei bei der persönlichen – nun, nennen wir sie: – »Alkoholkontrolle« …
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