Alles vergessen – werden Aktien ein drittes Mal korrigieren?


Ein Artikel von Ottmar Beck (Alltrust AG)

Seit dem Tiefpunkt vom März haben die Börsen weltweit zugelegt. So ist der MSCI-Index Welt seit dem 9. März 2009 um 33 % gestiegen. Wir fragen uns, ob dies der Beginn eines anhaltenden Aufschwunges ist oder nur ein Aufflackern der Kurse in einem längerfristigen Abwärts­trend, eine Bärenmarktrallye.

Im Frühjahr dieses Jahres gingen viele Anleger davon aus, dass sich historisch gesehen vielleicht eine Gelegenheit bietet, Aktien zu kaufen, dennoch scheuten sie wegen des Risikos weiterer Kursrückgänge vor der Tat zurück.

Mitte Juli haben nun sowohl der Dow Jones Industrial Index als auch der Dow Jones Transportation Index gleichzeitig ein neues Zwischenhoch erreicht. Nach der 80 Jahre alten Dow-Theorie bestätigt das gleichzeitige Erreichen eines neuen Zwischenhochs dieser beiden Indizes, dass sich die Aktienkurse zumindest erholen. Einige Erholungsphasen dieser Art haben erfahrene Anleger allerdings in einer ähnlichen Situation, dem Bärenmarkt zwischen 1966 und 1974, bereits erlebt. Sollte sich der Haussemarkt, der 18 Jahre (1982 bis 2000) dauerte, in neun Jahren korrigiert haben? Das entspräche zwar der Theorie, denn in der Vergangenheit haben Bärenmärkte meist ein Drittel oder die Hälfte des vorangegangenen Haussemarkts gedauert. Wir sind jedoch eher skeptisch und glauben, dass die derzeitige Erholung eine Verschnaufpause ist. Denn am Ende eines jeden Bärenmarktes herrschte immer blanker Pessimismus und erstklassige Aktien wurden weit unter Wert gehandelt. Doch jenen extremen Pessimismus, der dazu führt, dass Aktien bester Bonität aufgrund des Preisverfalls Dividenden zwischen 6 und 8 % zahlen, haben wir im März vermisst.

Dass sich die Wirtschaft in einem Rezessionsszenario, das wie ein W aussehen könnte, bewegt, haben wir schon Anfang des Jahres behauptet. Dies aus mehreren Gründen: Auf der einen Seite könnten sich die Zentralbanken 2010 von ihrer Politik des leichten Geldes zurückziehen. Dies würde die Wirtschaft in eine neue Rezession stürzen, denn die Grundtendenz ist nach wie vor deflationär. Auf der anderen Seite sind die großen Budgetdefizite nicht ewig durchzuhalten, und wenn, werden sich die langfristigen Zinssätze definitiv weiter erhöhen, was wiederum die private Nachfrage beeinträchtigt und ebenfalls zur Fortführung der Rezession führt. Der Effekt der weltweiten Stimulierungsprogramme könnte ab dem nächsten Frühjahr nachlassen und zu einem nochmaligen Absinken der Weltwirtschaft führen. Im Moment gehen die meisten Prognosen zwar für 2010 von einem Gewinnanstieg von 30 % für börsennotierte Unternehmen aus. Das ist unserer Ansicht nach jedoch zu optimis­tisch. Denn bei stabilen oder fallenden Gewinnen werden sich 2010 auch die von den Analysten optimistisch eingeschätzten Kurs-Gewinn-Ver­hältnisse schnell nach oben bewegen. Bisher haben die Aktienkurse aber auf erfolgte Gewinnrevisionen nicht reagiert und wurden nicht nach unten angepasst – aber auch das dürfte sich ändern, wenn 2010 vermehrt Dividenden gekürzt werden. Denn im Moment werden die Dividenden, die für 2009 gezahlt wurden, von den Analysten einfach fortgeschrieben.

Die Renditeaufschläge von Unternehmensanleihen gegenüber Staatsanleihen haben sich zwar wieder reduziert, sind aber nach wie vor auf einem hohen Niveau. Trotzdem haben viele Firmen die momentane Situation genutzt, sich mittel- und langfristige Finanzmittel zu beschaffen. Seit Jahresbeginn sind Unternehmensanleihen im Wert von 200 Milliarden Euro an die Börse gebracht worden. Wer Anleihen aus einer Neuemission bekam, dem waren Kursgewinne garantiert. Beinahe wie bei den Emissionsgewinnen bei der Technologie-Blase vor zehn Jahren. Nun sind Unternehmen keine karitativen Einrichtungen. Also müssen die Verantwortlichen entweder wirtschaftlich schwere Zeiten oder steigende Zinsen erwarten, wenn ihnen die Liquidität einen solch hohen Zinssatz wert ist. Noch sind die Unternehmensanleihen trotz steigender Risiken interessant, aber die Gefahr eines erneuten Anstiegs der Risikoaufschläge und des allgemeinen Zinsniveaus nimmt zu. Wir haben im letzten Jahr rechtzeitig investiert, finden jetzt aber keine Sonderangebote mehr.

Was in den letzten Monaten zurückgekehrt ist, ist die Gier vieler Investoren. Viele der „Big Boys“ (institutionelle Kapitalanleger) laufen jetzt schon wieder der Rendite hinterher. Der Vermögensverwalter, der bisher noch nicht investiert war, muss kaufen, denn sonst läuft er dem Bewertungsmaßstab seines Managements hinterher. Daher werden vor allem Aktien zyklischer Unternehmen etwa aus dem Banken-, Maschinenbau- oder Stahlbereich vermehrt gekauft, obwohl die Zahlen zeigen, dass sich das Geschäft eigentlich nur auf sehr niedrigem Niveau stabilisiert hat. Die defensiven Aktien, wie zum Beispiel Versorger, in die man gerade in wirtschaftlich schlechten Zeiten investieren sollte, laufen den Indizes hingegen hinterher. Wir sehen wieder einmal das alte Paradox: Es wird in steigenden Märkten gekauft und in fallenden Märkten verkauft. Folglich kann die Erholung der Aktienmärkte noch einige Zeit so weitergehen. Gerade deswegen bleiben wir bei unserer bewährten Anlagestrategie, die uns zwingt, von Zeit zu Zeit bei Verlusten nachzukaufen und Gewinne zu realisieren.

Mehr Informationen?

Bei Interesse können Sie bei Herrn Robert Burlon unter der Telefon-Nr.: 922-57 54 96 Näheres erfahren.  

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