Amnesty International: Massive Verletzung des Menschenrechts auf angemessenes Wohnen


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Mehr als 600.000 Zwangsräumungen seit 2008

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat harte Kritik an Spaniens politischen Institutionen geübt, die alle internationalen Verpflichtungen zum Schutz des Menschenrechts auf angemessenes Wohnen missachtet hätten.

Im Bericht  mit dem Titel „Zwangsgeräumte Rechte“ zeigen die Menschenrechtsschützer auf, dass seit 2008 rund 600.000 Zwangsräumungen wegen unbedienter Hypothekenforderungen durchgeführt worden sind. Allein zwischen 2012 und Mitte 2014 mussten fast 100.000 Betroffene zwangsweise ihren Hauptwohnsitz verlassen. „Viele spanische Behörden verstehen den Wohnsitz nicht als Menschenrecht sondern als Konsumgut,“ erklärte Esteban Beltrán, Direktor von Amnesty International in Spanien, während der Präsentation des Berichtes. 

Weiterhin wird in der Studie aufgeführt, dass zwischen 2009 und 2014 der im Staatshaushalt vorgesehene Posten für Sozialwohnungen um über 50% gekürzt wurde. Nach Angaben des Verfassers der Studie, Koldo Casla, handelt es sich um eine „auffallend hohe Kürzung“ in einem Land, das seit jeher im Vergleich zu den europäischen Nachbarn äußerst wenig in soziales Wohnen investiert. Demnach liegt der Anteil der Sozialwohnungen in Spanien bei 1,1%. Nur Griechenland schneidet schlechter ab. Zum Vergleich: In Holland liegt der Anteil bei 32%, in Österreich bei 23%, in Großbritannien bei 18% oder in Frankreich bei 17%. 

Dem äußerst geringen Anteil sozialer Wohnungen steht entgegen, dass sich fast ein Drittel (30%) aller in Europa leer stehenden Wohnungen in Spanien befinden. „Die Zentral- und die Regionalregierungen haben deren Nutzung nicht gefördert, so wie 2008 der UNO-Beobachter für Menschenrechtsverletzungen angetragen hatte,“ heißt es in dem Bericht. Beltrán klagte an, Spanien habe keine der internationalen Empfehlungen – wie beispielsweise die Schaffung eines obligatorischen Mediators – befolgt und sich stattdessen nur auf den Abbau der Schulden konzentriert. „Das Menschenrecht auf Wohnung ist nicht als solches anerkannt worden.“

Neue Bürgermeister nehmen ihre Verantwortung wahr

Doch nach den Wahlen und mit dem Einzug neuer, sozial orientierter und bürgernaher Parteien, die wie „Barcelona en Comú“ von Ada Colau teilweise sogar aus dem Kampf gegen die Zwangsräumungen entstanden sind, ist vielerorts der Wandel eingetreten, und die neuen Institutionen stellen sich ihrer Verantwortung. 

Teilweise versuchen sogar die Stadträte, die Zwangsräumung tatkräftig durch Blockieren des Hauseinganges zu verhindern, so wie dieser Tage David Navarro in Cádiz. 

Ada Colau und Manuela Carmena, neue Bürgermeisterinnen von Barcelona bzw. Madrid, suchen dagegen das Gespräch mit den Banken. Im Fernseh-Interview erklärte eine ihrer Stadträtinnen, der Plan A sei, die Zwangsräumung – durch Verhandlungen mit der Bank – zu verhindern, Plan B, eine Sozialwohnung zu besorgen. Niemand solle mehr auf der Straße übernachten müssen. 

Bei ersten Verhandlungen mit den Banken über die Vermietung zwangsgeräumter Wohnungen hätten diese eine große Bereitschaft gezeigt. 

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