Besorgnis über Brexit-Pakt mit Marokko


Tomatenzucht in der Kooperative Coagrisán auf Gran Canaria: Die Produzenten sind auf die Transportsubventionen der EU angewiesen. Foto: EFE

Die Obst- und Gemüsebauern exportieren rund die Hälfte ihrer Tomaten- und Gurkenproduktion nach Großbritannien

Kanarische Inseln – Der Brexit droht die historisch gewachsenen Handelsbeziehungen zwischen den Obst- und Gemüseerzeugern der Kanarischen Inseln und Großbritannien zu zerstören und damit gleich dem gesamten, ohnehin schon darniederliegenden Tomaten-Export den Gnadenstoß zu versetzen. Zu dem Problem, dass ab Januar 2020 mit dem Austritt Großbritanniens die Subventionen für den Transport innerhalb der EU wegfallen, hat sich ein weiterer Tiefschlag gesellt: Die Briten haben Ende Oktober ein Assoziierungsabkommen mit Marokko unterschrieben, das dem nordafrikanischen Land nach dem Brexit eine Vorzugsstellung in den Handelsbeziehungen einräumt.
Die Verbände der Obst- und Gemüseexporteure von Las Palmas de Gran Canaria (Fedex) und Santa Cruz de Tenerife (Aceto) haben ihre Besorgnis über dieses neue Handelshindernis für die kanarischen Produzenten zum Ausdruck gebracht, die bisher rund die Hälfte ihrer Produktion an Tomaten und Gurken nach Großbritannien liefern. Beide Verbände befürchten, das Ab- kommen mit Marokko werde schwerwiegende Folgen für ihre Branche zeitigen.
Zudem ist auch drei Jahre nach dem Brexit-Beschluss noch keine Antwort auf die Frage gefunden worden, wie es weitergehen soll, wenn die Transportsubventionen wegfallen, welche für den Fortbestand des Obst- und Gemüseanbaus auf den Kanaren entscheidend sind. Ob die Hilfen auch nach dem Brexit weitergezahlt werden und, wenn ja, zu welchen Bedingungen.
Zwar bemühen sich die kanarischen Behörden, eine Ausnahmeregelung bzw. eine Abänderung zu erreichen, indem sie auf die ultraperiphere Lage der Kanaren verweisen, doch konn­te das Problem, dass die EU nach dem Brexit keine Hilfen für den Handel mit einen Drittland zahlen kann, bisher nicht abgewendet werden. Die Verbände sehen die am ehesten gangbare Lösung in einer Umwidmung der Transportsubventionen in Hilfen für die Produktion.
Eine zusätzliche Bedrohung der kanarischen Landwirtschaft stellen die Pläne der Europäischen Union für eine weitere Liberalisierung des Agrarhandels mit den sechs nordafrikanischen Ländern Marokko, Algerien, Ägypten, Jordanien, Libanon und Tunesien dar.
Die Vertreter von Fedex und Aceto erwarten von den politisch Verantwortlichen, dass diesbezüglich, gemäß dem Lissabonvertrag, zunächst eine Studie zu den wirtschaftlichen Auswirkungen dieses Schrittes erstellt wird. Sie erinnern daran, dass diese Nicht-EU-Staaten Wettbewerbsvorteile durch den mangelnden Arbeitnehmer- und Verbraucherschutz in ihren Ländern haben, während die einheimischen Produzenten die strengen und kostenintensiven EU-Richtlinien bezüglich Arbeitsrecht, Lebensmittelsicherheit, Qualität, Herkunftsnachweis, Umweltschutz etc. zu erfüllen haben.

Rund 50% aller kanarischen Tomaten- und Gurkenexporte werden bisher nach Großbritannien verkauft. Foto: Pixabay

Tomaten-Exporteure kämpfen ums Überleben
Das Problem ist nicht neu. Schon seit dem Jahr 2000 befindet sich die Branche in einer schweren Krise. Die Konkurrenz durch Länder wie die Türkei, Ägypten und Marokko, wiederholte Plagen verschiedener Schädlinge, gestiegene Produktionskosten und der Brexit sind nur einige der Schwierigkeiten, denen sich die Landwirte und die kanarische Regierung gegenübersehen bei dem Versuch, diesen historisch auf den Inseln verwurzelten Produktionszweig zu retten. In Zahlen drückt sich das Desaster folgendermaßen aus: Im Jahr 1999 wurden 352.000 Tonnen kanarischer Tomaten exportiert, aktuell sind es nur noch 50.000 Tonnen. Die Zahl der Arbeitnehmer ging von 16.000 vor 15 Jahren auf unter 6.000 zurück. Von rund 50 Unternehmen sind nur sieben übrig geblieben. Die Anbaufläche reduzierte sich von 3.000 auf 500 Hektar.

Über Wochenblatt

Das Wochenblatt erscheint 14-tägig mit aktuellen Meldungen von den Kanaren und dem spanischen Festland. Das Wochenblatt gilt seit nunmehr 36 Jahren als unbestrittener Marktführer der deutschsprachigen Printmedien auf den Kanarischen Inseln.