Brüssel eröffnet Disziplinarverfahren


Es geht um die Zwangsräumungs-Politik und die „cláusulas suelo“

Betroffene dürften der Entscheidung aus Brüssel, ein Disziplinarverfahren gegen Spanien wegen der Zwangsräumungen und der sogenannten „Boden-Klauseln“ einzuleiten, auf der einen Seite mit Genugtuung, aber auch mit Empörung begegnen.

Schließlich kommt dieser Beschluss nach Zehntausenden Zwangsräumungen und einer großen Zahl von Urteilen gegen die „cláusulas suelo“ zu spät. Tatsächlich hat die EU-Kommission Ende April beschlossen, ein solches Disziplinarverfahren gegen Spanien einzuleiten, und beruft sich hierbei auf Verstöße gegen eine 23 Jahre alte EU-Richtlinie. Sollte der Staat nicht innerhalb von zwei Monaten bestimmte Verbraucherschutzgesetze ändern, drohen empfindliche Geldstrafen. 

Anstoß genommen hat die EU-Kommission konkret daran, dass die spanische Gesetzgebung nicht erlaubt, nach einer Zwangsräumung die Zwangsversteigerung einer Immobilie zu stoppen. Bemängelt wurde auch der als zu knapp empfundene Zeitraum von einem Monat, der den Betroffenen eingeräumt wird, um ein in Gang gesetztes Zwangsräumungsverfahren zu bremsen. 

Weiterhin beanstandet Brüssel die „cláusula suelo“. Die in Hypothekenverträgen übliche Klausel über die Festsetzung einer unteren Mindestgrenze des in Spanien variablen Zinssatzes (Euribor) bei Hypotheken wurde vom Obersten Spanischen Gerichtshof bereits 2013 als missbräuchlich erklärt. Viele Banken zahlten den über den Euribor bezahlten Zins, der seit Urteilsspruch angefallen war, aus eigenem Antrieb an die Kunden zurück. Derzeit prüft der Europäische Gerichtshof, ob sogar die vor 2013 zu viel gezahlten Zinsen erstattet werden müssen. Bei einem positiven Urteilsspruch drohen den Banken Rückzahlungen von bis zu zehn Milliarden Euro.

Nicht nur, dass die EU-Kommission zu spät reagiert – die Zahl der Zwangsräumungen nimmt ab, und das Urteil des EuGH steht bevor –, auch hatte sie bisher in mehreren Berichten eine andere Haltung, insbesondere gegenüber den Zwangsräumungen, eingenommen. Zwar wurden die sozialen Folgen der Zwangsräumungen kritisiert, jedoch gleichzeitig aufgezeigt, dass bei einer Abmilderung der Gesetze dem Bankensektor ein gefährlich großes Finanzloch drohen würde. 

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