Crowdfunding ermöglicht Exhumierung eines Bürgerkriegsopfers


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Vor 75 Jahren anonym unter einem Friedhofsweg verscharrt

Erst vor wenigen Jahren wurde in Spanien das Schweigen gebrochen, welches über den Verbrechen des Bürgerkrieges und der Franco-Diktatur liegt. Zaghaft begann man unter der sozialistischen Regierung Zapateros, die jüngere Geschichte aufzuarbeiten.

Valencia – Stiftungen machten sich mit Teams von Archäologen und Anthropologen ans Werk, die vielen anonymen Gräber aufzuspüren, in denen heute noch etwa 150.000 durch die Fran­­co-Milizen bei Nacht und Nebel ermordete oder durch Schnellgerichte zum Tode verurteilte spanische Bürger unwürdig verscharrt liegen.

Doch es gab auch eine Gegenbewegung. Der international bekannte Richter Garzón wurde vor Gericht gestellt, weil er Bürgerkriegsverbrechen verfolgen wollte und so gegen das zweifelhafte Amnestiegesetz von 1977 verstoßen haben soll. Auch sonst drückte sich der spanische Staat weitgehend um die Aufgabe der Geschichtsaufarbeitung, doch immerhin gab es bis vor Kurzem Geld für einige wenige Ausgrabungen pro Jahr. Seit dem Regierungswechsel hat jedoch die Regierung Rajoy Ernst gemacht mit ihrer Ankündigung, diese knapp bemessenen Mittel wieder zu streichen.

Betroffen von diesem Wandel des politischen Willens ist neben vielen anderen die 86-jährige Antonia Valls aus dem Dorf Borriol in Castellón. Ihr Vater José Valls Casanova wurde 1938 zusammen mit sieben weiteren Dorfbewohnern in einem Schnellgerichtsverfahren durch Franco-Milizen zum Tode verurteilt, wohl weil er als überzeugter Sozialist bekannt war. In der Haft versuchte er erfolglos, sich das Leben zu nehmen. Einige Wochen nach dem Urteil wurde er auf dem Friedhof von Borriol erschossen und zusammen mit einem weiteren Opfer, Luis Meseguer, von dem keine Angehörigen bekannt sind, unter einem Weg verscharrt. Beide hatten zuvor die Grube selbst ausheben müssen.

Antonia war damals 11 Jahre alt. Ein Totengräber zeigte ihr die Stelle, wo ihr Vater liegt. Seitdem leidet Antonia darunter, dass er dort „wie ein Hund“ begraben sei und wünscht sich die Exhumierung und eine würdevolle Bestattung der Überreste neben ihrer Mutter. Mit der neuen, alten Politik des Vergessens schien die Erfüllung dieses Traums nun endgültig in unerreichbare Ferne gerückt zu sein, doch eine Gruppe aus Anthropologen und Archäologen, die sich für die Wiederherstellung des historischen Andenkens in Valencia einsetzt, hat nun auf ungewöhnliche Weise mittels „Crowdfunding“ die notwendigen Mittel beschaffen können.

Auf der Internetseite „lanzanos.com“ rief die Gruppe unter dem Titel „La memoria de Borriol: 1938-2013“ die Bevölkerung zu Kleinstspenden auf. Durch Spenden ab einem Euro kamen so die erforderlichen 6.850 Euro zusammen. Eigentlich kostet ein solches Unterfangen 20.000 bis 40.000 Euro, doch alle Beteiligten wollen ehrenamtlich arbeiten, Unterkünfte wurden privat organisiert, und die   Familienangehörigen legen ebenfalls mit Hand an. Durch den Spendenaufruf kamen dann sogar 7.472 Euro zusammen. 312 Spender beteiligten sich mit im Durchschnitt 24 Euro und ermöglichen so, Antonias Traum doch noch in Erfüllung gehen zu lassen. Auch die Stadtverwaltung spielt mit und erteilte zügig die erforderlichen Genehmigungen.

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