Das Leben feiern – Erntedank


Gedanken für mich ­– Augenblicke für Gott

In diesen Tagen feiern die Kirchen das Erntedankfest. Für mich ist es so etwas wie ein Zwischenstopp auf dem Weg durch die Jahre. Das ist ähnlich wie bei unserer Wandergruppe: Gelegentlich muss man eine Pause machen; anhalten, was essen, die Beine strecken und durchatmen. Schon so viel geschafft, darauf darf man ja auch stolz sein. Beim Erntedank ist das ähnlich, noch dazu, da wir als Christen davon überzeugt sind, dass Gott uns alle Gaben zum Leben zukommen lässt.

Deshalb feiern wir Erntedank und erinnern uns daran, dass – was immer man auch tut, was immer auch wächst und gedeiht – schlussendlich nicht allein in unserer Hand liegt. Und das gilt nicht nur für die Landwirtschaft. Sicherlich: Vielleicht hat man es in keinem anderen Bereich so besonders gespürt in all den Jahrhunderten, als eben in der Landwirtschaft. Dass zu aller menschlichen Arbeit eben auch noch gutes Wetter kommen muss, damit die Saat aufgeht und Frucht bringt. Deshalb haben auch die Bauern die Ernte schon immer mit üppigen Festen gefeiert. Sei es nun das Oktoberfest in München, der Wasen in Bad Cannstatt, die Winzerfeste an Rhein und Mosel oder auch die Romerías hier auf den Inseln. Alles sind Erntedankfeste.

Schon in der Bibel ist festgehalten, dass es gut ist, so ein Fest zu feiern und sich über all das zu freuen, was gewachsen ist und sich entwickelt hat. Der Weisheitslehrer hat da aber nicht nur die Ernte auf dem Feld im Visier, sondern sieht das Leben insgesamt. „Iss Dein Brot und trink Deinen Wein und sei dankbar und fröhlich dabei. So hat es Gott für die Menschen vorgesehen und so gefällt es ihm. Nimm Dein Leben an wie ein Fest: Trag immer frisch gewaschene Kleider und salbe Dein Haupt mit duftendem Öl. Genieße jeden Tag mit dem Menschen, den Du liebst, solange das Leben dauert, das Gott Dir unter dieser Sonne geschenkt hat. Wenn sich Dir die Gelegenheit bietet etwas zu tun, dann mach dies mit vollem Einsatz. Denn Du bist unterwegs zu dem Ort, von dem kein Mensch wiederkehrt.“ (Prediger 9,7ff)

Ab und an einen Zwischenstopp einlegen und das Leben feiern, das tut einfach gut. So jedenfalls verstehe ich diese weise Mahnung – und das nicht nur am Erntedankfest. Das kann auch ein Geburtstag sei, erst recht ein runder: Zurückschauen und feiern. Sicherlich: Es gibt in jedem Leben auch Rückschläge und Enttäuschungen. Aber am Geburtstag die Leute um sich versammeln, mit denen es bislang so schön war und mit ihnen feiern, was alles gelungen ist. Und bei diesem Feiern dann auch ein klein wenig verspüren, wie gut es Gott mit mir meint und gemeint hat – trotz so manchem, was war. Ja, so ein Zwischenstopp tut gut. Genauso wie auch der Jahrestag der Deutschen Einheit. Auch wenn noch nicht alles gut ist, aber es ist doch schon so vieles getan worden. Gott sei Dank.

Unterwegs durch das Leben braucht man diesen Zwischenstopp, um nicht aus der Puste zu kommen. Aber bedarf es dazu immer bestimmter Tage oder ist nicht jeder Tag dazu da, einen solchen Zwischenstopp einzulegen? Pause machen, durchatmen, das Leben genießen – zum Beispiel mit einem schönen Essen, einem Spaziergang oder einem freundlichen Gespräch oder einer liebevollen Geste. Das reicht manchmal schon um zu spüren: Nicht alles, aber vieles ist gut. Gott sei Dank. Das gibt Kraft, den Weg dann weiterzugehen. 

Allerdings ist nun so ein Zwischenstopp nicht das Ziel der Reise durchs Leben. Für die Landwirte war klar – nach dem Erntedankfest kommen die ruhigen Wochen des Winters. Aber dann geht es wieder weiter, dann muss man wieder ran. Dass man einmal wirklich ausgesorgt hat, wie ich oder auch Sie sich das manchmal erhoffen: ich glaube, das gibt es nicht. Das Leben geht weiter. Es gibt wieder Arbeit, und es ist längst nicht alles geschafft. Neue Probleme tun sich auf, wenn alte abgearbeitet sind. Und wenn auch bis jetzt alles gut ging; wenn auch in diesem Jahr die Ernte gut war – man weiß nicht, was im nächsten Jahr sein wird. Manche oder mancher denkt gerne: Es wäre schön, wenn es so bleiben könnte. Und man versucht dann abzusichern und festzuhalten, was man hat. Es wäre so schön, wenn die Kinder immer bei einem bleiben würden und einen brauchen. Es wäre schön, wenn man sich finanziell wirklich 100%ig absichern könnte. Und wie schön wäre es, wenn die Rente sicher wäre. Manche tun eine Menge dafür, dass es so bleibt, wie es ist. Sie legen was auf die hohe Kante und fürchten sich aber doch vor der Zukunft, weil man nie weiß, was kommt.

So ein Zwischenstopp, der zeigt, was geschafft ist, was gut gegangen ist, der macht dankbar. Und er hilft gegen die Angst. Wenn ich sehen kann, dass so vieles gut ging, dann schenkt mir das Zuversicht für die Zukunft. Egal, was auch geschieht, Gott wird mit seinem Segen bei mir sein und mit mir gehen. Und wenn das Leben dann ganz still ist, dann ist es zu Ende. Dann muss ich nicht mehr sorgen, denn dann ist dieses, mein Leben, aufgehoben in Gott. Dann ist alles gut, davon bin ich überzeugt und dahin bin ich unterwegs. Aber soll ich Ihnen was sagen? Ich hoffe, dass ich bis dahin noch viele Zwischenstopps einlegen und das Leben feiern kann…*zwinker* 

Herzlichst Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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