Gedanken für mich – Augenblicke für Gott
Regelmäßige Wochenblattleserinnen und -leser haben mit mir in der vergangenen Woche einen Blick in die „Gottes-Schule“ gewagt. Es ging dabei um die These, dass man Glauben lernen kann.
Und so haben wir uns dann verschiedene „Unterrichtsstunden“ angeschaut, die uns den Glauben lernen lassen. Heute möchte ich nun diese „Gottes-Schule“ noch um einen Gedanken erweitern. Es bedarf nämlich nicht nur eines Unterrichtsfaches, um den Glauben zu lernen, sondern es bedarf unseres Denkens, Fühlens und Handelns, um wirklich glauben zu können.
Wie hat man Ihnen und mir früher gerne gesagt, wenn wir uns etwas ganz besonders merken sollten: „Schreib dir das hinter die Ohren!“ Und unsere Vorfahren nahmen, wenn sie Grundstücksgrenzen festlegen wollten, junge Burschen als Zeugen mit, zogen sie an den Ohren und gaben ihnen Ohrfeigen. Und warum das bitte? Weil man auf die Art und Weise sicherstellen wollte, dass die jungen Burschen sich auch als gestandene Männer und im hohen Alter noch an den genauen Grenzverlauf erinnern konnten. Die Absprachen wurden ihnen – im wahrsten Sinne des Wortes – „hinter die Ohren geschrieben“ oder auch „um die Ohren gehauen“. Ich gebe zu, vielleicht ein wirkungsvolles, aber doch recht seltsames Lernprogramm, mit dem wir heutzutage ganz schnell den Jugend- und Kinderschutz auf den Plan rufen würden.
Weitaus sympathischer ist da schon das Lernkonzept, welches Mose den Israeliten in Bezug auf die Gebote Gottes mit auf den Weg gibt: „Diese meine Worte sollt ihr auf euer Herz und auf eure Seele schreiben. Ihr sollt sie als Zeichen um das Handgelenk binden. Sie sollen zum Schmuck auf eurer Stirn werden.“ Also nicht durch Ohrfeigen will Mose dem Volk Israel die Gebote Gottes nahebringen, sondern vielmehr soll es durch ein dreistufiges Lernprogramm mit diesen wichtigen Worten vertraut werden. Mit einer geradezu modernen Pädagogik, mit einer – so würden wir heute sagen – „ganzheitlichen“ Methode will Mose erreichen, dass das Wort Gottes seinem Volk in Fleisch und Blut übergeht: Kopf, Herz und Hand werden angesprochen; eben das eingangs erwähnte Denken, Fühlen und Handeln, soll an diesem Lernprozess beteiligt sein.
Die Israeliten haben den Vorschlag des Mose ernst genommen: eine Brosche an ihrem Turban sollte zeigen, dass das Wort Gottes tatsächlich zum Schmuck auf ihrer Stirn geworden war. Ein Armreif mit dem Zeichen Jahwes sollte deutlich machen, dass Gottes Gebot – um ihr Handgelenk gebunden – tatsächlich ihr Handeln bestimmte. Später haben sie dann diesen Brauch leicht verändert: Wichtige Worte der Bibel wurden dann auf Pergament-streifen geschrieben und in Kapseln gesteckt. Zum täglichen Gebet befestigte man dann eine solche Kapsel mit einem Gebetsriemen auf der Stirn, eine andere Kapsel am linken Oberarm – genau gegenüber dem Herzen.
Das Wort Gottes in den Kopf, ins Herz und in die Hand bekommen; es ins Denken, Fühlen und Handeln einfließen lassen: genau diesem Lernprogramm fühlt sich das Volk Israel verpflichtet. Wäre das aber nicht auch ein sympathisches und interessantes Programm für alle, die bewusst Christ sein wollen und die immer tiefer in ihren Glauben hineinfinden möchten? Oder lassen Sie es mich mal folgendermaßen in Worte fassen:
Glauben lernen heißt zuerst einmal: „Kopf-Hörer“ zu werden. Mit dem Kopf das Evangelium hören, mit wachem Verstand, aufmerksam und kritisch. Neugierig sein und wissen wollen, wie die Worte Jesu zu verstehen sind; nachdenken, diskutieren und Argumente finden, warum ein Leben im Sinne Jesu ein erfülltes Leben sein kann.
Glauben lernen heißt dann aber auch: „Herz-Schritt-Macher“ zu werden. Die Schritte, die wir auf unserem Lebensweg machen, vom Herzen lenken lassen; sich einfühlen in die Situation der oder des anderen und dann herzlich auf diese Menschen zugehen; sich die Worte Jesu unter die Haut gehen lassen, seine Geschichten beherzigen und sich von ihnen anrühren und bewegen lassen.
Und Glauben lernen würde dann schließlich auch heißen: „Hand-Werker“ zu werden. Mit unseren Händen wirken und für das arbeiten, was wir als wertvoll und richtig erkannt und erspürt haben. Zupacken, wo unsere Hilfe dringend gebraucht wird; anderen unsere Hände zur Stütze und zur Begleitung anbieten; durch die Praxis und nicht nur durch Worte zeigen, dass wir Christ sein möchten – so, wie es eine Grundregel der Gemeinschaft von Gnadenthal wünscht und den Besucherinnen und Besuchern in guter Erinnerung bleibt: „Rede von Christus nur, wenn du gefragt wirst – aber lebe so, dass man dich fragt.“
Glauben lernen über Kopf, Herz und Hand – wer das versucht, der ist wie ein Mann, der sein Haus nicht auf Sand, sondern auf Felsen baut.
Ihr
Bertram Bolz, Diakon
Kath. Touristen- und
Residentenseelsorger
Diesen und frühere Artikel können Sie nachlesen unter: www.katholische-gemeinde-teneriffa.de oder unter www.wochenblatt.es
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