Der lange Arm des deutschen Finanzamts


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Ein Artikel von Dr. Armin Reichmann

Europa wächst, trotz gelegentlicher kleiner Rückschläge, immer weiter zusammen: Wir Bürger profitieren vom Euro und dem überwiegend pass- und zollfreien Reisen. Wie von den Urvätern der damaligen EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) gewünscht, nähern sich die Lebensverhältnisse immer mehr an, die Einheit Eu­ropas rückt näher.

Manche mögen es bedauern, es ist aber eine unabänderliche Tatsache, dass auch die europäischen Finanzäm­ter zusammenwachsen. Wer kennt nicht noch den schönen Begriff des „Steuerflüchtlings“. Das war jemand, der angesichts hoher Steuerschulden sein verbliebenes Vermögen ins Ausland geschafft hatte und dort unbehelligt weiter leben konnte. Er konnte dabei darauf vertrauen, dass das deutsche Finanzamt ohnehin nicht in der Lage sein würde, sein in Spanien verstecktes Vermögen ausfindig zu machen und ihn dort weiterzuverfolgen; umgekehrt hatten spanische Behörden kein Interesse daran, für ein ausländisches Finanzamt  Amtshilfe zu leisten,  man beschäftigte sich lieber mit der Eintreibung der ei­­genen Steuern.

Wer heute vor dem deutschen Finanzamt flüchten will der muss sich schon ein Langstrecken-Ticket kaufen, in Europa bleibt er sozusagen „Zu­hause“. Ein ganzes Bündel von Maßnahmen ist in der EU längst in Kraft, um sicherzustellen, dass Steuerzahler ihre Verpflichtungen nicht nur in ihrem Wohnsitz-Land erfüllen, sondern auch ihre Steuerschulden bei anderen EU-Ländern begleichen.

Schon die Richtlinie des Rates der EU vom 16. März 2010 (2010/24/EU) „…über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen…“, in Kraft sowohl für Spanien als auch für Deutschland seit dem 1. Januar 2012, hatte penibel geregelt, wie die bürokratischen Abläufe gestaltet werden. Natürlich müssen materiell bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, aber die sind leicht zu erfüllen: es muss sich um einen rechtskräftigen Anspruch handeln, und es muss feststehen, dass das im Inland bestehende Vermögen nicht ausreicht, um die Steuerschuld zu begleichen.

Hatten sich die europäischen Finanzämter in der Vergangenheit wechselseitig nur bei der Eintreibung von Umsatzsteuerforderungen unterstützt, findet diese Richtlinie gem. deren Art. 2 Anwendung auf alle Forderungen im Zusammenhang mit „… Steuern und Abgaben aller Art, die von einem Mitgliedstaat oder dessen gebiets- oder verwaltungsmäßigen Gliederungseinheiten, einschließlich der lokalen Behörden, oder für diesen oder diese oder für die Union erhoben werden …“ umfassender geht es wirklich nicht. Gemäß Art. 13 muss der spanische Staat diese deutsche Steuerforderung so behandeln, als sei es eine unbezahlte spanische Steuerforderung. Es bedarf natürlich keiner Erwähnung, dass Finanzämter besonders schnell und einfach vollstrecken können, insbesondere benötigen sie keine gerichtliche Unterstützung.

Und dann gibt es auch noch das neue Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) Deutschland-Spanien, das seit dem 1. Januar 2013 in Kraft ist. Art. 25 lautet „Informationsaustausch“, Art. 26 „Amtshilfe bei der Erhebung von Steuern“. In diesen beiden Artikeln geht es nicht etwa um die „Vermeidung einer Doppelbesteuerung“,  was ja eigentlich der Inhalt des Abkommens sein soll, sondern vielmehr  darum, dass Informationen  selbst dann erteilt werden, wenn es sich um rein innerstaatliche Steuern handelt.

Was die Vollstreckung angeht, hat man sich eine schlaue Regelung einfallen lassen. Der deutsche Staat muss nicht etwa selbst in Spanien tätig werden und ein kompliziertes Vollstreckungsverfahren im Ausland durchführen, sondern gem. Art. 26.3. DBA wird sein „… Steueranspruch vom anderen Staat nach dessen Rechtsvorschriften über die Vollstreckung seiner eigenen Steuern erhoben, als handele es sich bei dem Steueranspruch um einen Steueranspruch des anderen Staates“, mit anderen Worten, der spanische Staat wird die deutsche Steuerschuld in Spanien so vollstrecken, als wenn es sich um eine rein spanische Steuer handeln würde.

Rein praktisch sieht das so aus: der deutsche Steuerschuldner mit Immobilienbesitz in Spanien erhält ein Schreiben des spanischen Finanzamtes mit der Mitteilung, dass seine Immobilie gepfändet wurde und die Zwangsversteigerung angeordnet ist. Bezug genommen wird bei dieser Maßnahme auf die nach dem spanischen Steuergesetz (Ley General Tributaria (Ley 58/ 2003) geregelten Vollstreckungsmaßnahmen, und bei den Angaben zum Vollstreckungsgrund heißt es lakonisch nur: „Recaudación Asistencia Mutua CEE“ (wechselseitige Steuer-Vollstreckung EU).

Und wie es weitergehen wird, kann man jetzt auch schon recht genau sagen: die EU-Richtlinie 2011/16 EU (deren Durchführungsverordnung am 6. Dezember 2012 erlassen wurde), weist insoweit den Weg: Ab dem 1. Januar 2015 wird es einen „automatischen Informationsaustausch“ zwischen den Ländern geben und zwar unter anderem über Vergütungen aus unselbstständiger Arbeit, Eigentum an unbeweglichem Vermögen und Einkünfte daraus. Auskünfte müssen innerhalb von sechs Monaten erteilt werden, Beamte des anderen Landes dürfen bei den Ermittlungen zugegen sein.

Gewöhnen wir uns dran: Auch das ist vereintes Europa.

Dr. Armin Reichmann

Rechtsanwalt / Abogado

Frankfurt am Main /

Palma de Mallorca

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Tel. 971 91 50 40

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