Der spanische Hypothekenmarkt bleibt in Aufruhr


Ein Artikel von Dr. Armin Reichmann

Die Immobilienkrise in Spanien hat hierzulande letztlich die gleichen Ursachen und Wirkungen wie seinerzeit in den USA, insbesondere Kalifornien. Angesichts jährlich steigender Immobilienpreise wurden selbst Familien mit kleineren und mittleren Einkommen verlockt, sich ein eigenes Haus zuzulegen.

Oft konnte es nach kurzer Zeit mit Gewinn verkauft werden, was die Gier nur größer werden ließ, nun noch ein viel größeres Haus zu erwerben oder vielleicht gar mehrere Wohnungen gleichzeitig. Die Banken spielten dabei eine wirklich unrühmliche Rolle. Althergebrachte Bank-Grundsätze wurden über Bord geworfen und Finanzierungen durchgewinkt, die bei normaler Konjunkturlage niemals hätten genehmigt werden dürfen. 100% Finanzierungen waren eher die Regel als die Ausnahme.

In dem nun zusammenbrechenden Immobilien-Markt, verbunden mit steigenden Zinsen, waren die bedauernswerten Erwerber in der Falle gefangen. Sie konnten  einerseits Zins und Tilgung nicht mehr bezahlen, andererseits war ein Verkauf des Hauses zu dem Betrag der Darlehensschulden aufgrund der gesunkenen Preise nicht möglich. Damit wurde eine Zwangsversteigerung des Hauses durch die Bank unausweichlich, bei der dann  nur ein Teil dieser Schulden erlöst werden konnte, mit der Folge also, dass der Schuldner nicht nur das Haus los war, sondern auch noch mit beträchtlichen Schulden dastand.

Ein viel diskutiertes Urteil aus Navarra ließ die geplagten Schuldner Hoffnung schöpfen.  Dort wurde entschieden, dass eine Bank, die im Rahmen der Zwangsversteigerung selbst die Immobilie zum Mindestwert, nämlich 50% des Schätzwertes, ersteigerte, die danach verbleibende Restverbindlichkeit nicht mehr bei dem Schuldner geltend machen durfte, mit dem Argument, dass die Bank es sich selbst zuzuschreiben habe, wenn sie bei Gewährung des Darlehens dem Haus einen so hohen Sicherheitswert zugestanden habe.

Das Urteil ist längst Geschichte, die Folgen aber noch nicht beseitigt. Verbraucherschützer und Medien haben das Thema aufgegriffen, und irgendwann kam dann auch die Politik nicht umhin,  Farbe zu bekennen. Dem vielfach geäußerten Wunsch, es den ohnehin beim Volk nicht sehr beliebten Banken zuzumuten, dass mit der Rücknahme der Immobilie auch jegliche Darlehensschuld erlösche, war kaum nachzukommen. Hier gab und gibt es erhebliche rechtliche Bedenken bei der Umsetzung, und letztlich kann keiner ernsthaft an einer damit zwangsläufig verbundenen Schwächung des Bankensystems interessiert sein. Der negative Effekt wird jetzt schon deutlich: Banken und Sparkassen treten in Konkurrenz zu Maklern, weil sie unerwartet viele Immobilien von ihren Kunden zurücknehmen mussten. Dieser Immobilienüberhang verstärkt die ohnehin vorhandene Liquiditätsschwäche der Finanzierungsinstitute und lässt ihnen immer weniger Raum, ihren eigentlichen Aufgaben nachzukommen. Der eilige Zusammenschluss vieler spanischer Sparkassen ist nur eine Folge dieser Situation. Die früher so starke und selbstständige SA NOSTRA aus Mallorca gehört seit Dezember 2010,  sicherlich nicht aus Begeisterung, zu einem Verbund von insgesamt vier Sparkassen, u.a. aus Granada und Murcia, (Banco Mare Nostrum S.A.; BMN) unter der Führung der Sparkasse aus Murcia. So kann es gehen.

In diesem Spannungsfeld zwischen sich übervorteilt sehenden Immobilieneigentümern und schwächelnden Banken hatte die Regierung Zapatero nun eine Regelung zu finden, die im Ministerrat  am 1. Juli 2011 abgesegnet wurde. Herausgekommen ist das Real Decreto Ley 8/2011 de 1 de julio de medidas de apoyo a los deudores hipotecarios … veröffentlicht am 07. Juli, und seit diesem Tage in Kraft. Übrig geblieben ist damit ein Kompromiss, der niemandem weh tut, aber auch keines der geschilderten Prob­leme wirklich lösen wird;  letzteres kann übrigens von keiner Regierung verlangt werden. 

• Der Wert, zu dem eine Immobilie durch den betreibenden Gläubiger in einem Zwangsversteigerungsverfahren erworben werden kann, liegt nun nicht mehr bei 50%, sondern bei 60% des von den Parteien vorab vereinbarten Schätzwertes.

• Der Betrag, der von jedem interessierten Bieter vor der Zwangsversteigerung hinterlegt werden muss (sogenannte Bietersicherheit) wird von 30% auf 20% des Schätzwertes herabgesetzt.

• Als weitere flankierende Maßnahme wurde für einen Hypothekenschuldner, gegen den nach Versteigerung seines Hauses die Zwangsversteigerung weiter betrieben wird, der Pfändungs-Freibetrag, also der Betrag, der unpfändbar bleibt, von 700 € auf 961 € erhöht und beträgt damit nun 150% des gesetzlichen Mindestlohnes mit einer Erhöhung um weitere jeweils 30% für jedes Familienmitglied, dessen Einkommen unter dem Mindestlohn liegt.

Eine wirkliche Neuorientierung ist mit diesen Maßnahmen nicht verbunden, die Probleme werden bleiben. Die enormen Preissteigerungen der vergangenen Jahre waren halt nicht von Nachfrage getrieben, sondern vielfach von Spekulation. Die Spekulanten haben aber nun die Seiten gewechselt, von der Käufer- auf die Verkäuferseite. Die nach wie vor vorhandene „echte“ Nachfrage orientiert sich aber gerade dann, wenn sie wie derzeit auf ein breites Angebot stößt, an Preisen. Entsprechend ist derzeit an Preissteigerungen nicht zu denken.  Wer sich noch an die letzte Immobilienkrise 1991 in Spanien erinnert,  weiß,  dass es bis zu einem Wiederaufschwung acht Jahre dauerte. Auf die derzeitige Krise (Beginn Dezember 2007) bezogen, bedeutet das, dass uns noch vier weitere Jahre bevorstehen.

Dr. Reichmann

Rechtsanwälte

Frankfurt am Main und

Palma de Mallorca

Steinlestr. 7

60596 Frankfurt am Main

Tel.  +49 (0) 69 / 61 09 34-11

Fax  +49 (0) 69 / 61 10 99

www.dr-reichmann.com

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