Deutsche Forscher „sezieren“ Vulkan


© MAIKE NICOLAI

Wissenschaftler erkundeten an Bord des Tauchboots Jago den untermeerischen Vulkan vor El Hierro

Mehr als vier Jahre nach dem Ausbruch des untermeerischen Vulkans vor El Hierros Küstenort La Restinga dokumentierten deutsche Forscher nun die Entwicklung des Gebiets und die noch immer andauernde hydrothermale Aktivität. Die Wissenschaftler des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel gingen mit dem Tauchboot Jago dem Ursprung des Vulkans auf den Grund und entnahmen aus 220 Metern Tiefe Proben von Gasen, Flüssigkeiten und Gestein.

Den Einwohnern ist der Vulkanausbruch vor La Restinga vor vier Jahren noch gut in Erinnerung. Nachdem sich drei Monate lang die Erde mal stärker, mal schwächer bewegt hatte, und das Hochdringen von Magma bezeugte, brach dies schließlich am 10. Oktober 2011 an der schwächsten Stelle durch den Meeresboden des Mar de las Calmas. Fünf Kilometer von La Restinga entfernt brodelte wochenlang das Meer aufgrund der aufsteigenden Gase, glühendes Vulkangestein stieg an die Oberfläche und gab trotzdem nur einen vagen Eindruck von dem Spektakel ab, das sich ein paar Hundert Meter unter der Wasseroberfläche abspielte.  Die Einwohner erlebten dramatische Momente. Weil ein Vulkanausbruch in Küstennähe aufgrund der Wechselwirkungen zwischen Magma und Wasser eine Gefahr darstellt, wurde die Bevölkerung von La Restinga evakuiert. Der Ausbruch wurde im März 2012 für beendet erklärt.

Währenddessen blickte die ganze Welt auf El Hierro, vor dessen Küste ein unterseeischer Vulkan entstand. Die internationale Wissenschaftsgemeinschaft war hocherfreut über das Ereignis und die seltene Gelegenheit, dieses Naturphänomen weiter erforschen zu können. Nach dem Ende des Ausbruchs weitete das Nationale Geografische Institut (IGN) sein Überwachungsnetz auf El Hierro aus, um die seismische Aktivität besser kontrollieren und die Einwohner schneller vorwarnen zu können. Aufgrund der überaus seltenen Gelegenheit, einige  der vielen Rätsel im Vulkanismus zu lösen, führten diverse internationale Forschungsteams Expeditionen durch.

Dazu gehören auch die Wissenschaftler des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel. Im Februar 2015 ergänzten sie das permanente Netzwerk des IGN um neun Seismometer an Land und acht Ozeanbodenseismometer (OBS) im Küstenbereich. Nach einem Jahr kehrte das elfköpfige Team nun Anfang Februar an Bord des Forschungsschiffes Poseidon zurück. 

In einem ersten Abschnitt der Expedition wurden die OBS geborgen und die Daten ausgelesen. Die Wissenschaftler hoffen, anhand der seismischen Daten und der folgenden Deformationen mehr über die vertikale und horizontale Verteilung des Magmas zu lernen. Auch hoffen sie herauszufinden, ob die seismische Aktivität räumlichen oder zeitlichen Mustern folgt. 

Beim zweiten Teil der Expedition nahmen die Plataforma Oceánica de Canarias (PLOCAN), die Universität Las Palmas de Gran Canaria (ULPGC) und die Wissenschaftler des VULCANO-Projektes des Spanischen Institutes für Ozeanografie (IEO) teil. Hier kam das einzige deutsche bemannte Forschungstauchboot Jago zum Einsatz. Nach vier Jahren wurde der Traum der Wissenschaftler wahr, endlich den untermeerischen Vulkan mit den eigenen Augen sehen zu können. 

Mehrere Tauchgänge wurden durchgeführt, um den jungen Vulkan mit dem Echolot zu kartieren und ganz gezielt Wasser- und Gesteinsproben an wissenschaftlich relevanten Stellen zu nehmen und diese in den Heimatlabors auszuwerten. 

Die deutschen und spanischen Wissenschaftler, die an Bord der Jago bis zum 220 m tiefen Fuß des Vulkans abstiegen, stellten fest, dass keine Blasen mehr aufsteigen, die hydrothermale Aktivität in Form von austretendem warmen Wasser jedoch noch anhält. In einem zweiten jüngeren Krater waren frische Asche und Schlacke zu erkennen, die mit einer Schicht aus Eisenoxid überzogen waren. Über ein etwa 100 qm großes Gebiet am Boden des Kraters trat bis zu 39 Grad Celsius warmes Wasser aus, besonders konzentriert in etwa fünf cm großen Schloten. Eine dünne Bakterienschicht bedeckte alle umliegenden Oberflächen. 

„Es ist noch unklar, wie sich die seismische Aktivität auf El Hierro weiterentwickelt und wann sie endet, da die Prozesse, die den Anfang und das Ende eines Vulkanausbruchs steuern, noch nicht vollständig verstanden sind,“ erklärte Dr. Dietrich Lange, Seismologe am GEOMAR, auf der Wissensplattform „Erde und Umwelt“ (Earth System Knowledge Platform, http://www.

eskp.de).

„Eines unserer wichtigsten Ziele ist die Untersuchung der physikalisch-chemischen Störungen, die während der Gasaustritte aus dem Vulkan aufgetreten sind. Die Temperatur-­­

veränderungen, Versauerung, Sauerstoffentzug und Metall-Anreicherung haben die Planktongemeinschaften erheblich verändert. Es liegt nahe, dass die derzeitige Entgasungsphase Aufschluss über die Auswirkungen des globalen Wandels auf das marine Ökosystem geben wird,“ erläuterte Prof. Juana Magdalena Santana Casiano die Bedeutung der Forschungsarbeit.

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