Die Entscheidung von Juan Carlos I.

Der Aufenthaltsort von Juan Carlos I. blieb zwei Wochen lang unbekannt. Für die spanische Regierung eine unbequeme Angelegenheit, weshalb wohl Präsident Sánchez die Aufklärung zur Sache des Königshauses erklärte. „Wir sind unterschiedliche Institutionen“, sagte er. Am 17. August gab das Königshaus schließlich bekannt, der emeritierte König weile seit dem 3. August in Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate. Archivfoto: EFE

Der Aufenthaltsort von Juan Carlos I. blieb zwei Wochen lang unbekannt. Für die spanische Regierung eine unbequeme Angelegenheit, weshalb wohl Präsident Sánchez die Aufklärung zur Sache des Königshauses erklärte. „Wir sind unterschiedliche Institutionen“, sagte er. Am 17. August gab das Königshaus schließlich bekannt, der emeritierte König weile seit dem 3. August in Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate. Archivfoto: EFE

Der emeritierte Monarch zieht angesichts der Korruptions-
ermittlungen die Reißleine und verlässt Spanien

Madrid – Die „Konferenz der Präsidenten“, die nach 14 wöchentlichen Online-Treffen während des Lockdowns am 31. Juli in San Millán de Cogolla zum ersten Mal wieder mit physischer Präsenz der amtierenden Regionalpräsidenten stattfand, wollte Regierungschef Pedro Sánchez eigentlich nutzen, um angesichts der schwierigen Wirtschaftslage und der erneut steigenden Ansteckungszahlen der spanischen Gesellschaft ein Bild der Einheit und des Zusammenhalts zu präsentieren. Nicht zuletzt deswegen war der Ablauf der Konferenz auch bis ins kleinste Detail durchgeplant. Seine Pläne wurden jedoch von einem zwar nicht gänzlich unvorhergesehenen, ob der Tragweite dann aber dennoch überraschenden Ereignis durchkreuzt.
Noch vor Beginn der Konferenz bat ihn König Felipe VI., der erst am Tag zuvor seine Rundreise durch die 17 autonomen Regionen beendet hatte und nun die Konferenz eröffnen sollte, nämlich zu einem Gespräch unter vier Augen. Niemand wusste zu dem Zeitpunkt, worum es gehen sollte.
Knapp 48 Stunden danach verließ König Juan Carlos I. den Zarzuela-Palast in Madrid, der 58 Jahre sein Zuhause gewesen war, und bestieg wenige Tage später einen Flieger mit unbekanntem Zielort und auf unbestimmte Zeit. Nicht dabei, seine Gattin Sofía. Wie nun bekannt wurde, war die Entscheidung, dass der frühere spanische König angesichts der missliebigen Korruptionsermittlungen, mit denen er sich seit Längerem konfrontiert sieht, freiwillig ins Exil geht, um dem Ansehen des Königshauses nicht noch weiter zu schaden, bereits Ende Juli gefallen. Bevor die Nachricht publik gemacht werden sollte, galt es jedoch, noch einige wichtige Details zu klären. Das geschah nun im Schnelldurchgang bei dem Gespräch unter vier Augen zwischen König Felipe und Regierungschef Sánchez. Wie die spanische Tageszeitung El País in diesem Zusammenhang berichtete, ging es dabei hauptsächlich um Begrifflichkeiten und inhaltliche Fragen im Hinblick auf die offizielle Mitteilung über den Abgang von Juan Carlos I. Jedes Wort des Textes wurde sorgfältig ausgewählt. Das betraf insbesondere den Abschnitt, in dem es um die Nachricht ging, der König habe entschieden, Spanien ganz zu verlassen. Bewusst wurde dabei das spanische Wort für „Versetzung“ gewählt, womit die Aufmerksamkeit auf den in beruflicher Hinsicht militärischen Hintergrund des emeritierten Königs gelenkt werden und gleichzeitig Distanz zu Formulierungen wie „ins Exil gehen“ oder „flüchten“ signalisiert werden sollte.
Im Vorfeld hatten König Felipe und sein Vater in mehreren streng geheimen Gesprächen versucht, eine möglichst glimpfliche Lösung aus der misslichen Lage zu finden. Lediglich Jaime Alfonsín, der Chef des spanischen Königshauses, Regierungschef Sánchez und seine erste Stellvertreterin Carmen Calvo waren eingeweiht.
Doch obwohl Sánchez die Enthüllungen über die skandalösen Finanzdeals des emeritierten Königs als „beunruhigend und bestürzend“ bezeichnet und mehrere Regionalpräsidenten König Felipe dazu aufgefordert hatten, sich deutlich von seinem Vater zu distanzieren, wurde die Entscheidung zur „Versetzung“ von Juan Carlos I. allem Anschein nach nicht auf Drängen der Regierung getroffen. Wie sich im Nachhinein herausstellte, waren vielmehr die verheerenden Umfrageergebnisse, die verdeutlichten, dass sich das Ansehen der Monarchie in Spanien im freien Fall befand, maßgeblich dafür, dass König Felipe seinen Vater zu einer drastischen Entscheidung drängte. Regierungschef Sánchez hatte dem König zwar seine Bedenken angesichts der Lage mitgeteilt und darauf gepocht, dass es alles daranzusetzen gelte, die Institution Monarchie zu retten, ihm aber auch gleichzeitig den Rückhalt der Regierung im Hinblick auf die Entscheidung seines Vaters signalisiert, heißt es aus Regierungskreisen.
Da die naheliegendste und auch am leichtesten umsetzbare Lösung, – die Bereitschaft seitens Juan Carlos’, auf den Ehrentitel „König“, der ihm im Juni 2014, wenige Tage vor seiner Abdankung, auf Lebzeiten zuerkannt wurde, freiwillige zu verzichten – aufgrund der Weigerung des Bourbonen keine Option war und König Felipe seinen Vater nicht gegen seinen Willen dazu zwingen wollte, musste eine andere, möglichst Frieden stiftende Lösung her. So blieb nur noch die Option, eine deutliche Distanz zwischen dem in Finanzskandale verwickelten Altkönig und dem spanischen Königshaus zu markieren. Obwohl auch diese Lösung laut El País nicht im Sinne von Juan Carlos I. war, setzte sich Felipe schließlich durch. Dass es mit Sicherheit kein leichter Prozess war, zeigt sich unter anderem an der offiziellen Mitteilung, in welcher der König seinem Vater gegenüber „seinen tiefen Respekt und Dankbarkeit im Hinblick auf seine Entscheidung“ zum Ausdruck brachte. Er sei sich des persönlichen Opfers, das dieser brachte, durchaus bewusst, heißt es darin weiter.
Dass es bei der „physischen Distanz“ jedoch letztendlich nicht nur um den Auszug des Königs aus dem Zarzuela-Palast ging, sondern dieser Spanien gleich ganz verlassen würde, das kam dann für viele doch sehr überraschend und beschäftigte die Medien ebenso wie die Gesellschaft über viele Tage. Unter anderem überschlugen sich bei dieser Debatte natürlich auch die Spekulationen über den Ort seines neuen Wohnsitzes und die Tatsache, dass der emeritierte König mit seinen 82 Jahren und 17 überstandenen Operationen – eine davon im letzten Jahr am offenen Herzen – zu der Bevölkerungsgruppe gehört, die am meisten durch Covid-19 gefährdet ist.
Die Regierung schwieg sich im Hinblick auf den neuen Wohnort von König Juan Carlos zunächst aus und spielte dem Königshaus den Ball zu. Dort wiederum wurde argumentiert, es handle sich um eine „private Reise“ von Juan Carlos I., über die keine Rechenschaft abgelegt werden müsse. Angesichts der Tatsache, dass dieser auf eigenen Wunsch weiterhin den Ehrentitel König trägt und somit immer noch Mitglied des Königshaues ist, zudem über eine Polizeieskorte verfügt und nicht auf seine dynastischen Rechte verzichtet hat, kann er jedoch nicht als gewöhnlicher Einwohner angesehen werden.
Inzwischen hat sich das Gerücht, dass ihn seine erste Reise ausgerechnet nach Abu Dhabi geführt hat, als wahr erwiesen. Dies bestätigte das Königshaus am 17. August 2020.
Ein unerwarteter Nebenschauplatz ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die jahrelange Geheimniskrämerei um den Status der Ehe von Juan Carlos und Sofía nun wohl endgültig ein Ende hat. Auch wenn nicht offiziell darüber gesprochen wird, scheint nun klar: die „Altkönige“ haben sich getrennt. Sofía wurde derweil wenige Tage nach dem Abgang des Königs beim Einkaufen auf Mallorca gesichtet.

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