Die EU prüft den Staatspakt gegen geschlechtsspezifische Gewalt


Archivfoto einer Demonstration in Las Palmas nach der Ermordung einer Frau durch ihren ehemaligen Lebensgefährten. Foto: EFE

EU-Parlamentarierinnen untersuchen die Maßnahmen zum Opferschutz

Madrid – Die EU zeigt Interesse an dem spanischen Staatspakt gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Zwei Abgeordnete des Europaparlaments, Anna Maria Corazza und Mary Honeyball, besuchten vor Kurzem Madrid und sprachen mit Vertretern der spanischen Justiz, Angehörigen des Abgeordnetenhauses und des Senats, Vertretern des Justizministeriums und von Hilfsorganisationen, um das spanische Modell zu analysieren.

Zu den wichtigsten Maßnahmen des Staatspaktes gegen geschlechtsspezifische Gewalt aus dem vergangenen Jahr gehört, dass die Frau ihren Opferstatus mit einem von den Sozialdiensten ausgestellten Dokument nachweisen kann, um schnell und unbürokratisch Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Des Weiteren reicht die Zustimmung des Opfers aus, um Kindern psychologische Hilfe zu ermöglichen. Auch wurde den Gemeinden, als den Institutionen, die den Opfern am nächsten stehen, die Zuständigkeit in Sachen geschlechtsspezifische Gewalt erneut zuerkannt, nachdem die Regierung von Mariano Rajoy ihnen diese vor Jahren entzogen hatte.

Die schwedisch-italienische EU-Abgeordnete Anna-Maria Corazza (Europäische Volkspartei, EVP) und die britische EU-Abgeordnete Mary Honeyball (Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament) waren im März nach Madrid gereist, um das Problem der Gewalt gegen Frauen in Spanien, die Maßnahmen des Staatspaktes und die neue Bedrohung der Frauenrechte durch die aufstrebende VOX-Partei kennenzulernen. Die beiden Politikerinnen zeigten sich besorgt über die Bestrebungen von VOX, das Gesetz gegen geschlechtsspezifische Gewalt von 2004 abzuschaffen. Die rechtspopulistische Partei zweifelt zudem den Wahrheitsgehalt der Anzeigen der Frauen und die Richtigkeit der Schutzmaßnahmen an. Im Gespräch mit der Tageszeitung El País erklärten Corazza und Honeyball, in vielen Ländern Europas seien extremistische Parteien im Vormarsch und könnten bei den Europawahlen erheblich an Einfluss gewinnen. Die EU-Parlamentarierinnen erklärten, gleichgültig ob rechts oder links ausgerichtet, extreme Parteien würden die Frauenrechte gefährden. Die Bevölkerung müsse davon in Kenntnis gesetzt werden.

Beide bewerteten den Staatspakt gegen geschlechtsspezifische Gewalt als hervorragend und zwar nicht nur wegen des Inhaltes, sondern auch, weil sich die Parteien über ihre politische Couleur hinweggesetzt und den Sinn des Gesamtwerkes, also den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt, als Priorität gesehen hätten. Damit sei Spanien zum Vorbild für andere Länder geworden.

Corazza und Honeyball stimmten überein, europaweit müsse man verstärkt dafür sorgen, dass bedrohte Frauen die an ihnen ausgeübte Gewalt anzeigen. Gesamte Daten für Europa liegen nicht vor. In Spanien wurde jedoch ermittelt, dass drei von vier von ihren ehemaligen oder aktuellen Lebenspartnern ermordete Frauen die Behörden nicht informiert hatten. Die Parlamentarierinnen stimmten dafür, die Richter und Richterinnen mehr für die Gefühlslage der Frauen zu sensibilisieren, die sich oftmals von den Behörden eingeschüchtert oder sogar an der Situation schuldig fühlten.

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