Die Höhlen von Altamira sollen wieder geöffnet werden


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Seit 1979 für die Öffentlichkeit gesperrt

Der Präsident der spanischen Provinz Kantabrien, Miguel Ángel Revilla, hat eine Kommission beauftragt, festzustellen, wann und unter welchen Bedingungen die berühmten Höhlen von Altamira wieder für das Publikum freigegeben werden können.

Madrid – „Wir können ein so wichtiges Kulturgut nicht weiterhin geschlossen halten“, sagte er der Presse. Besonders ärgerte ihn, dass er nicht einmal seine Staatsgäste in die Höhle führen durfte: „Ich musste seinerzeit Jacques Chirac sagen, dass er die Höhle nicht sehen kann, und vor kurzem Präsident Calderón aus Mexiko“ echauffierte er sich. „Jetzt wird das wieder gehen, und ich schlug vor, Obama einzuladen.“ Die Fachleute dämpften seine Euphorie jedoch etwas, indem sie darauf hinwiesen, dass man noch nicht so weit sei sagen zu können, wieviele Besucher die berühmten steinzeitlichen Höhlenmalereien verkraften und bis wann die technischen Einrichtungen fertig sein werden. Im Jahr 1979 mussten die Höhlen für die Öffentlichkeit geschlossen werden, weil durch die Feuchtigkeit und das Kohlendioxid der Atemluft der Besucher Schimmelpilze entstanden waren, die die Malereien zu zerstören drohten. Ähnlich war es zuvor den Bildern in der Höhle von Lascaux in Frankreich ergangen, die schon 1963 geschlossen und mit einem aufwendigen Klimasystem ausgestattet werden musste. Solche Maßnahmen werden auch in Altamira zum Einsatz kommen. Für die großen Besucherströme hatte man aber 2001 eine originalgetreue Imitation des 1.500 m² großen Eingangsbereiches geschaffen und in einem Museum in der Nähe untergebracht, das seither von 2,5 Millionen Interessierten besucht wurde. Andere originalgetreue Kopien kann man auch im Deutschen Museum in München und im „Museo Arqueológico Nacional de España“ in Madrid bewundern.

Steinzeitkunst von hoher Qualität

Die Altamira-Höhlen liegen in Kantabrien in Nordspanien, etwa 30 km westlich von Santander. Entdeckt wurden sie 1868 von einem Jäger, dessen Hund in einem Höhleneingang verschwand. Elf Jahre später entdeckte die achtjährige Tochter des Grundbesitzers Don Marcelino Sanz de Sautuola die Bilder der Bisons an der Höhlendecke, die nach Meinung von Archäologen etwa 15.000 Jahre alt sein sollen. Die schlichte Schönheit dieser frühen Kunst hat die Betrachter immer wieder fasziniert. Manche nennen Altamira ehrfurchtsvoll die „Sixtinische Ka­pelle prähistorischer Kunst“, und Picasso soll nach einem Besuch der Höhlen gesagt haben: „Nach Altamira erscheint alles nur noch dekadent“. Die offizielle Archäologie tat sich zunächst schwer zu glauben, dass der Steinzeitmensch schon solch künstlerisches Talent gehabt haben soll. So bezeichnete der französische Prähistoriker Émile Cartailhac die Malereien anfangs als „vulgären Streich eines Schmierers“, entschuldigte sich aber 1902 für seine Bemerkung und erkannte sie als echt an. Insgesamt 930 Bilder haben die Höhlenbewohner dort hinterlassen, „darunter Ritzzeichnungen, reine Kohlezeichnungen und farbige Bilder. Abgebildet sind Hirsche, Bisons, Hirschkühe, Pferde und Wildschweine. Es wurden dabei Holzkohle, Rötel und Manganerde verwendet. Als Pinsel kamen vermutlich Federn zum Einsatz“, wie Wikipedia schreibt. 

Strenge Kriterien

Der „Oberste Rat wissenschaftlicher Forschung“ (Consejo Superior de Investigaciones Científicas) stellt in einem Papier zum Thema hohe Anforderungen für den Fall einer Wiedereröffnung und macht klar, dass er eigentlich zum Schutz der wertvollen Originale die Anlage lieber geschlossen halten würde. Auf jeden Fall wird nur eine streng begrenzte Besucherzahl zugelassen werden, wie es in den Jahren 1982 – 2002 schon einmal praktiziert worden war. Damals beliefen sich die Wartezeiten für den Besuch der Höhlen auf ein Jahr. Diskutiert wird auch ein eingeschränkter Zugang mit dem Nachweis von „wissenschaftlichem Interesse“. Außerdem wird eine genaue Überwachung der mikrobiellen Situation in den Höhlen gefordert, um ein zerstörerisches Pilzwachstum sofort zu erkennen. Die Kunstwerke aus Naturfarben haben nur deshalb die Jahrtausende überdauert, weil sie von der Außenwelt abgeschnitten waren und Mikroben, die sie hätten fressen können, gar nicht erst hereinkamen. Der Einsatz von Fungiziden wird aber ausdrücklich abgelehnt, da man bei den Höhlenmalereien von Lascaux damit schlechte Erfahrungen gemacht hatte.

Was am ehesten Erfolg für die Erhaltung der „ältesten Kunstwerke der Menschheit“ verspricht, ist ein ausgeklügeltes System der Be- und Entlüftung, das Temperatur, Feuchtigkeit und CO2-Gehalt der Luft in einem optimalen Bereich hält und Mikroben und andere Fremdstoffe eliminiert, also eine quasi sterile Umgebung erzeugt. Eine Art Luftschleuse am Ein- und Ausgang könnte dazu beitragen. Trotzdem bleibt nach Meinung der Experten immer ein Restrisiko, das im schlimmsten Fall dazu führen könnte, diese unersetzlichen Malereien für immer zu verlieren.

Wie auch die Entscheidung letztlich ausfallen wird – es bleibt eine Gratwanderung zwischen dem berechtigten Inter­esse der Öffentlichkeit und der Verpflichtung zur Bewahrung eines unersetzlichen Kulturgutes.

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