Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer

Wo der Sicherheitsabstand nicht eingehalten werden kann, gilt weiterhin eine Maskenpflicht. Foto: efe

Wo der Sicherheitsabstand nicht eingehalten werden kann, gilt weiterhin eine Maskenpflicht. Foto: efe

Der Mundschutz als Sozialindikator

Kanarische Inseln – Einerseits ist der Mund-Nasen-Schutz auch nach Beendigung des Alarmzustandes landesweit obligatorisch, um die Ausbreitung der Pandemie weiter einzuschränken. Andererseits kann die Anschaffung des Mundschutzes für manche Familien tatsächlich zu einem Luxus werden, denn über 770.000 Menschen leben auf den Kanaren am Rande der Armutsgrenze, und etwa 195.000 müssen tatsächlich mit 370 Euro im Monat auskommen.
Angesichts dieser Zahlen wird offensichtlich, dass der Kauf einer Mundschutzmaske, die in Apotheken für 95 Cent verkauft wird, durchaus ein Luxusgut sein kann. „Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer weiter. Gerade anhand dieses Themas können wir gut erkennen, wie weit sie innerhalb der kanarischen Bevölkerung bereits auseinanderklafft. Der Mundschutz ist eine zusätzliche Ausgabe, die in einer Familie, in der ohnehin bereits hart kalkuliert werden muss, um zu sehen, was gegessen wird und welche Rechnungen bezahlt werden müssen, kaum zu stemmen ist“, erklärt Ana Demetrio, die Sprecherin des kanarischen Netzwerkes zur Verteidigung der öffentlichen Sozialdienste (Redesscan).
„Für viele Familien hat sich die Situation verschärft. Wer nicht weiß, wie er die nächste Stromrechnung bezahlen oder was morgen auf den Tisch kommen soll, wird eher Essen kaufen als einen Mundschutz“, weiß auch der Cáritas-Koordinator Jesús Alberto González. Für Demetrio bedeutet die Tatsache, dass der Kauf des Mundschutzes für viele Menschen unerschwinglich ist, einen Verstoß gegen eines der Grundrechte aller Menschen: Das Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Die Aufwendung für den Mundschutz kann, wenn er ordnungsgemäß täglich gewechselt wird, rund 30 Euro im Monat betragen – und das pro Person. Was bedeutet, je mehr Familienmitglieder, umso teurer wird es, außer Haus zu gehen, einzukaufen oder ein öffentliches Verkehrsmittel zu benutzen. Für eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern, die älter als sechs Jahre sind, sind dies beispielsweise zusätzliche Kosten in Höhe von 90 Euro.
Gemäß der letzten Analyse über Armut auf den Kanaren, durchgeführt von EAPN España, leiden auf den Kanarischen Inseln circa 186.00 Personen unter Entbehrungen. Das bedeutet, dass vier von neun Dingen, die auf europäischer Ebene als Basisversorgung betrachtet werden, nicht abgedeckt werden können. Mehr als die Hälfte dieser Menschen können unvorhergesehene Ausgaben nicht bestreiten, und für 8,5% der Menschen ist es nicht erschwinglich, wenigstens jeden zweiten Tag Fleisch, Hühnchen oder Fisch zu essen.
Die Situation wird sich in der nahen Zukunft durch die anhaltende Kurzarbeit und die erwartete Erhöhung der Arbeitslosenzahlen vermutlich noch mehr zuspitzen. Aber der Mundschutz ist nicht nur ein Kostenfaktor, sondern birgt auch ein erhöhtes Infektionsrisiko. Denn gerade aufgrund der Anschaffungskosten liegt es nahe, dass die Menschen die chirurgischen Masken, die nach vier Stunden ihren Schutz verlieren, nicht häufig genug wechseln. Sie werden ineffizient, und das Risiko einer Infektion erhöht sich für die Betroffenen. Gleiches gilt im Übrigen, nach Einschätzung des Chef-Epidemiologen des Gesundheitswesens, Amós García Rojas, für selbstgefertigte Stoffmasken, die damit auch keine wirkliche Alternative sind. Nachdem sie aus ganz unterschiedlichen Materialien und nicht getesteten Stoffen genäht werden, ist nicht unbedingt gewährleistet, dass sie den Träger effektiv vor einer Ansteckung schützen.
Aus all diesen Gründen fordern die Sozialarbeiter und freiwilligen Helfer, welche die Not an der vordersten Front der Gesellschaft miterleben, dass der obligatorische Mundschutz diesen Menschen kostenlos zur Verfügung gestellt werden müsste.

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