Die letzte Weihnachtspost


Eine (lange) Kurzgeschichte von Heinz Sebor

Einer der nettesten Bräuche unserer Vorfahren war es, zu besonderen Anlässen Grußkarten an Verwandte und Freunde zu verschicken. Wunderschöne, künstlerisch gestaltete  Karten wurden zu Weihnachten, Neujahr, Ostern, aber auch zu Namenstagen per Post versandt. Höhepunkt dieser Kunst-Karten war um die vorvorige Jahrhundertwende (um 1900), als heute noch begehrte Sammelobjekte entstanden.

In Anlehnung an diesen Brauch begann ich vor etwa 20 Jahren, eigene Weihnachtskarten zu gestalten und zu verschicken oder direkt zu überreichen. Mit Scherenschnitten beginnend, folgten sehr bald Fotomotive aus der Weihnachtszeit oder der heimatlichen Umgebung. Aus der einfachen Karte wurden bald Billetts mit 3 bedruckten Seiten, die dann bald auf das A 5-Format anwuchsen. Zu den Bildern kamen sinnvolle Sprüche und natürlich die persönlichen Wünsche für das Fest und das neue Jahr.

Im Computer-Zeitalter konnten diese Weihnachtsgrüße als Mail-Anhang verschickt werden, was Zeit und Aufwand verringerte. Die gedruckten Karten fand ich bei vielen Freunden nach Jahren noch immer aufbewahrt. Das erinnerte mich an meine Großeltern und deren Generation, wo die Fenster in der Küchen-Kredenz mit Glückwunsch- und Urlaubs-Karten vollgesteckt waren.

Wir sind seit mehr als 10 Jahren über Weihnachten auf Teneriffa. Also beschloss ich für heuer: Nur ein Teil der Internet-Freunde bekommt Mail-Weihnachtspost, alle anderen werden per Post beglückwünscht! Vorarbeiten: Billett entwerfen, Karton besorgen, vervielfältigen, Adressen-Aufkleber bedrucken.

Am 7. Dezember waren 25 Kuverts fertig zum Versand. Vom Hotel hinunter in die Altstadt von Puerto de la Cruz. Erste Trafik an diesem Fenstertag geschlossen, zweite Trafik kann nicht sagen, wieviel Porto notwendig. Also ging ich zum Hauptpostamt. Eine freundliche Dame beäugt meine Kuverts, reiht sie unter „Sonderformate“ ein – und teilt mir mit: 1,47 Euro pro Stück! Kurze Überschlags-Rechnung und Überlegung „Was wird meine Frau wohl dazu sagen?“

Als die Beamtin beginnt, Computer-Ausdrucke als Porto aufzukleben, protestiere ich heftigst. „Nein, ich möchte Briefmarken kleben, das ist schöner und persönlicher!“ – Erster Tiefschlag: Es gibt keine € 1,47-Marken. Zweiter Tiefschlag: Wenn Sie unbedingt Marken wollen, müssen Sie zwei 90-Cent-Marken nebeneinander kleben! Ich resigniere und warte, bis der Computer alle Aufdrucke geliefert hat und bezahle rund 35 Euro!

Meine Frau reagiert, wie ich es erwartet habe: Das sind ja umgerechnet 500 Schilling!  Und dazu noch alles, was du vorher aufgewendet hast. Das tun wir nicht wieder! Also gemeinsamer Beschluss: Im nächsten Jahr wird allen per Internet gratuliert, Familie und Nachbarn persönlich. Und nur die, die nicht per E-Mail erreichbar sind, bekommen eine Weihnachts-Karte von den „Roten Nasen“ oder den „SOS-Kinderdörfern“!

Und so ist die bürokratische und „habgierige“ spanische Post schuld daran, dass einer der ältesten und schönsten österreichischen Bräuche zum Aussterben verurteilt ist …..

Heinz Sebor

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