» Die Mühle verrottet, weg ist der Bach «


Windenergie hat hier Zukunft. Für Wasserenergie scheint auf Teneriffa die Zukunft schon Vergangenheit zu sein. Wassermühlen prägten 400 Jahre lang seit der Eroberung der Inseln und nicht nur hier das vorindustrielle Zeitalter. Die mechanischen Walk- und Klopfmaschinen, die dem Dörfchen Los Batanes seinen Namen gaben, sind leider längst verschwunden. In La Orotava sind von dreizehn Wassermühlen, die das Stadtbild zusammen mit Klöstern, Kirchen und Palästen prägten, noch zwölf erhalten. Zwei von ihnen arbeiten noch, allerdings mit Strom. In Realejo Bajo arbeiteten zwei Müller. In beiden Städten waren die Mühlen entlang eines Wasserkanals aufgereiht. Das steile Gefälle machte es möglich, vom gleichen Wasserlauf mehrere Wasserräder nacheinander antreiben zu lassen. Anders als auf dem Kontinent stand hier aber keine Mühle am rauschenden Bach. Die Besitzer der Wasserrechte, in der Regel die Großgrundbesitzer, ließen schon zeitig das Wasser zu ihren Besitzungen leiten – nicht nur zur Bewässerung ihrer Ländereien. Mühlen waren ein einträgliches Geschäft. In den 1930er-Jahren versiegten die meisten leis­tungsstarken natürlichen Quellen und mit ihnen zahlreiche Brunnen, Viehtränken und Waschplätze (Lavaderos). Kurz zuvor hatte der Bau der Wasserstollen (Galerías) begonnen. Um die Wasserversorgung zu vergrößern und zu sichern, hatten sich damit die Wasserbesitzer ihre eigenen Quellen abgegraben. Die Wassermühlen saßen buchstäblich auf dem Trockenen und stellten den Betrieb ein.

Mühlen waren nicht nur entlang des Wassers gebaut. Sie brauchten auch eine gute Verbindung zum antiken Straßen- und Wegenetz der Insel. In La Orotava führte der Camino de Chasna, einer der wichtigsten Caminos Reales, von der Iglesia de la Concepción nicht nur an den Palästen der Monteverdes und der Casa de los Balcones sowie dem leider zu Beginn des 19. Jahrhunderts abgebrannten seinerzeit bedeutendsten Klos­ters der Inseln vorbei, sondern eben auch an den Mühlen entlang. So konnte das Korn gut herangeschafft und das Mehl (Gofio) bequem zum Verkauf transportiert werden. In Realejo Bajo, einem der ältesten Teile von Los Realejos, war es nicht anders. Beide Mühlen befanden sich am steilen Hang oberhalb des Camino Real de Icod el Alto in strategisch günstiger Lage und zudem ganz in der Nähe des Landsitzes ihrer Besitzer. Bei diesen handelte es sich um den Anführer der spanischen Eroberer der Insel, Alonso Fernández de Lugo, und seine Nachfahren. Der Conqistador hatte sich unterhalb des Landsitzes die weiten und nicht so steilen Berghänge angeeignet und dort Zuckerrohr anbauen lassen. Für dessen Verarbeitung wurde auf dem Gelände auch ein Ingenio, eine Zuckersiederei, erbaut. Zucker war in der damaligen Zeit „weißes Gold“. Durch Erbschaft und Heirat gelangte das Gut an die italienischen Prinzen von Asculi und erhielt so seinen aktuellen Namen.

Die Nordfassade des ansehnlichen Gebäudekomplexes zeigt zum Camino de Icod el Alto. Dieser Weg war ursprünglich ein wichtiger Camino Real und die einzige Verbindung aus dem Orotavatal in den Westen der Insel. Die heutige Küstenstraße mit zahlreichen Tunnels durch unpassierbare Felsklippen wurde erst kurz vor dem spanischen Bürgerkrieg in den 1930er-Jahren erbaut. Da auch die moderne Straße zwischen Realejo Alto und Icod el Alto aus dieser Zeit stammt, war bis dahin der Camino Real eine der wichtigsten Straßen der Insel. Er folgte einem bereits existierenden Guanchen-Weg aus vorspanischer Zeit. Im Ortsbereich längst asphaltiert, verläuft er weitgehend hangparallel und bringt uns zur Tigaiga, der steilen Wand, die das Tal im Westen begrenzt und diesem Ortsteil den Namen gab. Neben einem Kapellchen beginnen die Vueltas de Icod el Alto. Dort betritt man das bestens erhaltene, aber durch Generationen von Füßen und Hufen im Verlauf der Jahrhunderte polierte Pflas­ter. Möglicherweise ist dies der am besten erhaltene Camino Real der ganzen Insel. Er ist noch heute in beinahe seinem gesamten Verlauf so breit, dass zwei Karren gut aneinander vorbeifahren könnten. Dabei ist er so steil, dass man gerne an den Kehren die Aussicht über das weite Orotavatal, sozusagen das Gegenstück zum Humboldt-Blick, genießt. Ein paar Minuten auf der Landstraße bis zum Mirador El Lance, wo sich der Mencey Bentor nach der Niederlage von La Victoria de Acentejo in den Tod gestürzt haben soll, lassen sich anschließend nicht vermeiden. Im Ortsgebiet von Icod el Alto ist das antike Pflaster neben der Straße noch erhalten. Von hier gibt es mehrere Möglichkeiten, weiterzuwandern. Oder man fährt mit dem Bus nach Los Realejos zurück.

Am Beginn der Route, bei der Ermita de San Sebastián und noch vor Erreichen der Hacienda de los Principes, lohnt es sich, über die Calle de los Molinos entlang der weißen Grundstücksmauer einen Abstecher nach oben zu machen. Wir erreichen als Erstes die Ruine des Wohnhauses der Müller. Vor nicht allzu langer Zeit ist es abgebrannt. Nun wartet es, da denkmalgeschützt, auf seine Wiederherstellung. Wo die Mauer endet, tut sich ein kleiner Durchschlupf auf und gibt den Blick auf den Wasserkanal und den Cubo genannten Turm frei. In ihm staute sich das Wasser, bevor es unter der Mühle mit hohem Druck in die Kammer mit den Schaufelrädern schoss. Ein Trampelpfad bringt uns zur noch relativ gut erhaltenen Mühle. Die Mühlsteine sind original auf ihrem Platz. Immer zwei liegen genau aufeinander und können nicht mehr voneinander getrennt werden; denn die beiden kleinen Kräne, die seinerzeit dazu dienten, sind weitgehend verschwunden. Man erkennt auch, wo sich die Kästen befanden, in denen das Mehl aufgefangen wurde. Große hölzerne Achsen reichen durch den Boden in das niedrige Kellergeschoss mit den Schaufelrädern. Jedes wurde von einem Wasserstrahl angetrieben, der aus zwei aus der Wand hervortretenden Düsen schoss. Sie sind noch immer akkurat mit eisernen Schiebern verschlossen. Der Müller konnte sie von oben über Eisenstangen bedienen. Um die Wirkung zu vergrößern, sind alle Schaufeln gegen den Wasserstrahl gekrümmt und nach unten mit einem Brett verschlossen. Selten bekommt man so wie hier Gelegenheit, ganz in Ruhe solch eine historische Anlage, Staub und Spinnweben inbegriffen, auszukundschaften.

Michael von Levetzow
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