Ein Artikel von Dr. Armin Reichmann
Ein Grundbuch, also ein öffentliches Register, in dem sämtliche Immobilien des Landes beschrieben und deren Eigentümer und ggf. Belastungen benannt werden, gibt es in Spanien seit 1861. Vorher waren alle Immobilien ohnehin überwiegend in den Händen des Klerus und des Adels, und schon von daher nur selten Gegenstand von kaufmännischen Transaktionen.
Im März 1897 trat im Deutschen Reich die erste Grundbuchordnung (GBO) in Kraft, die im Wesentlichen noch heute gültig ist.
Insgesamt gibt es gewichtige Unterschiede in Form und Inhalt der Eintragungen in Deutschland und in Spanien. Hierzu gehört auch, dass, anders als das deutsche Grundbuch, das spanische „Registro de la Propiedad“ zulässt, dass, durch Erklärung des Eigentümers auch Aufbauten eingetragen werden können. Dies erfolgt in der Weise, dass der Eigentümer des Grundstücks vor einem Notar in einseitiger Form eine Neubauerklärung (declaración de obra nueva) protokolliert. Eine entsprechende Erklärung kann auch dann abgegeben werden, wenn Umbauten, insbesondere Erweiterungen der Immobilie erfolgen. Nicht nur der Grundstückseigentümer, sondern auch der Berechtigte (superficiario) aus einem Erbbaurecht (derecho de superficie) kann eine solche Erklärung abgeben.
Einen Sonderfall der Neubauerklärung stellt die Teilungserklärung nach spanischem Wohnungseigentumsgesetz (Ley sobre Propiedad Horizontal; LPH) dar. Während in Deutschland für diese Fälle ein eigenes Wohnungsgrundbuch eingerichtet wurde, wird in Spanien keine Unterscheidung getroffen und auch die durch eine Teilungserklärung vollzogene Aufteilung eines Gebäudes in Wohnungseigentum, wie alle anderen Immobilien auch, im Grundbuch eingetragen.
Die gesetzlichen Vorschriften zur Neubauerklärung waren in der Vergangenheit allerdings eher spärlich gesät; lediglich im Hypothekengesetz (Ley Hipotecaria, im folgenden: L.H.) beziehungsweise in der Durchführungsverordnung (Reglamento Hipotecario; im folgenden R.H.), fand sie eine eher beiläufige Erwähnung. Sowohl Art. 208 LH wie auch die Parallelvorschrift des Art. 308 RH verstanden sich als geradezu unverbindliches Angebot an den Eigentümer, auch Aufbauten eintragen zu lassen. Voraussetzungen waren kaum zu erfüllen: Neben den beschreibenden eigenen Angaben des Eigentümers zu dem Gebäude, insbesondere zu Größe, Anzahl der Stockwerke, überbaute Fläche und mögliche Nebenanlagen, wie beispielsweise Tennisplatz oder Swimmingpool wurde zusätzlich nur die Bestätigung des Bauunternehmers gefordert, dass alle Baukosten bezahlt waren, bzw. die Erklärung des Bauamtes (arquitecto municipal), dass der Bau begonnen oder fertiggestellt war.
Die früher geringe Beachtung der Neubauerklärung mag daran liegen, dass auch im spanischen (wie auch im deutschen) Recht der Grundsatz gilt, dass der Eigentümer des Grundstücks auch gleichzeitig Eigentümer der mit ihm fest verbundenen Aufbauten ist (Art. 358 ff. C.C.) und damit immer gewährleistet ist, dass, unabhängig vom Gegenstand des notariellen Kaufvertrages, beim Verkauf auch das Eigentum an den Aufbauten mit übergeht.
Erste Ansätze des Gesetzgebers zur Aufwertung der Neubauerklärung erfolgten im Jahre 1992 im Rahmen der Neufassung des Bau- und Bodengesetzes (Ley sobre el régimen del suelo y la ordenación urbana; im folgenden: L.S.) Notare durften nunmehr Neubauerklärungen nur dann protokollieren, sofern die Baugenehmigung sowie eine Bescheinigung des Bauamtes vorgelegt wurde, aus der sich die Abnahme des Baus ergab (Baufertigstellungsbescheinigung; certificado final de obra). Mit der gleichen Vorschrift wurde die Möglichkeit eröffnet, eine „Neubauerklärung im Bau“ (obra nueva en construcción) zur Eintragung im Grundbuch zu bringen.
Die Vorschriften des L.S. wurden im Jahre 1997 durch das Königliche Dekret (Real Decreto) R.D. 1.093/97 weiter ergänzt. Hier werden erstmals die Ziele neu justiert. Die relativ einfachen, rein zivilrechtlichen Feststellungen (wem gehört was?) treten in den Hintergrund und werden verdrängt durch die Erfüllung verwaltungsrechtlicher, insbesondere baurechtlicher Verpflichtungen. Folge: Das LS wurde immer wieder geändert, so 2008, 2011 und schließlich zuletzt 2013. Dabei wurde die Gesetzesvorschrift zur Neubauerklärung (Art. 20) durch die 12. Schlussbestimmung des Gesetzes 8/2013 vom 26. Juni (de rehabilitacion, regeneracion y renovacion urbanas) neu gefasst.
Nun ist es nicht mehr der Eigentümer, der von sich aus freiwillig Erklärungen abgibt, sondern es heißt klar und deutlich „im Rahmen der Protokollierung einer Neubauerklärung werden die Notare zusätzlich Folgendes einfordern …“. , (also von „freiwillig“ und „können“ kann keine Rede (mehr) sein:
• Nachweis der Erfüllung aller baurechtlichen Verpflichtungen, die im Hinblick auf die Übergabe des Gebäudes an deren Nutzer gesetzlich vorgeschrieben sind;
• Vorlage aller verwaltungsrechtlichen Genehmigungen im Hinblick auf die geplante Nutzung der Immobilie, einschließlich des Energiezertifikats.
Natürlich bleibt es dabei, dass Anzahl der Geschosse, die überbaute Fläche der Parzelle, die Nutzfläche bzw. gegebenenfalls Einzelheiten zu der Teilungserklärung enthalten sein müssen.
Die Baugenehmigung sowie eine Bestätigung eines Sachverständigen (técnico), dass das Gebäude gemäß der Baugenehmigung errichtet wurde, muss vorgelegt werden. Als „tecnico“ gilt der Bauplanungsarchitekt, der Bauleitungsarchitekt (oder Ingenieur), ein anderes Mitglied einer Architekten- oder Ingenieurskammer oder der Architekt des Bauamtes (técnico municipal). Die genannten Dokumente müssen im Original vorgelegt werden, wobei diese in Form von beglaubigten Kopien der Ausfertigung der Neubauerklärung beigeheftet werden.
Einen Sonderfall stellt die schon oben erwähnte „Neubauerklärung im Bau“ (obra nueva en construcción) dar. In diesem Fall reicht nämlich aus, dass der „tecnico“ statt der Fertigstellung lediglich bescheinigt, dass Baugenehmigung und seine Planungsunterlagen deckungsgleich sind. Theoretisch kann also eine Neubauerklärung im Bau bereits unmittelbar nach Erteilung der Baugenehmigung und sogar vor Beginn der Bauarbeiten abgegeben und im Grundbuch eingetragen werden. Für diese Form der Neubauerklärung gilt jedoch, dass später die Fertigstellung des Baus (nach Vorlage der entsprechenden Nachweise) durch einen entsprechenden Randvermerk (nota marginal) im Grundbuch festgehalten werden muss. Weiterer Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass sie eine nicht unerhebliche Steuerersparnis ermöglicht: Wird nämlich unbebautes Bauland von einem Bauträger erworben, fällt die volle Mehrwertsteuer I.V.A. in Höhe von derzeit 21 % an, ist das Grundstück jedoch bebaut, ist nur der reduzierte I.V.A.-Satz von 10 % zu zahlen.
In der Praxis wird insbesondere bei der Errichtung von Wohnanlagen auf der Grundlage des spanischen Wohnungseigentumsgesetzes (Ley sobre Propiedad Horizontal) von der hier erwähnten „Neubauerklärung im Bau“ Gebrauch gemacht. Immerhin wird der Eigentümer/Bauunternehmer dadurch in die Lage versetzt, bereits in der Bauphase neben der Neubauerklärung auch die Teilungserklärung (división horizontal) zu protokollieren und im Grundbuch einzutragen, was ihm ermöglicht, vom Plan weg Einzelwohnungen zu verkaufen, obwohl gerade erst die Fundamente gelegt sind. In diesen Fällen ist es für einen Kaufinteressenten (neben den sonstigen Garantien) wichtig, (auch) darauf zu achten, dass die Fertigstellung der Bauarbeiten auch später im Grundbuch vollzogen wird. Es ist leider keine Seltenheit, wenn erst bei späteren Verkaufstransaktionen festgestellt wird, dass die zu verkaufende Immobilie im Grundbuch immer noch als „im Bau” vermerkt ist, weil sich niemand um die Bescheinigung der Baufertigstellung gekümmert hat.
Insgesamt wurden also im Laufe der Zeit die Anforderungen an die Protokollierung einer Neubauerklärung ständig ausgeweitet. Entsprechend rankt sich inzwischen ein ganzes Netz von administrativen Genehmigungen um die Nutzungsberechtigung einer Immobilie und deren Anschluss an das öffentliche Strom- und Wassernetz, so dass es quasi ausgeschlossen ist, eine Immobilie ohne die Eintragung der Neubauerklärung zu nutzen (von extremen Ausnahmen im ländlichen Bereich einmal abgesehen).
Entsprechend ist der Begriff der Neubau-Erklärung in der Praxis kaum noch zutreffend. Es handelt sich keineswegs mehr um eine einfache „Erklärung” eines Eigentümers, sondern vielmehr um den Nachweis der Erfüllung einer Vielzahl von völlig unterschiedlichen Bedingungen.
Neben diesen zentralstaatlichen Regelungen gibt es darüber hinaus eine umfassende und kaum überschaubare Regelung der einzelnen spanischen Regionen (Comunidades Autónomas; CCAA), also auch auf den Kanaren.
Aus heutiger Sicht sind folgende Dokumente zur Protokollierung einer Neubauerklärung vorzulegen:
• Baugenehmigung (licencia de obra)
• Bescheinigung des Architekten mit Unterschriftsbeglaubigung, dass sich das Gebäude im Bau befindet, bzw. dass der Bau fertiggestellt ist (certificado final de obra del arquitecto)
• Bescheinigung der Gemeinde über die Bau-Fertigstellung (certificado final de obra del Ayuntamiento)
• Bewohnbarkeits- Bescheinigung (cédula de habitabilidad)
• Gebäudebuch (libro de edificio)
• Zehn-Jahres-Versicherung (seguro decenal)
• Energiezertifikat (certificado energético).
Auch wenn sie nicht Teil der Neubauerklärung sind, sind in diesem Zusammenhang die sogenannten „boletines” zu erwähnen. Dabei handelt es sich um technische Abnahmebescheinigungen von entsprechend qualifizierten Handwerkern, die (beispielsweise) Voraussetzung für den Strom- und Gasanschluss an die öffentlichen Versorger sind und bescheinigen, dass die entsprechenden Anlagen innerhalb der Immobilie gebrauchstauglich sind.
Dr. Armin Reichmann
Rechtsanwalt / Aboga1do
Frankfurt am Main /
Palma de Mallorca
reichmann@dr-reichmann.com
Tel. 971 91 50 40
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