Die spanische Tourismusbranche blickt dem Sommer mit Sorge entgegen

Der Strand Playa de Can Pere Antoni in Palma de Mallorca am Ostersonntag. Auf den Balearen hätte mit Ostern die Hochsaison beginnen sollen. Foto: EFE

Der Strand Playa de Can Pere Antoni in Palma de Mallorca am Ostersonntag. Auf den Balearen hätte mit Ostern die Hochsaison beginnen sollen. Foto: EFE

Nach einer Ostersaison ohne Gäste macht sich der Eindruck breit, dass der Tourismus sich zuletzt erholen wird

Madrid – Die Coronavirus-Krise hat dem spanischen Tourismussektor einen harten Schlag versetzt. Alljährlich markieren die Osterferien den Beginn der Hauptsaison im Tourismus. Doch in diesem Jahr blieben Hotels und Restaurants geschlossen und die Strände leer. Dass die Verluste nicht mit dem Ende der Ausgangssperre aufhören werden, zeichnet sich längst ab, und der Sektor sieht auch für die Sommersaison schwarz. Die derzeit einzige Hoffnung bleibt, dass sich der Tourismus aus dem Inland erholt, sobald der Stillstand endet und die Bewegungseinschränkungen aufgehoben sind.
Ostern ist Opfer der Gesundheitskrise geworden, und der Sommersaison droht ein ähnliches Schicksal zu widerfahren. Den Daten des nationalen Statistikamtes INE zufolge kamen im vergangenen Jahr zwischen März und Ende September 58,5 Millionen ausländische Touristen nach Spanien und gaben für ihren Urlaub 64,5 Milliarden Euro aus.
Dass diese Zahlen 2020 ein Wunschtraum bleiben werden, erkennen selbst eingefleischte Optimisten. „Die Bedingungen verändern sich und zwar nicht zum Besseren, deshalb prüfen wir bereits die Zahlen“, erklärte José Luis Zoreda, Vizepräsident der Tourismus-Lobby Exceltur der Zeitung El País gegenüber. Noch Anfang dieses Monats prognostizierte die Tourismus-Vereinigung Verluste in Höhe von 55 Milliarden Euro. Doch bereits zwei Wochen später räumt Exceltur ein, dass diese Zahl noch übertroffen werden wird. Die Verlustschätzungen ändern sich täglich und steigen stetig an, solange die Pandemie anhält. „Im Tourismus wird die Krise lange dauern und nicht mit der Aufhebung der Ausgangssperre enden, denn die Regierungen werden die Einschränkungen, was das Reisen – wann und wohin – angeht, aufrechterhalten. Ein Eindruck ist, dass dieses Jahr fast komplett verloren sein wird“, meint Juan Ignacio Pulido, Professor für angewandte Ökonomie an der Universität Jaén, im Gespräch mit El País.
Auch der spanische Verband der Tourismusunternehmer Mesa del Turismo hat sich mit Schätzungen befasst und dabei drei verschiedene Szenarien zugrunde gelegt. Dass sich der Tourismus bis Jahresende gar nicht mehr erholen könnte, ist das düsterste davon. „Der Sektor könnte mehr als 90 Milliarden Euro verlieren“, versichert Juan Molás, Präsident des Verbands. Das Bruttoinlandsprodukt sei damit in Gefahr, um mindestens vier Punkte zu sinken. Laut der Zahlungsbilanz der spanischen Zentralbank Banco de España lag der Saldo im Tourismus im vergangenen Jahr bei über 46 Milliarden Euro (Differenz zwischen den Einnahmen durch ausländische Urlauber und Ausgaben von Spaniern für Reisen ins Ausland).
Angesichts der katastrophalen Aussichten und dem Gewicht, das der Tourismus in der Wirtschaft hat, fordert die Branche spezifische Maßnahmen. Bisher stattgefundene Gespräche mit Regierungsvertretern brachten allerdings noch keine konkreten diesbezüglichen Pläne zutage.
Für gefährlich halten die Branchenexperten auch die enorme Abhängigkeit anderer Branchen, die vom Tourismus in die Krise mitgerissen werden. Der Arbeitsmarkt werde automatisch betroffen sein. Spanien werde mehr unter dem Stillstand leiden als andere Länder, weil das Land stärker vom Tourismus abhänge, meint auch Federico Steinberg, Forscher am Real Instituto Elcano. Dies liege unter anderem daran, dass es viele temporäre Arbeitsverhältnisse gebe, die in irgendeiner Form im Zusammenhang mit dem Tourismus stehen. Der Arbeitgeberverband der großen Einkaufsflächen schätzt bereits, dass dieses Jahr 25 Milliarden Euro weniger eingenommen werden, berichtet El País.

Der Inlandstourismus als Strohhalm
Dass es noch lange dauern wird, bis der Tourismus aus dem Ausland wieder anläuft, wird immer deutlicher, und so klammert sich die Branche an den Strohhalm Inlandstourismus. Das spanische Ministerium für Industrie und Tourismus wartet zwar weiter die Entwicklung der Lage und die Empfehlungen der Gesundheitsbehörden ab, arbeitet aber bereits an einem Plan zur Reaktivierung des Inlandstourismus nach dem Ende der Bewegungsbeschränkungen. Wie El País unter Berufung auf Quellen des Ministeriums berichtet, erscheint eine schrittweise Rückkehr der Inlandsreisen während des Sommers möglich. Danach könnten Reisende aus Nachbarländern wie Frankreich und Portugal wiederkommen und zuletzt die Urlauber aus anderen Ländern.
Der Inlandstourismus bleibt vorerst die große Hoffnung für die Branche, die sich jedoch damit allein nicht erholen wird.

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