Die Spatzen pfeifen lassen


Gedanken für mich – Augenblicke für Gott

Kennen Sie Johannes Don Bosco? Er ist mir dieser Tage nicht nur wegen seines Namenspatrons Johannes in guter Erinnerung, sondern weil ich ihn als bedeutenden Jugendseelsorger und wertvollen Pädagogen schätze.

Johannes Don Bosco, geboren 1815 in der Nähe von Turin, setzte in seiner Pädagogik auf Liebe, Religion und Vernunft, anstatt auf Druck und Gewalt, wie es zu seiner Zeit üblich war. Von ihm stammt das Wort: „Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen.“ Wenn man sich näher mit ihm be-schäftigt, dann spürt man deutlich drei Dinge, die ihm Zeit seines Lebens wichtig waren: Die Fröhlichkeit, die Nächstenliebe und eine gute Portion Gelassenheit.

Um genau diese Gelassenheit geht es ja auch Jesus, wenn er in seiner „Spatzenpredigt“ diese so wichtige Tugend nicht in einem feierlichen, ernsthaften Ton verkündigt, sondern eher mit einem humorvollen Augenzwinkern. Stellen wir uns doch einfach mal Jesus für einen kurzen Moment vor, wie er diese Worte zu den Menschen spricht: „Ihr seid viel mehr wert als viele Spatzen!“

Erinnern wir uns: Jesus wurde uns in Bildern nahegebracht. Als der Sohn Gottes und auch als ein Freund der Sünder, als leidender Mensch oder auch als machtvoller Heiler, als eindrucksvoller Redner oder schweigsamer Beter. Doch in all diesen Bildern kommt eine seiner ganz wesentlichen Seiten viel zu kurz: Nämlich sein fröhlicher Sinn und sein mehr als hintergründiger Humor. Viel zu selten gestehen wir ihm genau dies zu. Weil es unser Bild von ihm eher irdisch-menschlich, anstatt himmlisch-überhöht darstellt? Weil es vielen, vor allem Vertretern der Kirche, viel zu wenig fromm ist? Dabei ist doch Humor schon eine gewisse Art der Gelassenheit. Denn der Humor versucht doch, über den Dingen zu stehen oder sie augenzwinkernd zu relativieren. Humor macht, dass wir uns unsere Minister und unsere Chefs in Unterhosen vorstellen können, oder hilft uns, einen Ärger, eine Enttäuschung oder auch eine Schwäche in ein befreiendes Lachen aufzulösen. Wir gehen dann wirklich nicht nur gelassener mit Obrigkeiten, sondern auch mit uns selbst um.

Gelassenheit entsteht ja im Loslassen dessen, was uns belastet und niederdrücken möchte. Wir nehmen dann die Dinge und Ereignisse nicht ernster und auch nicht wichtiger, als sie tatsächlich sind. Loslassen können wir doch aber ganz getrost im Vertrauen auf den, der sowieso alles in Händen hält. Also: Gelassenheit aus Gottvertrauen. Und genau in diesem Vertrauen gründet auch der echte Humor. Vom Galgenhumor dessen, der auf dem Weg zu seinem Richtplatz stolpert und dabei noch bemerkt: „Diese Woche fängt ja gut an“, mal ganz zu schweigen.

Angst und Aufgeregtheit, Sorgen und Termindruck, Sicherheitsdenken und Unsicherheit, lückenlose Planung und Aktionismus, das alles signalisiert nur ein mangelndes Vertrauen. Jesus könnte gegen diese Menschlichkeiten ernsthaft und mit erhobenem Zeigefinger angehen; aber er wählt lieber zwei Spatzen aus, die auf dem Markt für ein paar Cent zu bekommen sind. So stellt er die aufgeblasenen Sorgen der Menschen und die munter tschilpenden Spatzen unter die gleiche gütige Hand des Vaters im Himmel. Wem das noch nicht genügt, der erfährt, dass sogar alle Haare auf seinem Kopf gezählt sind. Die Frage, wer sie gezählt hat, erübrigt sich: Denn Gott sorgt sich um alles; um die Haare auf dem Kopf, um die Spatzen auf dem Dach, um die Blumen auf dem Feld. Sollte er sich nicht erst recht sorgen um die, von denen er sagt, dass er sie aus ganzem Herzen liebt – nämlich Sie und mich??

Wir sehen Jesus zumindest lächeln, als er das sagt: Ihr seid mehr wert, als viele Spatzen und die Haare auf dem Kopf. Das ist aber auch so eine Erfahrung, die jene, die mit ihm gehen, machen durften: Seine Botschaft kommt nicht mit gestelzter Heiligkeit daher, sondern in fröhlichen Farben und in humorvollen Bildern. Schließlich gilt für ihn ja nicht: „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“, sondern der Humor ist die eleganteste Art, jene falsche Ängstlichkeit und Furcht zu bekämpfen, die wir Menschenfurcht nennen. Wie gesagt: Nicht umsonst geben wir uns gelegentlich den Rat, uns einen Menschen, der in der Öffentlichkeit sehr wichtig scheint und vielleicht auch ist, in Unterhosen vorzustellen. Dann ist alle Überheblichkeit, alle falsche Würde ganz schnell beim sprichwörtlichen „Teufel“. Und genau so macht es Jesus mit unseren Ängsten und Sorgen: Er vergleicht sie statt mit langen Unterhosen, die es damals noch nicht gab, mit wertvollen Spatzen und ausgegangenen Haaren.

Ausgerechnet mit Spatzen und den spärlichen Haaren auf unseren Köpfen bringt uns Jesus die Gottesfurcht nahe als die Grundlage jedes Vertrauens: Menschenfurcht und Gottesfurcht stehen in einem umgekehrten Verhältnis zueinander. Wenn die Angst vor den Menschen steigt, verschwindet die Ehrfurcht vor Gott. Unser Respekt, unser Vertrauen in Gott lässt dagegen unsere Menschenfurcht, lässt unser enges und kleinkariertes Sorgen billig und bescheiden werden wie eine Hand voll Spatzen.

Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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