„Die totale Psychose“

Sold out: Die Eisenwarenläden müssen jetzt schon Nachschub besorgen. foto: pixabay

Sold out: Die Eisenwarenläden müssen jetzt schon Nachschub besorgen. foto: pixabay

Die Angst vieler Bürger vor einem landesweiten Stromausfall führt zu Hamsterkäufen von Gaskochern und Taschenlampen

Madrid – Die Hamsterkäufe aus den Anfangstagen der Pandemie, als Toilettenpapier angesichts einer befürchteten Knappheit plötzlich das Objekt der Begierde war, scheinen zurück. In den letzten Wochen ­jedenfalls ist in Spanien die Nachfrage nach Gaskochern ­sowie generell nach Produkten, die das Leben im hypothetischen Fall eines landesweiten Stromausfalls erleichtern, sprunghaft angestiegen. Grund dafür sind im Wesentlichen Gerüchte über einen möglichen großen Blackout, die vor allem durch das starke Echo angefeuert wurden, das ein Satz der österreichischen Verteidigungsministerin in Spanien gefunden hat und der in den hiesigen Medien stark verbreitet wurde. „Die Frage ist nicht, ob es einen großen Stromausfall geben wird, sondern wann“, ist der Satz von Klaudia Tanner, der so viel in Spanien ausgelöst hat, nicht zuletzt, da er in den Medien teils als plausibel dargestellt wurde. Infolgedessen stürmten zahlreiche Bürger die nationalen Baumärkte, um sich mit allem einzudecken, was in der vermeintlich anstehenden Energiekrise hilfreich sein könnte.

In allen Geschäften ist es dasselbe: Gasherde und -kocher, Taschenlampen, Batterien und ähnlich geartete Produkte sind nahezu ausverkauft. Auch Francisco Vega, dem Inhaber des gleichnamigen Eisenwarengeschäfts im Madrider Stadtteil Lavapiés, ist sein Bestand an Überlebensausrüstungen inzwischen ausgegangen. „Wir haben Nachschub bestellt, aber da sind wir nicht die Einzigen…“

Die Angst, dass die Lichtschalter bald nicht mehr funktionieren könnten, ist auch an der digitalen Spur zu erkennen. Die Google-Suche nach Begriffen wie „Blackout“ und „Survival Kit“ hat sich letzten Meldungen zufolge in Spanien vervielfacht. Auch in großen Geschäften wie Leroy Merlin wurde dies festgestellt. „Seit dem 25. Oktober ist die Nachfrage nach Generatoren um 211 Prozent und nach Laternen um 230 Prozent gestiegen. Auch die Nachfrage nach isolierten Beleuchtungssets wie Solarenergie-Bausätzen, Petroleum- oder Pelletöfen ohne Stromanschluss und Batterien hat stark zugenommen“, so ein Sprecher des Unternehmens.

„Es ist eine totale Psychose“, sagt José Manuel Buces, Geschäftsführer von Super Ego, einem der Hersteller, der große Supermärkte und kleine Geschäfte beliefert, in einem Telefoninterview mit der spanischen Tageszeitung El País. „Die Nachfrage nach Gas ist in der letzten Woche so hoch wie sonst in drei oder vier Monaten“, erklärt er unter anderem.
Experten halten es hingegen für sehr unwahrscheinlich, dass es in Spanien zu einem größeren Stromausfall kommen könnte. „Spanien ist nicht Österreich. Österreich hat keine Häfen, d.h. kein Einlaufen von Methantankern. Das Land hängt davon ab, was aus Russland kommt. Spanien hat hingegen eine direkte Gaspipeline mit Algerien, es ist das europäische Land mit der größten Infrastruktur an Wiederverdampfungsanlagen, und wir verfügen über Reserven auf einem akzeptablen Niveau. Einige Medien schüren gerne Alarm und Panik“, erklärte diesbezüglich Francisco Valverde von der Beratungsfirma Menta Energía.

Pedro Fresco, Generaldirektor des Ressorts für den ökologischen Wandel in der Generalitat Valenciana, war einer der Ersten, der die These vom großen Stromausfall in den sozialen Netzwerken widerlegte, indem er darauf hinwies, dass die spanische Stromerzeugungskapazität weit über der Nachfrage liegt. Und wenn dies aus irgendeinem Grund nicht der Fall wäre, „würde vor den heimischen Verbrauchern erst einmal der Verbrauch der Industrie gestoppt“. Fresco erklärte auch, dass Spanien über ein sehr diversifiziertes Gasimportsystem und Reserven für mindestens drei Wochen Verbrauch verfügt. „Wir sollten uns nicht von Verschwörungstheorien hinreißen lassen, die die Unwissenheit der Menschen ausnutzen. Viele Fernsehsender und Medien füttern das auf unverständliche Weise“, betont er.

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