„Ein Schild hätte sechs Menschenleben retten können“


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Die Überlebenden der Tragödie im stillgelegten Wasserstollen „Piedra de los Cochinos“ schildern ihre Version über den Hergang des Unglücks

Knapp einen Monat nach dem Unglück in einem stillgelegten Wasserstollen bei Los Silos, bei dem sechs junge Menschen ums Leben kamen, haben die Überlebenden ein Kommuniqué mit ihrer Version verfasst, das von einem Sprecher bei einer aus diesem Anlass einberufenen Pressekonferenz verlesen wurde.

Darin wird der Hergang des Unglücks im Detail geschildert und vor allem unterstrichen, dass keinerlei Warnhinweis, Schild o. ä. am Eingang des „Todesstollens“ auf die dort lauernde Gefahr hindeutete.

Die Betroffenen haben sich nach eigenen Angaben dazu entschlossen, mit ihrer Version an die Öffentlichkeit zu gehen, nachdem zu viele Fehl- und Falschinformationen in den Medien für Verwirrung gesorgt hatten. Unter anderem heißt es in dem Kommuniqué: „… erreichten wir die Stelle, von der aus ein Tunnel durch die Schlucht Cuevas Negras führen sollte. Kaum dort angekommen, sahen wir auch schon den Eingang zu einem leicht begehbaren Tunnel, mit den Ausmaßen 1,70 x 1,70 m. Weder am Eingang noch in der Umgebung gab es einen Warnhinweis oder ein Schild. Während einige von uns auf der Lichtung eine Pause einlegten, erforschten andere die Umgebung und fanden etwa 250 m von diese Stelle entfernt einen weiteren Tunneleingang, der jedoch nur schwer zugänglich war – die ersten Meter mussten in gebückter Haltung zurückgelegt werden – und an dessen Eingang ein Gatter angebracht war. Da der erste Tunnel die größere Öffnung hatte und kein Schild uns darauf aufmerksam machte, dass es eine gefährliche Sackgasse war, wählten wir diesen Eingang (…)“

Die Betroffenen betonen in ihrer Schilderung immer wieder, dass sie sich keiner Gefahr bewusst waren, als sie den Stollen betraten. „Dieses Unglück hätte vermieden werden können. Es brauchte nur ein Schild am Eingang des Tunnels auf die Risiken eines Betretens hinzuweisen. Dann wäre nichts passiert. So hat das fehlende Schild sechs Leben gekostet“, hießt es in dem Kommuniqué.

Obwohl die Überlebenden sich für den mutigen Einsatz der Rettungsteams bedanken, ist ein weiterer Kritikpunkt ihrer Schilderung die Zeitspanne zwischen dem Anruf bei der Notrufnummer 112 und dem Eintreffen der ersten Rettungskräfte. Um 16.40 wählte einer derjenigen, die sich als erste in Sicherheit bringen konnten, die 112. Um 18.30 trafen die ersten Freiwilligen ein, die das Gebiet kannten, erst um 19.00 Uhr die ersten Fachkräfte des Rettungsdienstes, die allerdings nur Atemgeräte mit genügend Sauerstoff für 10 Min. bei sich trugen. Die Stelle im Innern des Stollens, an der sich die Verunglückten befanden wurde aber erst nach einer Gehzeit von etwa 40 Min. erreicht.

In der Mitteilung weisen die Opfer und Angehörigen darauf hin, dass der Verlust unwiederbringlich ist, jedoch für die Zukunft Maßnahmen ergriffen werden müssen, damit sich ein solches Unglück nicht wiederholt: Erstens durch eine Beschilderung aller Tunnel und Stollen der Insel, Zweitens durch eine bessere Koordination der Rettungsmannschaften. Der Sprecher des Opfer- und Betroffenenverbandes betonte während der Pressekonferenz, dass die Behauptung, der Anrufer hätte bei dem Notruf 112 „nur ungenaue Angaben gemacht“ und deshalb sei nicht sofort klar gewesen, um welches Gebiet es sich handele, sei falsch. „Da wir schon beim ersten Anruf ausdrücklich darauf hingewiesen hatten, dass der Großteil der Wanderer noch unter großer Gefahr im Inneren des Stollens festsaß, können wir nicht verstehen wie es dazu kommt, dass in der Presse zu lesen ist, die Verzögerung des Rettungseinsatzes sei darauf zurückzuführen, dass man annahm, die Lage sei nicht so dramatisch“, sagte er.

Die 29 Naturfreunde, die sich am 10. Februar zu einer Wanderung im Gebiet von Los Silos trafen, hatten keine Ahnung von der Gefahr, in die sie sich begaben. Sie wollten von Erjos bis Los Silos wandern und dabei die Schlucht Cuevas Negras durch einen bekannten Tunnel durchqueren. Die Verwechslung des Tunneleingangs mit dem eines stillgelegten Wasserstollens wurde den jungen Leuten – darunter drei Forscher des astrophyisikalischen Instituts IAC – zum Verhängnis. Im Inneren des Stollens verringerte sich der Sauerstoffgehalt in der Luft bis auf 6,5%. Die Wanderer brachen nacheinander bewusstlos zusammen. Sechs Menschen starben infolge des akuten Sauerstoffmangels.

Sorge auf La Palma

Die alternative Partei INPA (Iniciativa por La Palma) hat zur Anzeige gebracht, dass zahlreiche stillgelegte Wasserstollen auf der Insel nicht abgeriegelt sind. Angesichts des Unglücks auf Teneriffa mache sich die Partei Sorgen um ähnliche Gefahren auf La Palma, meldete ein Sprecher. Dieser teilte mit, dass auf der Insel mehrere Wasserstollen, die außerdem in der Nähe bekannter Wanderwege liegen, frei zugänglich sind.  Schätzungsweise 100 stillgelegte Stollen gibt es auf La Palma.

Der Präsident des Insel-Wasserunternehmens, Jose Luis Perestelo, teilte in diesem Zusammenhang mit, dass bereits an Maßnahmen zur Beschilderung und Absperrung gearbeitet wird. Ziel sei es, alle galerías zu beschildern und so auch auf die Geschichte der Wasserquellen auf der Insel hinzuweisen.

Teneriffas Cabildo wird zur Sicherung beitragen

Gefahren in Zukunft vorbeugen

Das Cabildo hat einstimmig einem von CC und PP eingebrachten Antrag zugestimmt, der in Zukunft eine enge Zusammenarbeit mit der kanarischen Regierung zur „ständigen Auswertung von Risiken und Gefahren, die von den Wasserstollen ausgehen“ vorsieht. Auslöser dieses Antrags war das tragische Unglück in einem stillgelegten Wasserstollen in Los Silos am 10. Februar, bei dem sechs junge Menschen zu Tode kamen.

Im Zuge dieser Zusammenarbeit sollen stillgelegte und aktive Wasserstollen ebenso wie Höhlen, Schluchten und Wanderpfade beschildert werden. Das Cabildo von Teneriffa will dafür sorgen, dass die Regionalregierung innerhalb einer Frist von drei Monaten alle notwendigen Sicherheitsvorkehrungen trifft.

Die Überlebenden der Tragödie im Wasserstollen in Los Silos und die Angehörigen der Todesopfer haben sich dieses Versprechen und den Termin in drei Monaten mit Sicherheit notiert. Sie hoffen auf mehr als nur leere Versprechungen.

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