Gedanken für mich – Augenblicke für Gott
Als Elisabeth, die Tochter des Königspaares von Ungarn, vor 800 Jahren geboren wurde, da konnte niemand ahnen, dass sie einmal eine der bekanntesten Heiligen im deutschsprachigen Raum sein würde. Heute sind nach ihr viele soziale und karitative Einrichtungen benannt; sogenannte „Elisabeth-Vereine“ kümmern sich liebevoll um ältere und kranke Mitbürger. Weshalb aber nun der Titel: Eine „heruntergekommene“ Frau?
Nun ,weil ich mir bildlich vorstellen kann, wie sie hoch oben von der Wartburg den Weg nach Eisenach herunterkommt. Sie geht diesen Weg täglich und sie geht ihn zu den Armen dieser Stadt. Sie nimmt von dem Reichtum der landgräflichen Küche auf der Wartburg und trägt davon etwas hinunter zu denen, die nichts oder nur wenig haben. Diese Frau hat keine Berührungsängste – so wie die anderen am Hofe, die oben auf der Burg ihr eigenes Leben führen. Die Frau kommt herunter zu den Armen. Sie traut sich, auf die Menschen zuzugehen.
Die Legende erzählt, die landgräfliche Familie habe sich bei Ludwig, ihrem Gemahl, beschwert, Elisabeth verschleudere das Vermögen der Burg, indem sie die Gaben der Küche zu den Armen trage. Daraufhin habe Ludwig sich ihr in den Weg gestellt, als sie wieder einmal mit einem Korb voller Brot nach Eisenach hinunterging. Erzürnt riss er das Tuch vom Korb und – entdeckte darin nur lauter duftende Rosen. So könnte man auch sagen: Wo ein Mensch den Armen und Armgemachten zu ihrer Würde verhilft, wo ein Mensch dem anderen Liebe schenkt, da beginnt das Leben zu duften und zu blühen.
Elisabeth – eine heruntergekommene Frau! Das macht sie so bemerkenswert. Das macht sie zu einem leuchtenden Zeichen für Christen wie auch für Nichtchristen. Eine Frau, die heruntergeht zu den Armen und Armgemachten. Auch heute brauchen wir solche Frauen und Männer, denn trotz Sozialstaat und sozialer Sicherungssysteme gibt es eine erschreckend große Zahl von Armen in unserer Gesellschaft, die – aus welchen Gründen auch immer – ins soziale Abseits geraten sind: Menschen vielfach, die kein festes Zuhause haben; Menschen, die alkoholkrank sind oder drogensüchtig; Menschen, die an ihrem Arbeitsplatz gemobbt werden; Menschen, sie sich ins Untragbare verschuldet haben; Menschen, deren innere Traurigkeit so groß ist, dass sie nicht mehr in der Lage sind, einen positiven Gedanken zu fassen… Elisabeth würde auf diese Menschen zugehen. Elisabeth würde diese Menschen in ihrer Würde und in ihrem Ansehen stützen, und wo sie dieses in der öffentlichen Meinung bereits verloren haben, da würde sie es ihnen zurückzugeben versuchen.
Paul M. Zulehner, ein viel beachteter Theologe unserer Tage, hat den Satz geprägt: „Wer in Gott eintaucht, taucht neben den Armen wieder auf“. Und genau das erkenne ich auch im Lebens- und Glaubensweg der Hl. Elisabeth: Weil sie als gläubige Frau in Gott „eingetaucht“ ist, konnte sie neben den Armen „auftauchen“, konnte sie etwas tun, was gegen alle Etikette der damaligen höfischen Gesellschaft verstieß – nämlich sich mit der „unteren“ Klasse abgeben, und das als Adlige, als Königstochter, als Landgräfin. Und indem sie bei den Armen „auftauchte“, konnte sie in Gott „eintauchen“, also ihren Weg zu Gott finden und ihn gehen. Bereits fünf Jahre nach ihrem Tod wurde sie heiliggesprochen. So schnell ging’s – mal abgesehen von den letzten Jahren – nie in der Kirchengeschichte.
Von der Hl. Elisabeth sind nur wenige Originalworte überliefert. Eines lautet: „Ich habe euch immer gesagt, dass wir die Menschen fröhlich machen müssen.“ Wenn wir das vom Leben der Heiligen behalten und im Alltag umsetzen, verändert sich etwas, beginnt das Leben – wie die Rosen – zu blühen. Oder wie es in dem Lied heißt, das 1981, am 750. Todestag von Elisabeth, am Fuße der Wartburg in dem damals noch geteilten Deutschland erstmals gesungen wurde: „Wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht und das Wort, das wir sprechen, als Lied erklingt, dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut, dann wohnt er schon in unserer Welt. Ja, dann schauen wir heut schon sein Angesicht, in der Liebe, die alles umfängt.“
Elisabeth – eine „heruntergekommene“ Frau! Es wäre schön, wenn wir aus der Erinnerung an sie die Kraft und den Willen entwickeln könnten, so herunterzukommen und einander anzunehmen, wie sie es vorgelebt hat. Dann spüren wir auch, was Anselm Grün meint, wenn er sagt: „Die Rose, die du in das Leben anderer bringst, duftet nicht nur für sie, sondern auch für dich.“
Bertram Bolz, Diakon
Kath. Touristen- und
Residentenseelsorger
Diesen und frühere Artikel können Sie nachlesen unter: www.katholische-gemeinde-teneriffa.de oder www.wochenblatt.es
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