El Hierro in Hab-Acht-Stellung


© Moisés Pérez

Täglich bebt die Erde (bis zum 30.9. über 8.800 Mal), aber nur wenige Erdstöße sind spürbar

Seit Mitte September ist die kleine Kanareninsel El Hierro weltweit in aller Munde, denn täglich zittert die Erde. Aufgrund der steigenden Häufigkeit und Stärke der Erdstöße wurde ein Vulkanausbruch nicht ausgeschlossen, sodass die kanarische Regierung am 23. September die Warnstufe „gelb“ ausrief und vorsichtshalber alle nötigen Vorkehrungen für den Notfall und eine Evakuierung der Bevölkerung getroffen wurden.

In den folgenden Tagen hielt die Serie teils spürbarer Beben an, doch zur allgemeinen Erleichterung wanderten die Epizentren in südlicher Richtung unter das Meer ab. Bei Redaktionsschluss herrschte Ratlosigkeit bei den Experten und Wissenschaftlern, denn trotz aller Technik ist der Ausgang der „vulkanologischen Krise“ auf El Hierro ungewiss.

Im Juli begann die Erdbebenserie auf El Hierro. Die Messstationen des Nationalen Geographischen Instituts (IGN) verzeichneten leichte, für Menschen nicht spürbare Erdbewegungen. Als sich diese häuften, reiste ein Expertenteam des IGN auf die kleinste Kanareninsel zur genaueren Untersuchung der Naturereignisse (das Wochenblatt berichtete).

Am 12. September spürten Anwohner vom südlich gelegenen El Pinar zum ersten Mal, wie die Erde unter ihren Füßen erzitterte. Mittlerweile hatten sich die Erdstöße auf Stärken von bis zu 2,7 auf der Richterskala verstärkt. Am 22. September wählten besorgte Anwohner von dem südlichen La Restinga den Notruf, als sich wieder die Erde bewegte; dieses Mal wurde bereits die Marke 3 auf der Richterskala erreicht.

Aufgrund der steigenden Häufigkeit und Stärke der Erdstöße entschied die zuständige Expertenkommission am 23. September, den Notfallplan für Vulkanausbrüche in Gang zu setzen. Daraufhin stellte die kanarische Regierung die sogenannte „vulkanische Warnampel“ auf gelb. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, sich über Radio und Fernsehen über den neuesten Stand der Dinge und mögliche Anweisungen der Behörden zu informieren und eine Tasche mit dem Nötigsten, insbesondere den wichtigsten Papieren, bereitzuhalten. In allen Gemeinden wurden Informationsveranstaltungen zu den vulkanologischen Ereignissen und dem Verhalten im Notfall (Treffpunkte, Herbergen, Evakuierung) abgehalten. Spätestens als Joan Martí, Geologe des Obersten Rates für wissenschaftliche Forschung (CSIC) und Generalsekretär der Internationalen Vulkanologen-Vereinigung, gegenüber einer Nachrichtenagentur äußerte, die Erdbebenserie könnte auf einen möglichen Vulkanausbruch hinweisen, sorgte El Hierro in den nationalen und internationalen Medien für Schlagzeilen.

Am späten Abend des 24. September übertraf ein Erdbeben der Stärke 3,4 alle bisher gemessenen Werte. Die Erde zitterte in La Restinga und El Pinar und auch im nördlich gelegenen Valle del Golfo verspürte man die Bewegung, jedoch hier etwas geringer. Nur ca. anderthalb Stunden später bebte die Erde erneut mit einer Stärke von 3,2.

Am folgenden Tag beruhigte Cabildo-Präsident Alpidio Armas die Bevölkerung und erklärte, nach Angaben der Experten sei die Möglichkeit eines Vulkanausbruchs mit 10 bis 15 Prozent sehr gering. Selbst wenn es zu einer Eruption käme, würde diese aller Voraussicht nach im Meer und fernab der Bevölkerung stattfinden. Die Experten des Nationalen Geographischen Instituts (IGN) bestätigten die Worte des Inselpräsidenten. Tatsächlich hätten die Erdbeben während der letzten zwei Wochen an Häufigkeit und Stärke zugenommen, doch überraschenderweise habe sich die Tiefe der Epizentren kaum verändert – folglich würde derzeit kein Magma aufsteigen und ein unmittelbarer Ausbruch sei nicht zu erwarten. Trotz aller modernen Technik konnten die Experten keine Angaben zur weiteren Entwicklung machen. Wie lange die Bebenserie anhalten werde, ob es zu einem Ausbruch kommen werde, wo dieser stattfinden würde … – dafür hatte keiner eine Antwort.

Am 27. September spitzte sich die „vulkanologische Krise“ zu, denn es wurden mehr als hundert Erdstöße mit Stärken zwischen 2 und 3,8 auf der Richterskala verzeichnet. Die Wissenschaftler warnten vor einer weiteren Zunahme bei Häufigkeit und Stärke der Erdstöße. Aufgrund vermehrter Steinschlaggefahr ergriffen die Behörden konkrete Maßnahmen und so forderte die Guardia Civil am Abend 53 Anwohner kleinerer Dörfer in der Gemeinde Frontera auf, ihre Häuser zu verlassen, und geleitete 15 Touristen (acht Spanier, sieben Deutsche und Italiener) in ein Studentenwohnheim. Der Tunnel Los Roquillos zwischen La Frontera und Valverde wurde gesperrt und einige Schulen wurden vorübergehend geschlossen.

Zwar machte sich nun eine gewisse Nervosität bei der Bevölkerung breit, doch insgesamt  reagierten die Herreños weiterhin ruhig und gelassen. Allerdings kritisierten einige Inselbewohner bereits die Panikmache der Medien, die zu Stornierungen von Urlaubern führen würde.

Wiederum beruhigten die Wissenschaftler, selbst wenn es zu einem Ausbruch an Land käme, bestehe keine Gefahr für die Bevölkerung, denn die kanarische Lava fließe sehr langsam, wie beim Ausbruch von La Palmas Teneguía 1971. Die Menschen könnten rechtzeitig und in Ruhe evakuiert werden. Doch tatsächlich hätten sich die Epizentren in südlicher Richtung unter das Meer verlagert, sodass eine Eruption unter Wasser wahrscheinlicher sei.

Am 28. September erreichten die Katastropheneinsatztruppe des Militärs (UME) mit 31 Mann, drei Lkws, zwei Jeeps und einem Notfallcamp für 2.000 Personen und das Rote Kreuz mit 15 Freiwilligen, drei Lkws und einem Notfallcamp für 500 Personen nach einer Fahrt mit der „Bonanza Express“ die kleinste Kanareninsel. Begleitet wurde das Aufgebot, das später noch aufgestockt wurde, von Carme Chacón, der spanischen Verteidigungsministerin, und Paulino Rivero, Präsident der kanarischen Inseln. Die kanarische Regierung entsendete eine mobile Einsatzzentrale und weitere spezielle Einsatzfahrzeuge nach El Hierro.

Einen Tag nach Landung der Truppen ereignete sich das bis Redaktionsschluss schwerste Beben mit einer Stärke von 3,8 auf der Richterskala.

Seitdem erzittert die Erde täglich viele Male. Meistens sind die Erdstöße nicht spürbar, doch hin und wieder merken die Menschen, wie sich die Erde unter ihnen bewegt.  Auch weiterhin werden Stärken zwischen 2 und 3,7 auf der Richterskala erreicht, die Tiefe der Epizentren variiert dagegen kaum (zwischen 10 und 15 km). Die Epizentren haben sich mittlerweile südlich unter das Mar de las Calmas (auf deutsch: Meer der Ruhe) verlagert.

Vom Nationalen Geographischen Institut (IGN) wurde bekannt gegeben, dass bis zum 30. September mehr als 8.800 Erdbeben registriert worden seien, darunter 50 spürbare. Mit Hilfe von GPS-Satelliten habe man festgestellt, dass sich die Insel um 3,5 cm gewölbt habe, weil sich der östliche Zipfel Richtung Nordosten und der westliche Zipfel Richtung Nordwesten bewege.

Derzeit werden von den Behörden mehr die Erdbewegungen als ein Ausbruch gefürchtet; der Tunnel von Los Roquillos war bei Redaktionsschluss noch nicht wieder freigegeben.

Angesichts der Ungewissheit der  weiteren Entwicklung gewöhnt sich die Bevölkerung mehr oder weniger an das Zittern der Erde, verurteilt die Panikmache und hofft auf eine baldige Rückkehr zur Normalität, auch im Hinblick auf den Tourismus.

Alles hängt vom Magma ab

El Hierro ist die jüngste Kanareninsel: vor „nur“ 1,1 Millionen Jahren erreichte der Vulkankegel die Meeresoberfläche. Der sich über dem Meeresspiegel befindliche Teil des Kegels macht nur zehn Prozent des Ganzen aus.

Circa 12 km unter der Insel befindet sich eine Blase aus 100 Millionen m³, 1.200 Grad heißem Magma. Gegenüber einer nationalen Tageszeitung erklärte Joan Martí, das Magma sei bis auf die derzeitige Tiefe von 12 km aufgestiegen und habe sich nicht weiter bewegt. Die Erdbeben, die dort entstehen, wo das Magma am meisten drückt, hätten sich mittlerweile von der Insel entfernt. Wenn das Magma dort bliebe, dann werde es erstarren, die Gase würden durch Risse entweichen, der Druck würde abnehmen und die Erde würde zur Ruhe kommen. Allerdings könne auch noch mehr Magma in die Kammer fließen oder das Magma könnte aufsteigen.

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