Endlich stellte sich der neue Präsident den drängendsten Fragen


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Erstes Interview mit Mariano Rajoy

Lange hatte sich Spaniens neuer Präsident Mariano Rajoy vor einer öffentlichen Stellungnahme gedrückt, sich weder an die Bürger gerichtet noch Journalistenfragen ausführlich beantwortet.

Madrid – Doch  am 10. Januar stellte er sich schließlich in einem Interview den Fragen von Álex Grijelmo, Präsident der Nachrichtenagentur EFE. Das nur 25 Minuten dauernde Gespräch drehte sich vor allem um wirtschaftliche Aspekte, aber Grijelmo sprach auch die ersten Kritikpunkte der Bevölkerung an.

Und so warf der erfahrene Journalist auch gleich zentrale Fragen auf: Warum wusste Rajoy bis zum 27. Dezember nichts von dem achtprozentigen Defizit, mit dem er die Steuererhöhung begründete? Warum hielt er während des Wahlkampfes und bis zur entscheidenden Regierungssitzung am 30. Dezember an seinem Versprechen fest, die Abgaben nicht anzuheben?

Hinsichtlich des Defizits sei erwähnt, dass dieses bis Herbst des vergangenen Jahres noch auf sechs Prozent geschätzt wurde. Doch dann trat immer mehr zutage, wie hoch die autonomen Regionen tatsächlich verschuldet sind. Gerade Mariano Rajoy, Leiter der Partido Popular (PP), hätte von den enormen Schulden der größtenteils von der PP regierten Regionen wissen müssen und sich eine nötige Korrektur des Staatsdefizits nach oben ausrechnen können. Mit der Folge, noch härtere Sparmaßnahmen beschließen zu müssen, habe er also rechnen können.

Doch im Interview hielt der Präsident daran fest, erst am 27. Dezember über die tatsächliche Höhe des Defizits informiert worden zu sein und er sich erst auf Grund dessen in der Kabinettssitzung vom 30. Dezember zur Anhebung der Steuern gezwungen sah. Rajoy bezeichnete die Entscheidung, die Einkommenssteuer IRPF anzuheben, als „hart und schmerzhaft“, aber „absolut unumgänglich“. Doch sei es gerechter, die Einkommenssteuer bei höheren Gehältern prozentual stärker anzuheben und die höheren Einkommen stärker zur Kasse zu bitten, als die Mehrwertsteuer IVA anzutasten und alle gleich zu treffen.

Auf die Frage nach einer Anhebung der IVA bei der Aufstellung des neuen Haushaltsplanes im März antwortete Rajoy, dies sei nicht vorgesehen. Er habe es jedoch auch nicht ausgeschlossen, so wurde von der Tageszeitung El País kommentiert, und darauf hingewiesen, hinsichtlich der Erhöhung des IRPF habe sich Rajoy vor einigen Monaten ähnlich geäußert. Die Zeitung vermutete gar, für eine Anhebung der Mehrwertsteuer im März könnte die Regierung die Schuld auf die Europäische Union und deren Forderungen schieben.

Rajoy erklärte die Reduzierung des Defizits zu seinem Hauptziel, denn nur so würde das Land Finanzierung von außen erhalten. In diesem Sinne kündigte er an, in nächster Zeit weitere Sparmaßnahmen zu diktieren, insbesondere die autonomen Regionen und die Gemeinden würden „den Gürtel enger schnallen“ müssen.

Außerdem wolle er eine neue Restrukturierung des Finanzsektors angehen, die weitere Fusionen, die Sanierung und Transparenz der Kreditinstitute zum Ziel habe. Die aus diesem Prozess hervorgehenden solventen Finanzinstitute könnten dann wieder Kredite an Unternehmen und Familien vergeben und so ihren Teil zur wirtschaftlichen Erholung beitragen.

Wirtschaftliches Wachstum, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Sicherung des Sozialstaats – dies seien die größten Herausforderungen an die neue Regierung.

Auf die Frage, was seine Regierung den internationalen Märkten im Gegensatz zur Regierung Zapateros biete, führte Rajoy seine Mehrheit im Abgeordnetenhaus und die damit einhergehende politische Stabilität an, die das Vertrauen in Spanien stärken würden.

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