Endlich!


„Lichtblicke“ der deutschen Seelsorger auf Teneriffa – diesmal von Pfarrer Roland Herrig, Evangelische Gemeinde Teneriffa Süd

Ich höre ein großes Aufatmen: Geschafft! Nach zwölf oder dreizehn Jahren Schule halten sie das Abiturzeugnis in der Hand. Endlich!

Für andere wird es noch das eine oder andere Jahr dauern, bis sie so weit sind. Aber jetzt kommen wenigstens erst mal Ferien. Endlich!

Der letzte Tag im Betrieb nach 40 oder mehr Arbeitsjahren. Ab morgen Ruhestand. Wohlverdient. Endlich!

Und wenn wir noch nicht so weit sind, dann freuen wir uns, wenn wir für ein paar Wochen im Jahr aus der alltäglichen Tretmühle aussteigen können. Urlaubszeit. Endlich!

Die letzten Wochen der Schwangerschaft waren echt mühsam, und dann ist es plötzlich geschafft: das Kind ist da. Endlich!

Wochenlang unterwegs. Auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung. Auf schaukligen Schiffen. Auf unbekannten Straßen. Mit fremden Menschen. Und dann irgendwann ankommen im Land der Träume. Endlich!

Oder jahrelang nicht mehr rauskommen. Die meiste Zeit im Bett, mal ein paar Meter im Rollstuhl vor die Tür. Zuletzt nur noch liegen. Mit Schmerzen. Eines Morgens hört sie auf zu atmen. Eine Erlösung für sie und für die, die sie pflegen. Endlich!

„Endlich“ heißt: Etwas ist zu Ende gegangen. Meistens sind wir froh darüber, erleichtert.

„Endlich“ heißt: Ein Ziel ist erreicht, auf das wir hin gelebt haben.

„Endlich“ heißt aber auch: Etwas ist vorbei. Was war, kommt nicht wieder.

Irgendwann werden wir wehmütig an die Schulzeit zurückdenken. Oder an die Jahre im Betrieb mit den Kollegen. Und vielleicht kommt dann auch das komische Gefühl auf: Das ist jetzt der letzte Lebensabschnitt. Es gibt nicht mehr viel zu erreichen. Das letzte Ziel, das Ende kommt in den Blick.

„Endlich“ heißt: Alles hat ein Ende: Was böse ist, was belastet, was uns zu viel geworden ist. Dann ist das Ende eine Erlösung. Aber auch was schön ist, was leicht ist und froh macht, wo wir sagen: „Das sollte niemals aufhören“, auch das hat ein Ende. Dann ist das Ende traurig und schmerzhaft.

Alles hat ein Ende, alles ist endlich, weil wir nun mal in der Zeit leben. Zeit heißt: Etwas fängt an, etwas hört auf. Eines folgt auf das andere. Altes vergeht, Neues beginnt. Eine Generation folgt auf die andere. Irgendwann werden wir Alten dem Neuen im Wege stehen und gehen müssen. Der Abschied von dem, was war, was uns lieb und wert war, was unser Leben ausgemacht hat, fällt uns schwer. Aber das Neue, was sich abzeichnet, ist irgendwann auch nicht mehr unseres. Und das macht das Gehen dann auch wieder leichter.

Leben heißt: Lernen, die Endlichkeit auszuhalten und am Ende annehmen zu können, dass unser Leben selbst endlich ist. „Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden!“, heißt es in der Bibel.

Das Gegenteil von „endlich“ ist „unendlich“. Das Gegenteil von Zeit ist Ewigkeit. Unendlich, ewig – das ist Gott. Gott hat keinen Anfang und kein Ende. Er hat die Zeit in den Händen. Von Ewigkeit zu Ewigkeit, wie es so schön heißt.

Das Ende von allem, das Ende auch unseres Lebens ist das Ziel von allem: dass alles seinen Platz findet bei Gott. Endlich!

Roland Herrig

Evangelische Kirche

Gemeinde Teneriffa Süd

Über Wochenblatt

Das Wochenblatt erscheint 14-tägig mit aktuellen Meldungen von den Kanaren und dem spanischen Festland. Das Wochenblatt gilt seit nunmehr 36 Jahren als unbestrittener Marktführer der deutschsprachigen Printmedien auf den Kanarischen Inseln.