Energiearmut kostet Leben


„Nicht noch mehr Rosas“ fordern Einwohner der Stadt Reus und beziehen sich dabei auf den Tod der Seniorin Rosa Pitarch Vicente, die starb, weil sie ihre Wohnung mit Kerzen beleuchten musste. Foto: EFE

Strom abgestellt: In der Stadt Reus starb eine 81-Jährige bei einem durch Kerzen ausgelösten Brand

Madrid – Immer wieder kommen Menschen ums Leben, weil ihnen in unserer hochtechnisierten Welt aus Geldmangel der Strom abgestellt wird und sie dann mit für heutige Wohnungen ungeeigneten Mitteln versuchen müssen, für Licht, Wärme und Kochgelegenheit zu sorgen. Der Tod einer 81-jährigen Seniorin in Reus, der zweitgrößten Stadt der Provinz Tarragona, rund hundert Kilometer westlich von Barcelona gelegen, fand ein erhebliches Echo in den spanischen Medien.

Rosa Pitarch Vicente lebte in einer einfachen Wohnung im Zentrum von Reus. Zwei Monate vor ihrem Tod, zu Beginn der kalten Jahreszeit, war ihr der Strom abgestellt worden. Auch die Miete hatte sie seit zehn Monaten nicht mehr bezahlen können. Ihre Enkelin, die bei ihr lebte, war in der Nacht zum 14. November abwesend, weil sie mit den Vorbereitungen zum Umzug in eine andere Wohnung beschäftigt war. Eine Kerze entzündete die Matratze der alten Dame. Wahrscheinlich erlitt sie schlafend eine Rauchvergiftung, erwachte dann aber doch noch. Bei dem Versuch, sich aus dem schwelenden Bett zu retten, stürzte sie zu Boden, wo sie erstickte. Feuerwehr und Krankenwagen erreichten die Wohnung um drei Uhr in der Frühe. Alle Versuche, das Opfer wiederzubeleben, scheiterten.

Zwei Tage nach dem tragischen Ereignis gab es eine Demonstration vor den Pforten des Rathauses, welche die Plattform gegen Zwangsräumungen PAH organisiert hatte. Mit Rufen wie „Heute Rosa, wen trifft es morgen?“ und „Energiearmut tötet“ protestierten die Teilnehmer gegen die Folgen von Stromsperrungen bei Bedürftigen. Durch den Tod der Seniorin sind die Sozialdienste der Stadt in den Fokus der Kritik geraten. Diese hatten die Frau zwar gelegentlich betreut und auch ihre Wasserversorgung bezahlt, gegen die Stromsperre jedoch nichts unternommen. Die Stadtverwaltung wehrt sich vehement gegen die Kritik und sieht die Schuld beim Stromversorger Gas Natural, der nach dem Gesetz 24/2015 verpflichtet gewesen wäre, die Sozialdienste über die Sperrung der Stromversorgung zu informieren. Eine entsprechende Klage wurde bei der Staatsanwaltschaft eingereicht.  Weiterhin machte das Ayuntamiento der 100.000-Einwohner-Stadt bekannt, es habe im vergangenen Jahr 1.398 Einwohner bei der Zahlung der Wasser- und Gasrechnung unterstützt sowie die Stromkosten von 774 Bürgern bezuschusst. Für diese Hilfen seien insgesamt 304.000 Euro ausgegeben worden. Jedes Jahr stelle das Sozialressort der Stadt Subventionen für die Vermeidung von Energiearmut im Winterhalbjahr bereit.

Gas Natural seinerseits hat alle anstehenden Stromsperrungen in Reus vorläufig ausgesetzt und verlauten lassen, man habe seit 2014 bei 150 sozialen Härtefällen mit der Stadt zusammengearbeitet, doch das Ayuntamiento habe die 81-Jährige nicht in der entsprechenden Liste geführt.

Millionen Betroffene

Rosa Pitarch Vicente war eine der mehr als fünf Millionen Personen in Spanien, die ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen können. Fast 1,8 Millionen Haushalte leben im Dunkeln.  Jeder dritte Haushalt, der von Arbeitslosigkeit betroffen ist, erleidet Energiearmut. Dies führt nach der „Studie über energetische Armut und Ungleichheit“, die alle zwei Jahre vom Verband für Umweltwissenschaften veröffentlicht wird, nach Daten, die in 2014 erhoben wurden, zu 7.000 vorzeitigen Todesfällen jährlich. Wohnungsbrände sowie Herz- und Lungenerkrankungen sind die Folgen dieses Typus der Bedürftigkeit, der sich seit 2007 verdreifacht hat. Im selben Zeitraum haben sich die Kosten für Strom und Gas um 42% erhöht. Spanien steht an vierter Stelle der europäischen Länder mit der höchsten Zahl an Haushalten, die nicht in der Lage sind, die Wohnung auf einer angemessenen Temperatur zu halten.

Der Tod von Rosa Pitarch Vicente hat Verwaltungen und Unternehmen dazu gebracht, ihren Umgang mit Sperrungen der Wasser-, Gas- und Stromversorgung zu überdenken. Er hat einmal mehr sichtbar gemacht, dass es in Spanien keine gemeinsame Strategie für den Kampf gegen die Energiearmut gibt. Der Stromversorger Endesa hat deshalb von der Regierung eine Richtlinie gefordert, die festlegen soll, welche Personen als hilfsbedürftig anzusehen sind, und die Sozialdienste koordiniert, damit sie die Unternehmen ohne Verzug über die Identität der betroffenen Familien informieren.

Auch in Deutschland ist Energiearmut ein Thema mit leider steigender Tendenz. Im Jahr 2014 wurde nach Angaben der Bundesnetzagentur und des Bundeskartellamts über 350.000 Haushalten der Strom abgestellt, 7.000 mehr als im Vorjahr.

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