Die Kanarischen Inseln erproben neue technische Möglichkeiten
Ob in der Wirtschaft oder bei der Energieerzeugung: Die beste Effizienz erreicht man, wenn Angebot und Nachfrage einander entsprechen. Dieses Ziel zu erreichen ist nicht immer einfach, wie jeder Besitzer einer Solar- oder Windkraftanlage weiß.
Photovoltaik erzeugt tagsüber Strom, doch gerade nachts braucht man Licht, der Wind weht, wann er will und meistens genau dann, wenn man viel Strom bräuchte, etwa weil man Wäsche waschen möchte, herrscht Flaute. Wärmekollektoren können zwar heizen, aber gerade im Winter bei bewölktem Himmel bringen sie fast keine Wärme ins Haus. Andererseits hat man bei viel Wind oder Sonne einen Energieüberschuss, der nutzlos verpufft.
Wenn man nun nicht aus dem öffentlichen Netz hinzukaufen oder einen Benzingenerator anwerfen will, gibt es nur eine sinnvolle Lösung: Energiespeicher. Im Hausbereich sind das Blei-Säure-Batterien, ähnlich einer Autobatterie, aber größer. Deren Kapazität hängt davon ab, wie sehr Angebot und Nachfrage zeitlich auseinanderliegen.
Im Prinzip haben alle großen Stromerzeuger dasselbe Problem. Zwar hilft die Vernetzung im europäischen Verbundnetz, so manche Spitze im Bedarf auszugleichen, doch gibt es auch hier gewaltige Schwankungen. Jeden Morgen, wenn Millionen Europäer aufstehen, duschen, Kaffee kochen etc. registrieren die E-Werke einen enormen Anstieg des Verbrauchs. Viele Kraftwerke lassen sich nicht so schnell hochfahren oder arbeiten ohnehin schon mit hoher Kapazität, so dass es in Europa etliche Kraftwerke, auch Atomkraftwerke, gibt, die nur für Spitzenlastzeiten gebaut wurden und zu anderen Zeiten heruntergefahren werden.
Der zunehmende Einsatz von Windrädern macht die Situation eher schlimmer, denn deren Energieerzeugung ist nicht vorhersehbar und schwankt extrem. So wird überschüssiger Strom zum Beispiel nach Norwegen geleitet, wo er Wasser in Stauseen pumpt, das bei Bedarf als Wasserkraft zur Verfügung steht.
Insellösung für El Hierro
Je kleiner ein Stromnetz ist, um so extremer ist die Differenz zwischen Stromerzeugung und -verbrauch, ganz besonders beim Einsatz von Windrädern. Die kleine Insel El Hierro könnte den wenigen Strom, der gebraucht wird, problemslos rein aus Windkraft erzeugen, aber nur zusammen mit einer effizienten Speichermöglichkeit.
Genau daran wird derzeit gearbeitet: Bis Ende 2011 sollen zwei große Wasserspeicherbecken in Betrieb gehen, die mit Rohrleitungen verbunden sind. Das obere, in den Bergen bei dem Hauptort Valverde gelegen, fasst 350.000 Kubikmeter, das untere in Küstennähe 150.000 cbm. Neben der Funktion als Wasserspeicher arbeitet das System als Energiespeicher: Weht der Wind, pumpt nicht benötigter Strom das Wasser hoch, wird viel Strom gebraucht, treibt das Wasser eine Turbine. Dadurch kann die Insel bei Windstille drei Tage lang mit Strom versorgt werden. Sollte die Flaute länger dauern, was selten vorkommt, dann kann das alte Ölkraftwerk von Llanos Blancos einspringen.
Die Kosten für das neue System belaufen sich auf 64,7 Millionen Euro und werden von der kanarischen Regierung, der spanisch-kanarischen Stromgesellschaft ENDESA-UNELCO und einem Institut getragen. Die neue Anlage wird jährlich 6.000 Tonnen Öl einsparen, das sind nach heutigem Preis etwa 1,8 Millionen Euro.
Batterien als Stromspeicher
Auf Gran Canaria, La Gomera und La Palma geht man demnächst andere Wege. Auf dem II. Eurelectric-Kongress, der Ende April in Las Palmas stattfand, wurde ein neues Energiespeicherprojekt vorgestellt, das im Laufe eines Jahres in Betrieb gehen soll. Das Projekt „Store“ will drei verschiedene Speichersysteme auf ihre Alltagstauglichkeit testen, die in Spitzenzeiten Strom ins Netz speisen und dadurch teuere Generatoren einsparen, die nur für Spitzenlast installiert sind und teilweise nur wenige Stunden im Jahr laufen. Damit werden einerseits Kosten gesenkt und andererseits kann der Anteil von Wind- und Sonnenenergie erhöht werden, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden. Insgesamt 14 Millionen Euro werden in das Projekt investiert, von denen ENDESA-UNELCO die Hälfte trägt. Nach drei Jahren wird dann ausgewertet, welches der drei Systeme sich am besten bewährt hat.
La Palma bekommt in seinem Kraftwerk von Los Guinchos in der Nähe der Hauptstadt eine Gruppe von Ultrakondensatoren, wie sie im Kleinen auch in der Elektronik verwendet werden. Diese können in sehr kurzer Zeit sehr hohe Ströme liefern, in diesem Fall vier Megawatt in einer halben Sekunde, und somit Spannungseinbrüche im Netz kurzfristig kompensieren. Die Kondensatoren sind praktisch wartungsfrei und haben eine lange Lebensdauer.
In La Aldea auf Gran Canaria werden herkömmliche Blei-Säure-Akkus installiert, die für sieben Stunden ein Megawatt abgeben können. Bei guter Pflege halten solche Akkus über zehn Jahre, sie sind die derzeit preiswertesten chemischen Stromspeicher.
Eine etwas neuere Technologie wird in San Sebastián auf La Gomera erprobt werden: Brom-Zink-Batterien. Die sind zwar etwas teurer als Blei-Säure und haben eine geringere Energiedichte, dafür aber eine viel höhere Lebensspanne von 20 Jahren. ENDESA testet diese Systeme bewusst auf den Inseln, da sie dort wegen des kleineren Stromnetzes viel mehr gefordert werden als in den ausgeglicheneren Netzen auf dem Kontinent.
Die ideale Speicherlösung der Zukunft wären vermutlich viele Tausende Elektroautos, die meistens nachts, wenn viel Strom im Angebot ist, in der Garage „aufgetankt“ werden und zu Spitzenzeiten, sofern sie nicht unterwegs sind, aus ihren Batterien etwas ins Netz zurückliefern. Doch bis dahin werden die Kanarischen Inseln noch viele Stromausfälle erleben.
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