Es begann mit einem Kamel von Teneriffa…


© WB

Teneriffa-Touristin wurde in Australien zu ihrer Überraschung „Kamel-Lady“

Stichwort Australien. Dazu fällt einem in der Regel ein: Sydney und das Opernhaus, der Ayers Rock, das Great Barrier Reef… und ganz viel Wüs­te mit einem Haufen Kaninchen und Känguruhs drin. Vielleicht auch noch die kuscheligen Koalas. Und Insider wissen sogar, dass Australiens Hauptstadt nicht etwa Sydney, sondern Canberra ist. Das war’s dann aber auch schon.

Dabei ist Australien geradezu das Land der Gegensätze, Überraschungen und Kuriositäten. So schreibt beispielsweise Bill Bryson in seinem Buch „Frühstück mit Känguruhs“, dass 1967 der damalige australische Premierminister Harold Holt am Cheviot-Beach bei Melbourne zum Schwimmen ins Meer ging, elegant über eine Welle sprang – und nie mehr gesehen wurde. Man stelle sich mal vor, Angie stiege auf Sylt bei Kampen in die Nordsee und wäre einfach weg: was für einen Medienradau das rund um den Globus gäbe. Aber haben Sie die Geschichte von Premier Harold Holt und seinem Badeunfall-Verschwinden schon einmal gehört? Die Welt hat nämlich überhaupt keine Notiz davon genommen. Australien selbst ehrte seinen verschwundenen Regierungschef pittoreskerweise damit, dass ihm zu Ehren ausgerechnet ein Schwimmbad, das Harold Holt Memorial Swimming Centre, errichtet wurde. Down under ist eben alles anders. Und übt auf zahlreiche Menschen genau deshalb eine ungeheure Faszination aus.

Horrocks Kamel

Ihren Traum von der Reise nach Australien und Neuseeland hat kürzlich die von Teneriffa stammende Bettina Horn wahrgemacht und hakte natürlich die Highlights des Kontinents ab: in Sydney ist sie – gut angeschnallt – über die berühmte Harbour Bridge beim Opernhaus balanciert, in Neuseeland über einen Gletscher gewandert. Den Ayers Rock, der eigentlich Uluru heißt, hat sie nicht bestiegen, weil die Aborigines den als heiligen Berg ansehen und darum bitten, ihn in Ruhe zu lassen. Dafür hat sie aber eine Kameltour durch die Wüste am weltberühmten roten Felsen gemacht. Als sich dort die Reisegruppe versammelte, fragte der Reiseleiter die Teilnehmer, woher sie denn kämen. „Texas!“ hieß es dann oder „Italien!“, „USA!“, „Schweden!“, wozu der Reiseleiter stets freundlich nickte und den nächsten Gast anschaute. Als Bettina „Canary Islands“ sagte, stutzte er und fragte interessiert nach: „Welche Insel denn?“

Oh, dachte Bettina bei sich, der scheint sich auszukennen, und schob „Tenerife“ nach. Was den Reiseleiter völlig

aus dem Häuschen brachte. „Komm mit, komm mit!“, schrie er aufgeregt und zerrte sie am Arm in eine ganz bestimmte Richtung. „Teneriffa! Ich kann es gar nicht glauben!“ Er gab erst Ruhe, als beide dann vor einem Schild standen. „Da! Lies das!“, forderte er sie auf. Also las sie und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus:

„Kamele wurden erstmals 1840 in Australien eingeführt. Das erste Kamel, das ankam, war das einzige überlebende von insgesamt neun, die von den Phillips-Brüdern geordert wurden, und kam von Teneriffa, Kanarische Inseln. Es wurde mit der „Appoline“ verschifft und kam am 12. Oktober 1840 in Port Adelaide an. Das Kamel wurde „Horrocks Kamel“ genannt, nach dem Pastor-Pionier John Ainsworth Horrocks (1818-46). Das Kamel wurde während einer Entdeckungs-Exepdition durch Nord-Australien getötet, weil es angeblich in einen Jagdunfall verwickelt war, der zu Horrocks Tod führte.“

Damit avancierte Bettina Horn zur Kamel-Lady, weil sie aus dem „Land der Kamele“ stammt, wie die Australier meinen. Doch im Gegensatz zu Teneriffa, wo es kaum noch Kamele gibt (und schon gar keine frei lebenden), sind die Kamele in Australien genau wie die Kaninchen zu einer wahren Plage geworden. Einst zum Bau der Eisenbahn eingesetzt, wurden sie in den 20er Jahren durch LKWs ersetzt, und die Kamele wurden in großer Zahl in die Freiheit entlassen. Weil sie in Australien keine natürlichen Feinde haben, vermehren sie sich ungehindert. Man geht davon aus, dass spätestens im kommenden Jahrzehnt mehr als eine Million Kamele durch Australien laufen. Naturschützer sagen, schon jetzt leide die Vegetation unter der großen Zahl der Tiere, die in den australischen Halbwüsten eine ausgezeichnete Nahrungsgrundlage haben. Kamele fressen nahezu alles, was Wurzeln hat – vier von fünf Pflanzenarten, die im Outback wachsen. Schätzungsweise müssen jährlich etwa 60.000 Kamele getötet werden, um die Population erfolgreich zu begrenzen.

Kamel-Burger

Kamelfleisch wird schon jetzt in Australien zu Kamel-Burgern verarbeitet. Zudem werden inzwischen zunehmend Kamele lebend exportiert. Zunächst wurden sie nur an Nationalparks und Zoos verkauft, inzwischen werden sie nach Hongkong, Israel und Ägypten verschifft – um dort ebenfalls geschlachtet und als Delikatesse verkauft zu werden. Australische Kamele sind sehr beliebt, weil sie als gesund und seuchenfrei gelten. 3500 Tiere werden schon jetzt jährlich exportiert.

Kamele könnten so in den kommenden Jahren zum australischen Export-Schlager werden – tot und lebendig. Für die Aborigines könnte das ein anderes von Weißen importiertes Problem lösen: das der Arbeitslosigkeit. Wenn man bedenkt, dass das alles mit einem Kamel begann, das von Teneriffa kam…

Über Wochenblatt

Das Wochenblatt erscheint 14-tägig mit aktuellen Meldungen von den Kanaren und dem spanischen Festland. Das Wochenblatt gilt seit nunmehr 36 Jahren als unbestrittener Marktführer der deutschsprachigen Printmedien auf den Kanarischen Inseln.