Es ist vorbei: Cho Vito wurde ausgelöscht


© EFE

Der Fischerort bei Candelaria wurde abgerissen – An seiner Stelle soll ein Küstenweg mit EU-Mitteln gebaut werden

Die letzten Bewohner von Cho Vito haben die Schlacht verloren. Am 16. November in aller Frühe rückten Polizeikräfte an. Guardia Civil und Policía Nacional waren damit beauftragt, die neun bescheidenen Häuser, aus denen der Ort noch bestand, zu räumen, damit der Abriss durch den Bagger erfolgen konnte. Allein fünfzig Beamte der Guardia Civil waren Teil des übermäßigen Polizeiaufgebots.

Fünf Tage nach Ablauf der letzten Frist am 12. November rückte der Bagger an und zerstörte auf Anordnung des spanischen Küstenamtes bzw. Umweltministeriums das was von Cho Vito noch übrig war. Ein Antrag bei der spanischen Regierung, um dieses Dorf wegen seines völkerkundlichen Wertes zu verschonen, war abgeschmettert worden. Auch ein mehrtägiger Hungerstreik der Bewohner, die sich bis zuletzt wehrten, hatte keinen Erfolg. In manchen Fällen wurden sie gar mit Gewalt aus ihren Häusern gezerrt, und es schien, als gingen die mit der Räumung beauftragten Beamten etwas zu eifrig zur Sache. Einige Bewohner erlitten im Zuge der Aktion leichte Verletzungen und eine Betroffene klagte, dass die Polizisten junge Männer mit dem Gummiknüppel traktiert hätten.

Den ganzen Morgen wiederholten sich die dramatischen Szenen, bis schließlich alle Anwohner ihre Häuser verlassen hatten. Am Strand von Caletillas versammelten sie und ihre Unterstützer sich, wobei immer wieder Schmährufe gegen Candelarias Bürgermeister Gumersindo García und die Regierung zu hören waren.

Dabei mussten sie zusehen, wie der Bagger nach und nach ihre Häuser dem Erdboden gleich machte. Einige von ihnen hatten in Cho Vito ihr ganzes Leben verbracht, so wie Filiberto Cabrera. Er wurde zusammen mit seiner Frau, seinen zwei Töchtern und einer Enkeltochter gezwungen, das Haus zu verlassen, in dem er die letzten 40 Jahre gewohnt hatte. Die Betroffenen beharren darauf, dass ihre Häuser legal seien, sie über Urkunden verfügen, die dies beweisen, und einige von ihnen für den Hauskauf sogar Unterstützung von der Regionalregierung bekamen und eine Hypothek aufnehmen konnten.

Tomás González, Sprecher der Cho Vito-Gemeinschaft hielt an seiner Version fest: „Diese Aktion ist eine politische Entscheidung“. Die spanische Regierung müsse bei der EU Rechenschaft für die 1,2 Millionen Euro ablegen, die für das Projekt eines Küstenweges bestimmt waren. Die Frist laufe am 31. Dezember 2012 ab. Dies, so Tomás González, sei der wahre Grund, weshalb das Küstengesetz gerade in Cho Vito so gnadenlos angewandt werde.  Dieses umstrittene Gesetz aus dem Jahr 1988 bestimmt, dass direkt am Meer keine Bebauung erfolgen darf bzw. dieses Gelände öffentlicher Grund und Boden ist. Die Häusergruppe von Cho Vito bei Candelaria lag innerhalb dieses landeinwärts abgegrenzten Küstenstreifens.

Der Abriss des ersten Teils des Fischerortes war bereits 2008 erfolgt. Damals wurden an die zwanzig Häuser trotz heftigster Proteste ihrer Besitzer zerstört. Erhalten blieben nur die Häuser, die als einziger Wohnsitz ihrer Eigentümer ausgewiesen werden konnten.

Die letzten Cho Vito-Bewohner, die nun ebenfalls ihr Dach über dem Kopf verloren haben, zogen zunächst ins Rathaus und verkündeten, dass sie so lange im Ratssaal  campieren würden, bis eine für sie zufriedenstellende Lösung gefunden werde. Nach vier Tagen kam es schließlich zu einer Einigung. Gemeinde und Betroffene schlossen dank eines Abkommens Frieden, das für beiden Seiten akzeptabel ist.

Einige Familien entschieden sich für das Angebot der Gemeinde, für die nächsten zwei Jahre in eine Wohnung zu ziehen, für deren Mietkosten sie insgesamt 12.000 Euro erhalten. Außerdem wird ihnen Vorrang bei der Zuteilung einer Sozialwohnung eingeräumt. Die übrigen Betroffenen haben das Angebot der Gemeinde angenommen, ihnen ein Grundstück zur Verfügung zu stellen. Für den Bau der Sozialwohnungen müssen sie selbst aufkommen. Hierfür planen sie die Gründung einer Wohnungsbaugenossenschaft und wollen sich bei der EU um Finanzierung bemühen.[bsa_pro_ad_space id=“8,13″ if_empty=“13″ delay=“5″]

About Wochenblatt

Das Wochenblatt erscheint 14-tägig mit aktuellen Meldungen von den Kanaren und dem spanischen Festland. Das Wochenblatt gilt seit nunmehr 36 Jahren als unbestrittener Marktführer der deutschsprachigen Printmedien auf den Kanarischen Inseln.