„Für eine Zukunft in Würde“


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Eine riesige Protestwelle rollte im Vorfeld der Wahlen über Spanien

Im Vorfeld zu den Regional- und Kommunalwahlen vom 22. Mai brauste ein wahrer Sturm des Protests über Spanien. Als Auftakt der „Empörungsbewegung“ gingen am 15. Mai in zahlreichen spanischen Städten Tausende meist junge Bürger auf die Straßen, um gegen die aufgrund von politischer und wirtschaftlicher Misswirtschaft für die Einwohner immer prekäreren Lebensbedingungen zu protestieren.

Madrid – „Wir haben keine Arbeit, wir haben kein Haus und kein Einkommen, wir haben aber auch keine Angst“ lautete die Devise, mit der die Demonstranten sich für einen politischen und gesellschaftlichen „Richtungswechsel und eine Zukunft in Würde“ aussprachen und gleichzeitig gegen die „antisozialen Reformen“ protestierten, die seit Beginn der Wirtschaftskrise eingeführt wurden. Angeleitet von den Bankern habe die sozialistische Regierung die Arbeitsrechte zugunsten der „Mächtigen“ beschnitten, wurde unter anderem moniert.

Die Demonstrationen, zu denen die Bürgerplattform „Democracia Real Ya!“ („Echte Demokratie Jetzt“) insbesondere online über soziale Netzwerke wie Facebook aufgerufen hatte, fanden zeitgleich in etwa 50 großen spanischen Städten statt. Besonders gut besucht waren die Protestzüge allerdings in Madrid, Barcelona, Málaga, Alicante und Valencia.

In der spanischen Hauptstadt versammelten sich die Demonstranten nach ihrem Marsch durch Madrid auf der zentral gelegenen Plaza de Cibeles und machten ihrem Unmut mit Ausrufen Luft wie „Wir bezahlen nicht für diese Krise“, „Mist-Zukunft, prekäre Arbeit“, „Wir sind nicht die Marionetten der Politiker und Banker“ und „Ende der Korruption, lasst uns zur Aktion übergehen“.

In einem Manifest wurden die Sorgen der Demonstranten zum Ausdruck gebracht – steigende Arbeitslosenzahlen, prekäre Arbeitsbedingungen, keine Aussichten auf Verbesserungen – die immer größere Teile der spanischen Gesellschaft betreffen. „Einige von uns sind progressiver, andere konservativer. Einige von uns sind gläubig, andere nicht. Einige von uns haben klar definierte Ideologien, andere stufen sich selbst als unpolitisch ein. Alle machen wir uns aber Sorgen und sind empört angesichts dessen, was uns das politische, wirtschaftliche und soziale Panorama derzeit bietet. Nicht zuletzt wegen der Korruption der Politiker, Unternehmer und Banker“, heißt es unter anderem. „Die Banken, die die Krise ausgelöst haben, erhöhen einfach die Hypotheken und stecken dann auch noch unsere Häuser ein“, wird an anderer Stelle moniert.

Doch wer geglaubt hatte, damit war die vor allem von jungen Bürgern organisierte Protestbewegung vorerst vor-über, der hatte sich gründlich getäuscht, denn bereits drei Tage später fanden erneut Groß-Demonstrationen in zahlreichen Städten statt. Und wieder kamen Tausende empörter Bürger, die ihrem Unmut Luft machen wollten. Auffallend war dabei, dass sich unter die vielen jungen Demonstranten nun auch zahlreiche ältere Bürger gemischt hatten.

Auch dieses Mal war die Protestaktion von Madrid besonders aufsehenerregend, denn dort war die Demonstration kurz zuvor gerichtlich verboten worden. Davon ungerührt hatten sich dennoch Tausende an der zentral gelegenen Puerta del Sol versammelt, wo sie friedlich, aber bestimmt gegen die Machenschaften von Politik und Banken protestierten. „Wenn ihr uns nicht träumen lasst, lassen wir euch nicht mehr schlafen“ war unter anderem auf zahlreichen Plakaten zu lesen.

Friedliche „Spanish Revolution“

Was am 15. Mai als kleine, kaum beachtete Bewegung begonnen hatte, ist innerhalb von nur einer Woche zu einer weltweiten Welle der Empörung angeschwollen. Auf zentralen Plätzen wie der Madrider Plaza de Sol campen bis zum heutigen Tage junge und nicht ganz so junge Spanier, um sich für eine neue Machtverteilung, für eine gerechtere Gesellschaft einzusetzen. Innerhalb kürzester Zeit fand die friedliche „Spanish Revolution“ weltweit Beachtung und Unterstützung. In Städten wie Berlin, Hamburg, Paris, aber auch New York fanden spontane Versammlungen vor den spanischen Botschaften statt, um diese spanische Bewegung zu unterstützen.

Wie vonseiten der Organisation dieser Bewegung, der sogenannten „Movimiento 15-M“ („Bewegung 15. Mai“ in Anlehnung an die ersten großen Proteste, die diese Welle in Bewegung gesetzt haben) zu erfahren war, wollen sie auf alles aufmerksam machen, was derzeit in Spanien schiefläuft. Unter anderem sollen sich die Politiker wieder bewusst werden, dass sie nur die Verwalter des spanischen Besitzes sind, demokratisch gewählte Vertreter des Volkes, deren Aufgabe es ist, für die Interessen der Gesellschaft zu arbeiten und nicht für die Interessen von Bankern und Großunternehmern. Auch sollen nie wieder Wahlen stattfinden dürfen, mit so vielen wegen Korruption angeklagten Kandidaten in den Wahllisten der verschiedenen Parteien.

Anders als sich vor allem die politische Ebene vielleicht erhofft hatte, ist die Protestwelle mit den Wahlen vom 22. Mai noch lange nicht vorüber, wird nun angekündigt. Spaniens „Empörte“ werden nicht ruhen, bis sich etwas in der heutigen gesellschaftlichen Ordnung und Machtverteilung verändert hat. „Die politischen Parteien sind nicht die einzige Möglichkeit, aktiv am politischen Geschehen teilzunehmen“, heißt es unter anderem. Mindestens bis zu den spätestens im März nächsten Jahres stattfindenden Parlamentswahlen, werde man sich Gehör verschaffen, „friedlich, aber unermüdlich“.

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