Für Menschenhandel – die rote Karte


Gedanken für mich – Augenblicke für Gott

In wenigen Tagen beginnt sie: Die XIX. Fußball-WM in Südafrika. Alles läuft auf Hochtouren und alle Fußball-Fans fiebern diesen Tagen entgegen. Allerdings gibt es da auch ein sehr ernstes Gesicht, das auf einem der unzähligen Plakate zu sehen ist, welche für diese große Sportveranstaltung werben.

Auf diesem Bild ist keine ausgelassene Stimmung erkennbar, keine Fröhlichkeit wie in all den anderen Bildern, die für dieses Sportereignis werben. Stattdessen streckt ein junger Mann in gelbem Trikot der südafrikanischen Nationalmannschaft eine rote Karte in den düsteren Himmel. Auf diesem Plakat ist zu lesen: „Weg mit dem Menschenhandel“. Dieses Plakat soll deutlich machen, wie Menschenrechtler des südafrikanischen Landes befürchten, dass die moderne Form der Sklaverei zur Fußball-WM sprunghaft ansteigen wird. Diese Sorge treibt auch Ordensschwester Melanie O’Connor um. Die irische Ordensfrau organisiert seit Frühjahr 2008 für die Südafrikanische Konferenz der Ordensoberen als auch für die Südafrikanische Bischofskonferenz Projekte, die helfen sollen, dem Handel mit Menschen so schnell wie möglich ein Ende zu bereiten. Zwar hat sie keine konkreten Zahlen, doch durch ihre Arbeit erlebt sie täglich, wie tiefgehend und verworren das Problem ist: Junge Frauen und Männer, die als Hausmädchen oder Farmarbeiter verkauft werden oder in Porno-Filmen mitspielen müssen. Besonders besorgt ist sie nun – wenige Tage vor Beginn des sportlichen Großereignisses – um die Kinder in Südafrika. Sie könnten nämlich während der WM zu Arbeit und Prostitution gezwungen werden.

Es ist ein Geschäft – da brauchen wir uns nichts vorzumachen – welches bei jeder Großveranstaltung boomt. Allerdings rückt es seit ein paar Monaten am Kap der Guten Hoffnung erst so richtig ins öffentliche Bewusstsein. „Anfang des Jahres sind 50 Mädchen aus Lesotho in einer Garage entdeckt worden“, sagt Schwester Melanie. Die jungen Frauen waren illegal im Land. „Big Mama“, eine mächtige Frau im Land, hielt ihre Pässe unter Verschluss und hatte sie somit alle in ihrer Gewalt. „Wir vermuten“, so der O-Ton von Schwester Melanie, „dass Big Mama sie unter anderem als sexuell-aktive Haushaltshilfen verkaufen wollte.“

In Durban, einem beliebten Urlaubsort am Indischen Ozean, sorgte jüngst ein weiterer Fall für Schlagzeilen. Dorthin soll ein Ehepaar Frauen aus Thailand nach Südafrika gebracht und zur Prostitution gezwungen haben. Derzeit wird dieser Fall vor Gericht behandelt und man darf gespannt sein, wie er ausgehen wird. Denn für die engagierte Ordensschwester ist dies immer noch keine Selbstverständlichkeit. Wie sie sagt, gibt es zwar zwischenzeitlich genügend Gesetzesgrundlagen, um die Täter verurteilen zu können, doch eine eigene Vorschrift gegen den Menschenhandel gibt es immer noch nicht. Das bestätigt auch der in den letzten Jahren durch Presse und Fernsehen bekannt gewordene Pfarrer aus Trier, Stefan Hippler, der seit Jahren gute Arbeit in der AIDS-Prävention Südafrika macht. Beide hoffen nun inständig, dass das Parlament den neuen Gesetzesvorlagen endgültig zustimmt und dann auch zügig gehandelt wird. Aber ob das die Täter abschreckt? Ihre Methoden scheinen sich ständig zu wandeln und vor allem immer skrupelloser zu werden. Dazu kommt, dass kriminelle Vereinigungen immer häufiger aus dem Umfeld der Opfer stammen. Oft seien es armselige Viertel, berichtet Schwester Melanie, in denen Menschen für ein klein wenig Geld zu vielem bereit seien. Immer wieder würden arbeitslose Jugendliche angeheuert, die Mädchen von der Straße entführten. Wenn jemand normalerweise 20 Euro im Monat verdient und ihm umgerechnet 2.000 Euro (20.000 Südafrikanische Rand) auf einen Schlag geboten werden, dann ist man zu vielem bereit.

Außerdem würden viele der weiblichen Opfer selbst zu Tätern gezwungen: Wenn man sie nach einiger Zeit freilasse, müssten sie als Gegenleistung ein neues Mädchen bringen. Dabei stünden sie unter massi-vem psychischem Druck.

„Wenn du dieses oder jenes nicht machst, holen wir uns deine Tochter“, ist eine äußerst beliebte Drohung. Und so sind die Möglichkeiten von Schwes­ter Melanie im Kampf gegen das Problem begrenzt. Gerne hätte sie für die WM ein weiteres Plakat drucken lassen. Dieses Plakat zeigt ein Mädchen, das auf einem riesigen Fußball sitzt. Gerade Frauen sind von diesem Bild angetan. Doch Schwester Melanie fehlt das Geld dafür. Nun wollen viele Nichtregierungsorgani-sationen es haben und auch drucken. Und so bleibt für Schwester Melanie wenigstens die kleine Hoffnung: „Das Problembewusstsein scheint geweckt zu sein.“

Auch das ist eine Seite der Fußball-WM 2010. Wir, die wir sie nur am Rande und am Bildschirm miterleben, sollten das aber auch zur Kenntnis nehmen und es thematisieren, wann immer wir  können. Die Freude am Fußball muss uns deshalb nicht abhanden kommen. Wir setzen uns einfach dafür ein, dass dem Menschenhandel weltweit die rote Karte gezeigt wird. Ich bin dabei – und Sie?

 

Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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